Die stille Übernahme: 25 Jahre DDRisierung

Das offizielle Deutschland feiert 25 Jahre Deutsche Einheit.

Das heißt:  Vor 25 Jahren ging die Bonner Republik unter.

Zeit für einen nostalgischen Rückblick.

Für alle, die die Bonner Republik nicht mehr kennen, deren Sozialisation danach stattgefunden hat oder die zu jung waren, um die Aufbruchsstimmung der 1980er Jahre mitzubekommen, Jahre, die das Ende des Sozialismus, die Öffnung und Integration von nationalen Märkten, den Beginn der Verfügbarkeit von Konsumgütern auf einem Weltmarkt und die ersten Gehversuche dessen, was heute als World Wide Web eine Selbstverständlichkeit geworden ist, gesehen haben, hier ein kurzer Rückblick in die letzten Jahre der Bonner Republik.

Franz_Josef_StraußPolitik in der Bonner Republik, das war noch etwas Besonderes. Politiker hatten zumeist Statur, einen Beruf erlernt, und sie waren streibar. Die Elefantenrunden von Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Dietrich Genscher und Franz-Josef Strauss, sie haben für jeden etwas geboten. Politainment durch Profis und nicht durch Aushilfskräfte.

In gewisser Weise spiegeln die Politiker der 1980er Jahre den Atem der Zeit wieder, eine individuelle und freie Zeit, in der die Grünen möglich waren, jene Grünen, die, wären sie in den 1980er Jahren schon die etablierte Partei gewesen, die sie heute sind, sich selbst verunmöglicht hätten. Doch in den 1980er Jahren wurden selbst die Grünen toleriert, zunächst belächelt und dann ins Parlament aufgenommen, trotz ihres fundamentalistischen Flügels, dessen Kredo darin bestand, alles zu verweigern außer den Diätenzahlungen.

Die letzten Jahre der Bonner Republik, sie sind geprägt durch die freiheitlich-demokratische Grundordnung, jenen Grundkonsens unter Demokraten, wie man das damals genannt hat, der dafür gesorgt hat, dass selbst Politiker sich einem Grundethos verpflichtet fühlten. Kinderpornos waren damals ebenso ein “no go!” wie ein Verbleiben im Amt derjenigen, die gegen den Ethos verstoßen haben.

Sicher, auch die 1980er Jahre haben das gesehen, was Politiker auszeichnet: Den Versuch, sich und seine Partei zu bereichern. Damals z.B. mit Hilfe des Flick-Konzerns, der die Taschen von CDU, CSU, SPD und FDP prall gefüllt hat. Als Ergebnis wurden damals die Vorschriften über Spenden im Parteiengesetz und die Meldepflicht der Nebeneinkünfte von Abgeordneten verschärft, und zwar auf Druck der Öffentlichkeit und der Presse. Das war so in der Bonner Republik, dass Politiker auf den Druck von Öffentlichkeit und Presse reagieren mussten.

Heute ist die Öffentlichkeit das ärgerliche Beiwerk, die alle vier Jahre in inszenierten Spielen an die Wahlurne getrieben werden muss, um dort ein Kreuz vor unterschiedlichen Abkürzungen zu machen, die doch alle dasselbe bedeuten: Übergriffe auf die persönliche Freiheit und Bevormundung.

Denn: mit dem Ende der Bonner Republik ist auch der autonome Bürger untergegangen. Er ist durch den Staatsbürger der DDR, der erzogen werden muss, ersetzt worden. Erziehungsgegenstand ist nicht mehr in erster Linie der Marxismus-Leninismus. Seine Rolle wird heute u.a. durch Genderismus gefüllt. Erziehungsgegenstand ist das gesamte Leben des neuen Staatsbürgers. Von der Wiege bis zur Bahre wird er von seinem Staat verwaltet, von den U-Untersuchungen bis zur Lebensführung und der Art, den Lebensabend zu verbringen.

Hellmut SchmidtSensüchtig erinnert man sich an den Kanzler, der ein wahrer Schlot war, dessen Zigarettenkonsum legendär ist und der trotz: “Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit” noch lebt. Heute geht das nicht mehr: Wer raucht, wird nicht gewählt. Die Partei-Marketingabteilung macht deshalb aus rauchenden Kandidaten nichtrauchende. Überhaupt sorgen die Marketingabteilungen der Parteien, mit ihren lahmen Mottos, “Wir für mehr Kita-Plätze” oder “Gemeinsam erfolgreich” dafür, dass die Parteien zu den Waschmittelverkäufern geworden sind, deren Entstehen Anthony Downs schon in den 1960er Jahren vorhergesagt hat.

