1+1 = … nun, das hängt von der Perspektive ab.

Kennen Sie Dirk Lange?

Dirk Lange hat einen ersten Gastbeitrag in der ZEIT geschrieben.

Dirk Lange ist Professor für Didaktik der Politischen Bildung an der Leibnitz-Universität in Hannover.

Und Dirk Lange wettert gegen den “Neo-Liberalismus”, in der ZEIT. Das ist die Zeitung, die ihnen jede Woche das eMail-Fach vollspamt mit der Bitte, doch die ZEIT für drei oder vier Wochen zu testen.

Die gute Nachricht vorweg: Der Gastbeitrag ist kurz.
Die schlechte Nachricht hinterher: Der Gastbeitrag ist schlecht, sehr schlecht.

ZEIT Lange UnsinnGegenstand des Gastbeitrags ist der Bildungsplan der Baden-Württembergischen Landesregierung, mit dem “Wirtschaft” als Schulfach eingeführt werden soll.

Dass Wirtschaft als Schulfach eingeführt werden soll, das hat Personen wie Dirk Lange für Hoffnung gemacht, Hoffnung deshalb, weil Wirtschaft von einer grün-roten Landesregierung auf den Lehrplan gesetzt wurde. Ideologische Freude von Dirk Lange offensichtlich. Deshalb hofft er, er hofft, weil für ihn der Inhalt eines Schulfaches durch Ideologie bestimmt wird.

Nicht so für die Baden-Württembergische Landesregierung, die sehr zum Leidwesen von Dirk Lange in Unterrichtsfach Wirtschaft auch Wirtschaft gelehrt haben will. Verrat! Hochverrat! Gesinnungsverrat!

Die Schule darf nicht zur “Arena von Lobbyisten” werden, so ereifert sich Dirk Lange in seinem Beitrag. Es dürfe nicht nur eine Perspektive auf Wirtschaft geben, vielmehr müssten Wirtschaftsfragen “in ökologische, soziale, politische und ethische Kontexte eingebunden werden”. Das Einbinden in einen Kontext, es ist der Ideologen liebstes Kunststück.

Man stelle sich vor, Mathematik würde in den entsprechenden Kontext eingebunden, in den ökologischen Kontext wo ein Sack Dünger und ein Bauer zu einer Umweltverschmutzung werden, in den sozialen Kontext wo keine Leistung zu einem Transferbezug berechtigt, in den politischen Kontext, wo eine Abstimmung, zwei Homosexuelle auf nunmehr eine Familie reduziert oder in einen ethischen Kontext, in dem diskutiert werden muss, ob es der 3 gegenüber fair ist, wenn man die zwei davon abzieht.

Das ist es dann wohl, was Lange meint, wenn er davon schreibt, dass es im Unterricht darum ginge, den Schülern mehr als eine Perspektive darzulegen. Es gibt aber nur eine Perspektive auf Mathematik. Eins und eins ist unter jeder gesellschaftlich denkbaren Konstellation zwei, wäre es anders, es wäre keine Mathematik.

Aber in der Wirtschaft ist das anders, so meint Lange und nimmt damit für sich in Anspruch, er könne das beurteilen:

Prof Facepalm“In diesem Fall wird der Homo Oeconomicus zum Leitbild der ökonomischen Bildung. Dabei wird beansprucht, mit Modellierungen der ökonomischen Verhaltenslehre die soziale Welt zu erklären. Dies soll quasi eine Alternative zu den diskursiven Formen sein, in denen sich die Unterrichtsfächer der politischen Bildung bislang mit ökonomischen Phänomenen auseinandergesetzt haben.”

Also doch: Diskursive Formen in der Mathematik. Lasst uns darüber diskutieren, was herauskommt, wenn man 2 mit 2 multipliziert! Die diskursiven Formen, sie sollen Alternative zu dem sein, was den Korpus eines Faches ausmacht. Das behauptet Lange allen Ernstes, und er behauptet noch mehr: Der Homo Oeconomicus, er werde fälschlicherweise zum Leitbild der ökonomischen Bildung gemacht.

Der Homo Oeconomicus, er ist das Leitbild der ökonomischen Bildung, das Leitbild des rational handelnden Akteurs. Wenn Sie die Alternative haben, mit 50 Euro Aktien zu kaufen, die einen garantierten Gewinn (Wahrscheinlichkeit = 100%) von 10.000 Euro in einem Jahr abwerfen oder im Lotto zu spielen und auf einen Gewinn von 100.000 Euro mit einer Wahrschenlichkeit von kleiner als 0,0001% zu hoffen, dann erwarten Ökonomen in der Tat, dass sie die Aktie kaufen und nicht Lotto spielen. Leute wie Dirk Lange wollen darüber diskutieren, ob es nicht unter bestimmten gesellschaftlichen, ölkologischen, sozialen oder sonstigen Erwägungen besser ist, dass Geld für die Lotterie zu opfern (Für wen das besser ist, ist klar und Dirk Lange käme hier in gefährliche Nähe zum Lobbyismus für Glückspielanbieter, die ja auch einen Gewinn machen wollen).

Der Homo Oeconomicus er ist nun einmal nichts anderes als ein Akteur, der sich zweckrational verhält. Zweckrational bedeutet, danach bestrebt zu sein, seinen Nutzen zu maximieren. Huch, jetzt ist er rausgerutscht, der böse Begriff der Nutzenmaximierung. Und doch, selbst St. Martin der Begründer moderner Lichterfeste, er hat seinen Nutzen maximiert und seinen Mantel nur zur Hälfte gespendet. Das hat ihm Befriedigung ob seiner guten Tat verschafft und dafür gesorgt, dass er nicht erfroren ist. Vermutlich wollte Dirk Lange mit St. Martin diskutieren, ob es nicht sozial wünschenswerter gewesen wären, 9/17 des Mantels an den Armen zu spenden und eine Frostbeule und einen abgestorbenen Finger in Kauf zu nehmen, ob des größeren Zugewinns an eingebildeter Gutheit.

