Lügenpresse und Qualitätsjournalismus: Aufruf aus dem Expertenkreis
Was ist eigentlich Qualitätsjournalismus?
Worin unterscheidet sich Qualitätsjournalismus von Journalismus?
Woran erkennt man Qualitätsjournalismus?
Welchen Nutzen hat Qualitätsjournalismus, den Journalismus nicht hat?
Die Fragen drängen sich auf, wenn man den Aufruf des “Expertenkreises Stiftungen & Qualitätsjournalismus im Bundesverband Deutscher Stiftungen” liest, der dem Qualitätsjournalismus gewidmet ist, nicht etwa dem Journalismus.
Qualitätsjournalismus hat irgendwie etwas mit einer informierten Öffentlichkeit zu tun und ist als Begriff irgendwie eine Reaktion auf den Begriff “Lügenpresse”, der für die Aufrufer ein Zeichen dafür ist, dass “Bürger journalistischen Angeboten pauschal misstrauen”.
Ein Nebensatz voller Prämissen:
Das Problem an Lügenpresse ist also nicht das Misstrauen, sondern das pauschale Misstrauen, was voraussetzt, dass es “journalistische Angebote” gibt, denen man als Bürger besser misstraut. Jetzt macht auch der Begriff Qualitätsjournalismus Sinn, denn die nähere Bestimmung “Qualität” vor dem Journalismus soll anzeigen, dass es sich bei Qualitätsjournalismus eben nicht um Journalismus und somit nicht um Angebote handelt, die sich als Lügenpresse qualifizieren.
Noch deutlicher: Der “Expertenkreis Stiftungen & Qualitätsjournalismus” ist selbst der Ansicht, dass Lügenpresse zwar nicht pauschal, aber in Teilen zutrifft, weshalb es notwendig ist, den in Teilen zur Lügenpresse verkommenden Journalismus links liegen zu lassen und die rettbaren Teile des Journalismus, die noch nicht zur Lügenpresse geworden sind, zum Qualitätsjournalismus zu transformieren.
Merke:
(1) Qualitätsjournalismus ist Teilmenge von Journalismus
(2) Lügenpresse ist Teilmenge von Journalismus
(3) Lügenpresse und Qualitätsjournalismus schließen einander aus.
(4) Lügenpresse und Journalismus schließen sich dagegen nicht aus.
Natürlich ist (3) keine empirischeAussage, denn es gibt weder eine Bestimmung dessen, was Qualitätsjournalismus sein soll noch eine Bestimmung der Ausschlusskriterien, die Qualitätsjournalismus von Lügenpresse differenzieren. Es handelt sich bei (3) um eine normative Aussage: Lügenpresse und Qualitätsjournalismus sollen einander ausschließen.
Betrachtet man (3) als eine derartige normative Aussage, dann wird auch verständlich, warum der “Expertenkreis Stiftungen & Qualitätsjournalismus” die 21.000 rechtfähigen Stiftungen in Deutschland dazu aufruft:
Journalisten und Journalismus zu fördern, zum Beispiel mit Recherchestipendien, Austauschprogrammen oder Preisen für (Achtung, jetzt kommt es:) Qualitätsjournalismus. Qualitätsjournalismus ist eben nicht selbstverständlich und muss per Förderung durch Stipendien erst hergestellt werden.
- “Recherchen transparent zu machen, Quellen offenzulegen und die eigene Berichterstattung kritisch zu reflektieren”, das soll auch gefördert werden, um journalistische Glaubwürdigkeit herzustellen. Das ist nützlich, denn nun ist es möglich, eine erste Definition von Qualitätsjournalismus vorzulegen: Wer seine Quellen nicht benennt, seine Recherchen nicht transparent macht und seine Berichterstattung nicht kritisch reflektiert, wer “nicht auf Augenhöhe” mit dem “Publikum … kommuniziert”, z.B. dadurch, dass er die Kommentarfunktion seines Online-Angebots schließt, der ist entsprechend kein Vertreter von Qualitätsjournalismus!
Schließlich laden die “Verfasser dieser Erklärung … die interessierte Öffentlichkeit … ein, sich am Dialog zu beteiligen”, also am Dialog über den Qualitätsjournalismus, der für den Expertenkreis “Stiftung & Qualitätsjournalismus” so wichtig ist, weil ohne “eine informierte Öffentlichkeit” Demokratie nicht funktionieren kann. Qualitätsjournalismus sei zur Kontrolle der “Entscheider in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft” wichtig und zur Aufrechterhaltung der Meinungsvielfalt.
Nun, dann beteiligen wir uns doch am Dialog.
Die Kontrolle der “Entscheider”, die vierte Gewalt durch Medien, sie ist ein Bestandteil der politikwissenschaftlichen Ausbildung, der schon im ersten Semester im Rahmen der Veranstaltungen zu Demokratietheorien vorgetragen wird. Im Idealfall sind Medienvertreter Kontrolleure der Entscheider. Das ist der Mythos.
