Autokratisch, republikanisch oder totalitär: Welche Regierungsform gibt es in Deutschland?

Wir sind über einen Klassiker der politischen Regierungslehre gestolpert, der heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Bernard Crick, so sein Name, war zeitlebens ein treuer Parteigänger der Labour-Party, was ihn jedoch nicht davon abgehalten hat, sein Hobby von seinem Beruf zu trennen. Deshalb gehen auf ihn eine Reihe interessanter Definitionen und Modelle zurück, die wir heute zum Anlass nehmen, um unsere Leser zu fragen:

Welcher Regierungsform kommt die derzeitige Situation in Deutschland nahe?

Hartmann Politische TheorieRegierungsformen stehen vor einer Ordnungsaufgabe: Wie lassen sich die manigfaltigen Interessen und Interessengegensätze, die eine Gesellschaft auszeichen, in einer Regierungsform organisieren, so die Frage, die u.a. Crick beantworten will. Er ist also nicht an Legitimität politischer Ordnung, sondern an einer Typologie politischer Ordnung interessiert.

Seine Antwort auf die Frage nach der Lösung des Ordnungsproblems: “Wie bringt man viele unterschiedliche Interessen (Problem der Anpassung an die Verschiedenheit, nennt das Crick) unter einen Regierungshut?” untergliedert sich in eine autokratische, eine republikanische und eine totalitäre Antwort.

Autokratische Regierungsform:

“… Autokratie ist diejenige Regierungsform, die das Grundproblem der Anpassung der Ordnung an die Verschiedenheit durch die autoritative Durchsetzung eines von verschiedenen Interessen (…) mittels einer offiziell geförderten und statischen Ideologie zu lösen sucht”.

Markenzeichen autokratischer Herrschaft ist somit die Wahl einer Ideologie als Staatsideologie, die dazu dienen soll, Interessenkonflikte zu unterdrücken. Von der Staats-Ideologie abweichende Interessen werden zugelassen, haben für den politischen Prozess aber keinerlei Bedeutung. Sie sind – wie man sagen könnte: staatsfremd.

Republikanische Regierungsform:

“Die republikanische Regierungsform ist also der Versuch, das Grundproblem der Anpassung der Ordnung an die Verschiedenheit durch den Ausgleich und die Versöhnung verschiedener Interessen zu lösen, indem diese Interessen entweder an der Regierung teilhaben, oder bei der Auswahl der Regierung miteinander konkurrieren.”

Ideologie spielt in republikanischen Herrschaftssystemen keine Rolle. Vielmehr findet ein Wettbewerb der Interessen statt, der entweder die Gestalt eines “the winner takes all” annimmt oder eine Interressenkoalition mit den dafür notwendigen Abstrichen vorsieht. Abweichende Interessen sind somit elementar für eine repblikanische Regierungsform, denn ihr Wettbewerb bestimmt den politischen Prozess. Sie sind staatstragend.

Totalitäre Regierungsform:

“Die totalitäre Regierungsform ist der Versuch, das Grundproblem der Anpassung der Ordnung an die Verschiedenheit durch die Schaffung einer völlig neuen Gesellschaft in der Weise zu lösen, dass Konflikte nicht mehr entstehen können: Sie versucht dies mittels der Anleitung und Durchsetzung einer revolutionären Ideologie zu tun, die den Anspruch erhebt, wissenschaftlich zu sein, darum umfassend und notwendig für die Erkenntnis …”

In totalitären Regierungsformen herrscht die Ideologie über alle Bereiche des Lebens, denn sie hat einen Wahrheitsanspruch, der zum Ausgangspunkt gemacht wird, um eine gesellschaftliche Zielvorstellung zu formulieren und Abweichungen von der Zielvorstellung zu beseitigen. Dabei spielt Erziehung bzw. Umerziehung eine wichtige Rolle, sollen doch diejenigen, die nicht den Vorgaben der “revolutionären Ideologie” entsprechen, passend gemacht werden. Abweichende Interessen werden in einer totalitären Regierungsform nicht nur nicht toleriert, sie gelten als Gefahr, Krankheit oder Versuch von Feinden des Staates, die Herrschaft zu unterminieren. Sie sind staatsgefährdend.

Welcher der drei Regierungsformen kommt die Situation in Deutschland derzeit am nächsten?

Unsere Leser haben das Wort:

Welche Regierungsform hat das Land?

Crick, Bernard (1975). Grundformen politischer Systeme. München: List.

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