Leute wie Dirk Lange, die von Ökonomie so offensichtlich keine Ahnung haben, dass sie denken, es gebe eine Ökonomie jenseits des Homo Oeconomicus, die Ökonomie reflexhaft ablehnen und zu einer sozialistischen Heilslehre machen wollen, die machen uns wirklich krank. Selbst die Behavioral Economics, die sich explizit vom allumfassend informierten Akteur, dem, wie man sagen könnte, Homo Oeconomicus des reinen Modells abgewendet haben, gehen davon aus, dass Menschen danach streben, sich rational zu verhalten.

Rationales Verhalten ist die Grundlage von Ökonomie und ökonomischen Modellen, mehr noch, es ist die Grundlage aller Gesellschaftswissenschaften, einfach deshalb, weil man Wissenschaft zumachen kann, Tür schließen, Kette drum, Schlüssen wegwerfen, wenn man nicht annehmen würde, Menschen verhalten sich rational, zweckrational, wie ein Homo Oeconomicus, jedenfalls die meiste Zeit ihres Lebens (Auch Fächer, die Irrationalität, Störung oder Psychopathologie zu ihrem Gegenstand gemacht haben, hängen vond er Rationalität als dem Standard ab, von dem aus sie die Abweichung erst messen können.).

Ließe man die Annahme rationalen Handelns fallen, man müsste Beiträge wie den, den Dirk Lange gerade in der ZEIT als Gastbeitrag unterbekommen hat, als unsinnige Ansammlung von Worten, geschrieben, um dem Dadaismus zu neuen Höhen zu verhelfen, ansehen. Aber nicht einmal Dirk Lange tut das. Er spekuliert damit, dass es Menschen gibt, die einschätzen, sie hätten einen Gewinn, wenn sie seinen Beitrag lesen. Er spekuliert mit der Unsicherheit, die eine weitere Variable in ökonomischen Modellen darstellt. Denn: Man weiß erst, wie ein Pudding schmeckt, wenn man ihn gegessen hat. Insofern erweist sich beabsichtigte Nutzenmaximierung nicht immer als Nutzenmaximierung.

Nehmen Sie uns. Wir haben den ZEIT-Beitrag von Lange, das sei zugegeben, bereits mit Bedenken angelesen, dachten aber dennoch, dass wir einen Nutzen vom Lesen haben könnten (p < .15). Statt unseren Nutzen zu maximieren, haben wir unseren Ärger maximiert, Ärger darüber, dass Leute, die so offensichtlich bar jeder Kenntnis sind, eine wilde Aneinanderreihung von Behauptungen als lesenswerten Gastbeitrag tarnen.

Solche wilden Behauptungen zum Beispiel:

Oh No!“Dabei haben die vergangenen Jahre doch gezeigt, wie die Omnipotenz wirtschaftswissenschaftlicher Erklärungsmodelle an ihre Grenzen stößt – und damit auch der “neoliberale Zeitgeist” im Bildungswesen. Bestes Beispiel ist die globale Finanzkrise seit den Jahren 2007/2008.”

Wüsste (Konkunktiv!) Dirk Lange, wovon er schreibt, hätte er mehr Kenntnis von Ökonomie, als sein Feindbild, das er als Ökonomie missversteht, er wüsste, dass die Krise von 2007/2008 perfekt mit den Modellen der Ökonomie vorhergesagt werden konnte, dass Bubbles, wie der durch den Subprime Mortgage Boom ausgelöste, in einer Vielzahl von ökonomischen Modellen dargestellt sind, dass die entsprechenden Bubbles von manchen Ökonomen gar als rationale Bubbles angesehen werden, mit deren Hilfe, fehlinvestiertes und geparktes Kapital befreit werden kann, und vor allem wüsste er, dass das Problem mit den Bubbles das Handeln von Menschen ist, die ab einem bestimmten Punkt nicht mehr rational handeln, sondern in der von Lange favorisierten Weise, mit Blick auf den gesellschaftlichen und sozialen Kontext, mit Blick auf die Panik des Nebenmanns oder dessen glasigen Blick, mit dem er weitere Asset-Backed Securities kauft und weiteres Geld seiner Bank verbrennt. Er wüsste, dass die Finanzkrise 2008 eine Vertrauenskrise war, die u.a. davon ausgelöst wurde, dass niemand richtig wusste, was er kauft oder als Sicherheit akzeptiert, wenn er ABS kauft oder akzeptiert, in denen Mortgages gebündelt sind, ganz so, wie man das von rationalen Akteuren auch erwartet.

Aber all das weiß Herr Lange nicht. Wie auch? Er macht Didaktik und keine Ökonomie. Ökonomie, das sind für ihn furchterregende mathematische Modelle und böse Annahmen über nutzenmaximierendes Verhalten,  Annahmen, die ihm nie ins Haus kommen würden, und deshalb hat er seinen Gastbeitrag auch umsonst geschrieben – oder?

Jedenfalls sollte Lange aufhören, sich darüber zu wundern, dass in Wirtschaft Wirtschaft und in Mathematik Mathematik unterrichtet wird. Das mit den vielen Perspektiven, von denen aus man den Gegenstand eines Faches betrachten muss, das funktioniert in der Mathematik ebenso wenig wie in der Wirtschaft, nicht einmal im Hinblick auf den Gastbeitrag von Lange in der Zeit funktioniert es, denn egal, wie man auf den Beitrag blickt, es bleibt immer Unsinn.

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