In der Realität sind Medienvertreter in Institutionen eingebunden. Sie handeln am Markt für Informationen, und wie es der Zufall so will, sind es die Entscheider, die auch über Zugang zu Informationen nicht nur entscheiden, sondern wohlgefällige Berichterstattung z.B. mit einer doppelseitigen Anzeige der Bundespartei belohnen können. In der Realität finden sich isomorphe Strukturen von Redakteuren, die zusammen auf der Journalistenschule saßen, die alle dieselbe Sprache sprechen und denselben Rotwein trinken, die alle die gleiche Pressekonferenz besuchen, dort die gleichen Fragen stellen und in der Redaktion einen weitgehend identischen Text daraus machen, der das widerspiegelt, was ihnen erzählt wurde. Abweichung und Kritik sind in solchen Strukturen kaum möglich.
Kritischer Journalismus ist schon deshalb nicht möglich, weil die eingetretenen Pfade in der Redaktion in der Vergangenheit nicht durch kritischen Journalismus eingetrampelt wurden, weshalb diejenigen, die die Pfade täglich gehen, kein Interesse daran haben, dass nun ein kritischer Journalist des Weges kommt, um andere Wege zu gehen, sich abweichend zu verhalten und sich am Ende zu profilieren.
Kurz: Die vorhandenen Strukturen sind so eingefahren, dass die Versuche des Expertenkreises, Qualitätsjournalismus auf den Netzwerken des real existierenden Journalismus zu erschaffen, vergeblich bleiben werden. Das ist das Problem an Strukturen: Sie lassen sich kaum ändern.
Dies bringt uns zum grundlegenden Fehler des Aufrufes des Expertenkreises:
Die Kontrolle der Entscheider und die Meinungsvielfalt einer Gesellschaft benötigt keinen eingesessenen Journalismus, nicht einmal einen Qualitätsjournalismus. Zivilgesellschaften benötigen engagierte Bürger, die sich auf dem Markt der Informationen eigenständig und in gleichem Recht mit Informationen versorgen können (und nicht etwa Bürger, die von Dritten, die den Zugang zu Informationen kontrollieren, informiert werden).
Die lebhafte Internetcommunity mit ihrer Blogosphere ist ein Beispiel für Zivilgesellschaft, Meinungsvielfalt und Qualitätsjournalismus, ein Beispiel für lebhafte Diskussionen und Partizipation von Bürgern, ein Beispiel für “Kommunikation auf Augenhöhe”.
Warum soll man versuchen einen Journalismus, der selbst nach den Prämissen des Expertenkreises eine Teilmenge mit Lügenpresse aufweist, mit hohem finanziellen Aufwand zu reformieren und einen riskanten, weil mit einer hohen strukturellen Wahrscheinlichkeit des Scheitern belegten Anlauf unternehmen, den Journalismus in einen Qualitätsjournalismus zu transformieren, wenn es bereits unzählige Blogs, Foren und Diskussionsgruppen gibt, die all das bereitstellen, zumeist in Eigeninitiative und unentgeltlich, was Journalisten nicht zu leisten im Stande oder willens sind?
Wäre es nicht sinnvoller, die entsprechenden Anbieter zu fördern, anstatt Stiftungsgelder einzusetzen, um das Leben eines Sterbenden zu verlängern?
Wir sind gespannt auf die Antwort des Expertenkreises und freuen uns auf die Fördergelder aus den folgenden Stiftungen, die den Aufruf unterzeichnet haben:
- BMW‐Stiftung Herbert Quandt
- Comundialis‐Stiftung
- Daimler und Benz Stiftung
- Deutsche Telekom Stiftung
- Evangelische Stiftung Schönau
- Friedrich‐Ebert‐Stiftung
- Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik
- Joachim Herz Stiftung
- Karl‐Gerold‐Stiftung
- Klosterkammer Hannover
- Konrad‐Adenauer‐Stiftung
- Medienstiftung der Sparkasse Leipzig
- Otto Brenner Stiftung
- Robert Bosch Stiftung
- Rudolf Augstein Stiftung
- Schöpflin Stiftung
- Stifterverband für die deutsche Wissenschaft
- Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw)
- LfM‐Stiftung Vielfalt und Partizipation
- taz Panter Stiftung
- Vodafone Stiftung Deutschland
- VolkswagenStiftung
- WWF Deutschland
- ZEIT‐Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
sowie - GLS Treuhand e.V.
- Investigate! e.V.
Leider macht es keinen Sinn, etwas fördern zu wollen, Qualitätsjournalismus, von dem man nicht angeben kann, was es eigentlich ausmacht, für das man keine Kriterien angeben kann, die den Qualitätsjournalismus von Journalismus und Lügenpresse unterscheiden. Die Kriterien, die wir oben herausgearbeitet haben, sind insofern eine Gratisgabe aus der Blogosphere an diejenigen, die Qualitätsjournalimus fördern wollen.