Der Staatsbürger des Jahres 2015, der zur DDRisierung ansteht, er kann sich entscheiden, ob er eine Partei wählt, die ihn für Angewohnheiten bestraft, die nicht gut angesehen sind, also dafür, dass er raucht, trinkt, gerne isst, fettreich und mit viel Zucker, ob er eine Partei wählt, die ihm das Autofahren vergällen und verteuern, ihm das weibliche Heil verodnen und seine Gesinnung überwachen will oder ob er eine Partei wählt, deren politisches Profil auf anti-Unternehmer-Affekte und pro-Mittelschicht-Frauen-Lobbyismus eingeschrumpft ist – natürlich im Rahmen einer von Nichtrauchern gendersensibel geführten Partei.

Wie man sich doch die 1980er Jahre zurückwünscht, die letzten Jahre der Bonner Republik, als Boy George von Karma Chameleon singen konnte, ohne dass er als Aushängeschild der Schwulen herhalten musste, die Zeit von Roberto Blanco und Boney M., deren Schwarzsein niemand zum Anlass genommen hat, um eine Anti-Diskriminierungskampagne zu starten. Oder die Zeit, in der die Pet Shop Boys mit einem Lied mehr für Homosexuelle getan haben, ohne dass es groß thematisiert werden musste, als all die Berufsaktivisten, die sich heute dafür bezahlen lassen, dass sie ihr homophobes Gewissen öffentlichkeitswirksam beruhigen.

Gruene AbgeordneteWas waren das noch Zeiten des Easy Goings, Zeiten, in denen man noch in Supermärkten einkaufen konnte, ohne den warnenden Zeigefinger von Gewerkschaften, Amnesty International oder von Greenpeace zu provozieren, Zeiten, in denen die gesellschaftliche Zukunft ein mehr und besser in modernen Technologien versprochen hat, kein weniger und Gürtel-enger-Schnallen in vormodernen Technologien, deren Haupteffekt darin besteht, Landschaften zu zerstören.

Die 1980er Jahre, sie waren weit davon entfernt, ein goldenes Zeitalter zu sein, aber sie waren eine Zeit, in der Individuen noch die Chance hatten, als Individuen wahrgenommen zu werden und nicht als Vertreter einer Gruppe, die im gesellschaftlichen Fünfjahresplan mit bestimmten Defiziten oder Privilegien verzeichnet ist. Entsprechend konnte es passieren, dass Kinder aus Arbeiterfamilien, deren Eltern vollkommen desinteressiert an der Schulbildung ihrer Kinder waren, dennoch auf dem Gymnasium oder auf einer Universität landeten, dieselben Kinder, denen heute angeblich wohlmeinende Mittelschichtslehrer den Zugang zu höherer Bildung mit dem Hinweis auf fehlende Unterstützung im Elternhaus verweigern.

An Universitäten wurde in den 1980er Jahren noch gelehrt. Es gab noch Wissenschaftler, die empirisch geforscht haben und an der Realität interessiert waren. Die DDRisierung hat sie durch Ideologen ersetzt, die umerziehen und vorgeben wollen, was richtig ist. Sie wollen nicht mehr forschen, sondern verkünden und sehen entsprechend ein Studium als die Fortsetzung der gymnasialen Oberstufe. Aus der Möglichkeit, eine breite Bildung zu erwerben, ist der Zwang geworden, die Grenzen des eigenen ideologischen Tellerrands einzuhalten.

Helmut KohlUnd natürlich waren die 1980er Jahre die letzten Jahre in denen man nach seiner Fasson selig werden konnte und nicht mit einer Horde von durch Parteien über Umwege finanzierter Gesinnungswächter konfrontiert war, die Anstoß daran nehmen, dass die Sprache nicht genderkonform ist, die angeblich vorhandene eigene weiße Privilegierung nicht angemessen reflektiert wird, nicht berücksichtigt wird, dass irgend ein Hanswurst sich diskriminiert fühlen könnte, weil gerade der Begriff “Hanswurst” benutzt wurde.

Die Bonner Republik, mit allen ihren Fehlern, sie war eine Republik des Individualismus, die Chancen und Möglichkeiten betont hat. An ihre Stelle ist eine Neuauflage geistiger DDRisierung getreten, die den Kollektivismus in Gruppenform verherrlicht und an die Stelle von Chancen und Möglichkeiten, die Vorteilsnahme durch Regulation gesetzt hat, Regulation, die Individualität erstickt und Möglichkeiten, nach seiner Fasson selig zu werden, zu nostalgischen Erinnerung schrumpft.

25 Jahre ist es her, dass die Bonner Republik untergegangen ist, von Helmut Kohl verscherbelt wurde, um DDR-Kadern den Zugang zu westdeutschen Institutionen zu ebnen.

Es kommt einem vor, wie eine Ewigkeit, dass auch in Deutschland der Geist der Freiheit geweht und nicht von sozialistischem Duckmäusertum und entsprechender kleingeistiger Anpassung verdrängt wurde.

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