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Hat dies auf meinfreundhawey.com rebloggt.
“Woran erkennt man Qualitätsjournalismus?”
Am Aufdruck “Qualitätsjournalismus”, verliehen von Stiftungen, die “Qualitätsjournalismus” fördern und fordern.
Wenn also eine dieser Stiftungen “Qualitätsjournalismus-Projekte” fördert, dann kann logischerweise nur Qualitätsjournalismus dabei herauskommen. Anderes wurde ja nicht gefördert.
D.h. die Förderung allein reicht schon aus und schon gibt es glaubwürdigen Journalismus, oder wer würde einer vom z.B. Stifterverband der deutschen Wissenschaft geförderten journalistischen Beitrag der Lügenpresse zurechnen. Der muss doch glaubwürdig sein.
Anders gesagt, es kommt nicht darauf an, was drin steht, sondern was drauf steht.
In anderen Bereichen läuft so etwas zwar unter Irreführung der Verbraucher, doch hier kann man sagen: Nur “Echt” mit dem Aufdruck “Echt”.
Ändert alles aber nichts an der Tatsache, daß es nur Journalismus gibt (und eben keinen gelben, nachhaltigen, erneuerbaren, qualitativen oder was auch immer).
Herr Klein, das war wie immer herzerfrischend und bereitet echte Freude.
Ihre Beiträge sind wirksamer, als Medizin, um der sich immer stärker ausbreitenden depressiven Stimmung entgegen zu wirken, die sich einstellt nach dem Konsum von Erzeugnissen, deren Macher von sich behaupten, sie seien Journalisten.
Nichts da, keine Förderungen mehr für irgendjemanden. Die einzigen Menschen die das Recht haben zu entscheiden wer irgendwelche Mittel zur Verfügung gestellt bekommt sind die, die diese Mittel gerade in der Hand halten.
Völlig unwissenschaftlich:
Ich glaube nicht daran, daß auch nur eine einzige dieser Stiftungen bereit wäre, z.B. an sciencefiles.org oder an andere Blogs/kritische Medien im Internet auch nur einen einzigen Cent herauszureichen.
Die sind an wahrheitsgemäßer oder, sagen wir mal, anders orientierter Berichterstattung NICHT interessiert.
Die wollen nur ihre Sicht der Dinge verbreitet wissen.
Gruß,
Andreas Damm
Ach, noch ein Nachsatz: Es ist auch besser, “DIE” geben Ihnen nichts. Damit sind Sie erhaben über jegliche Vorwürfe der Einflußnahme von außen und/oder Bestechlichkeit.
Andreas Damm
Hat dies auf psychosputnik rebloggt.
Qualitätsjournalismus ist ein ungeschützter Markenbegriff der Medienbranche wie es Premiumanbieter bei Automarken ist. Dahinter steht nichts anderes als der Versuch einen höheren Preis erzielen zu können, bzw. im Fall der Medien, mehr Aufmerksamkeit zu erlangen bei relevanten Personen.
Ich persönlich lesen den Begriff aber nur noch als Quantitätsjournalismus. Viel mehr ist es nicht.
Qualitätsjournalismus: Hört sich für mich nach Bier an, dass nach dem sogenannten Reinheitsgebot gebraut wird. Ist aber darum doch nur Bier. Vielleicht gibts demächst ja auch noch Qualitätsherrscher oder Qualitätskriege.
Wie eine algebraische Formel zu verwenden:
a (Recherchen transparent) + b (Quellen offenlegen) + c (eigene Berichterstattung kritisch reflektieren) + d (auf Augenhöhe mit dem Publikum kommunizieren indem die Kommentarfunktion des Online-Angebots offen ist) = X (ein Vertreter von Qualitätsjournalismus)
a + b + c + d = X
Formel angewendet auf FAZonline:
wenn FAZonline = X gesetzt wird,
dann gilt a + b + c – d ≠ X
FAZonline ist somit kein Vertreter des Qualitätsjournalismus (mehr). qed
FAZit: Wer sich auf das Verbreiten (in)doktrinärer Inhalte verlegt hat und partout nicht (mehr) hören will, dass es falsch ist oder wenigstens sein könnte, der kann aber sicher auch nicht rechnen und dieses Ergebnis nachvollziehen.
Ganz egal, wie man es nennt: ich möchte Nachrichten, nach denen man sich wirklich richten kann, wenn man es eventuell will. Kommentare kann ich mir selber holen, von dem ich es dann wissen will, wie er denkt. Oder man könnte evtl. noch die eine Spalte VIP-Kommentare zu dem wahrhaften B e r i c h t einfügen, am besten mit wahrhafter Begründung, warum er es genau so sieht und welche Vorteile er selber davon hat, so zu denken. – Jeder, der lügt, wichtiges unterschlägt oder verdreht, sollte eine spitze Nase kriegen.