Warum Kapitalismushetze unter Sozialwissenschaftlern so verbreitet ist

An sozialwissenschaftlichen Fakultäten muss man in der Regel nicht lange suchen, um den ersten Dozenten zu finden, der ein Problem mit dem Kapitalismus hat, der Kapitalismus manchmal kritisiert, häufig diffamiert und mit einer Inbrust hasst, die seine Äußerungen wohl als das qualifizieren, was man in Anlehnung an den Zeitgeist als  “Kapitalismushetze” bezeichnen muss.

Warum ist das so?

Auf der Suche nach einer Antwort, sind wir bei mises.org auf einen Beitrag gestoßen, der 1956 von Ludwig von Mises geschrieben wurde, den damals dieselbe Frage bewegt hat wie uns heute.

Ludwig_von_Mises.jpg“Der kleine Mann hat meist keine Gelegenheit, sich in den Kreisen derjenigen zu bewegen, die erfolgreicher waren als er selbst. Er bewegt sich in dem Kreis der anderen kleinen Leute. Er trifft seinen Vorgesetzten nie „gesellschaftlich“. Er kann nie aus eigener Erfahrung lernen, wie verschieden von ihm ein Unternehmer oder ein leitender Angestellter ist in bezug auf jene Fähigkeiten und Gaben, die erforderlich sind, um die Verbraucher erfolgreich zu befriedigen. Sein Neid und das Ressentiment, das durch ihn erzeugt wird, richten sich nicht gegen ein lebendiges Wesen aus Fleisch und Blut, sondern gegen blasse Abstraktionen, wie z. B. „Management“, „Kapital“ und „Wall Street“. Es ist unmöglich, einen solchen schwachen Schatten mit der gleichen Bitterkeit der Gefühle zu verabscheuen, die man gegen einen Mitmenschen hegen kann, dem man täglich begegnet.

Die Sache sieht anders aus vom Standpunkt der Leute, die dank besonderer Umstände ihrer Beschäftigung oder Familienverbindungen einen persönlichen Kontakt haben mit den Erwerbern der Belohnungen, die, wie sie glauben, von Rechts wegen ihnen selbst zukommen. In ihrem Fall nehmen die durch enttäuschten Ehrgeiz hervorgerufenen Gefühle einen besonders giftigen Charakter an, da sich ihr Haß gegen konkrete Lebewesen richtet. Sie verabscheuen den Kapitalismus, weil er die Stellung, die sie selbst gerne haben möchten, einem anderen Menschen zugewiesen hat.

So sieht es bei den Leuten aus, die man Intellektuelle zu nennen pflegt. Betrachten wir zum Beispiel den praktischen Arzt. Die tägliche Routine und Erfahrung hält jedem Arzt die Tatsache vor Augen, daß es eine Hierarchie gibt, in der alle Ärzte nach ihren Verdiensten und Leistungen abgestuft werden. Diejenigen, die mehr leisten als er, diejenigen, deren Methoden und Erfindungen er lernen und praktizieren muß, um auf dem laufenden zu sein, waren seine Kommilitonen in der medizinischen Fakultät, sie haben während ihrer Ausbildung mit ihm im Hospital gearbeitet, und sie nehmen an den gleichen Sitzungen des medizinischen Verbandes teil. Er trifft sie am Krankenbett seiner Patienten sowohl wie bei gesellschaftlichen Veranstaltungen. Einige unter ihnen sind seine persönlichen Freunde oder sind mit ihm verwandt – und sie alle behandeln ihn mit der größten Höflichkeit und sprechen ihn an als ihren „lieben Kollegen“. Aber dennoch übertreffen sie ihn weit in der allgemeinen Wertschätzung – und oft auch in der Höhe ihres Einkommens. Sie haben ihn überflügelt und gehören nun zu einer anderen Klasse. Wenn er sich mit ihnen vergleicht, so fühlt er sich gedemütigt. Aber er muß vorsichtig darauf achten, daß niemand sein Ressentiment und seinen Neid bemerkt. Selbst das kleinste Anzeichen solcher Gefühle würde als sehr schlechtes Benehmen betrachtet werden und ihn in den Augen aller herabsetzen. Er muß seine Demütigung herunterschlucken und seinen Zorn auf ein stellvertretendes Ziel ablenken. Er klagt die wirtschaftliche Organisation an, das ruchlose System des Kapitalismus. Bestände dieses ungerechte System nicht, so würden seine Fähigkeiten und Talente, sein Eifer und seine Leistungen ihm den reichen Lohn gebracht haben, den sie verdienen.

Das gleiche gilt für viele Juristen und Lehrer, Künstler und Schauspieler, Autoren und Journalisten, Architekten und Wissenschaftler, Ingenieure und Chemiker. Sie fühlen sich ebenso in ihren Hoffnungen getäuscht, weil sie der Aufstieg ihrer erfolgreichen Kollegen, ihrer früheren Schulkameraden und alten Bekannten quält. Ihr Ressentiment ist vertieft eben durch diesen beruflichen und ethischen Kodex, der einen Schleier der Kameradschaft und Kollegialität über die Realität des Wettbewerbs wirft.

Um den Abscheu des Intellektuellen vor dem Kapitalismus zu verstehen, muß man sich vergegenwärtigen, daß dieses System sich seiner Ansicht nach in einer bestimmten Anzahl von Standesgenossen verkörpert, deren Erfolg er übelnimmt, und die er für die Vereitelung seines eigenen übergroßen Ehrgeizes verantwortlich macht. Sein leidenschaftlicher Widerwille gegen den Kapitalismus ist lediglich eine Tarnkappe für den Haß gegen einige seiner erfolgreichen „Kollegen“.

Luwig von Mises (1958 [1956]) Die Wurzeln des Antikapitalismus, veröffentlicht auf Mises.org.

Die Frage, warum gerade unter Sozialwissenschaftlern so viele Kapitalismushasser zu finden sind, kann damit wie folgt beantwortet werden:

  • Gerade in den Sozialwissenschaften findet sich eine große Zahl von Personen, die Angst vor Wettbewerb haben und anders als Naturwissenschaftler auch nicht mit Unternehmen, die sich im Wettbewerb mit anderen Unternehmen befinden, konfrontiert sind.
  • Nach den Leistungen der meisten Sozialwissenschaftler gibt es keinerlei Nachfrage von Institutionen des Kapitalismus, also von Unternehmen oder Märkten.
  • Viele Sozialwissenschaftler sind an Hochschulen hängenbegblieben, weil sie auf dem freien Markt keinen Fuss auf den Boden gebracht haben oder es gar nicht erst versucht haben. Sie sind nicht nur hängen-, sondern auch übriggeblieben, denn wer die Chance hat, einen gut bezahlten Job in einem Unternehmen anzunehmen, der tut es.
  • Die Kürzung des Verdienst institutionalisierter Wissenschaftler durch die Einführung der W-Besoldung und die Tatsache, dass Sozialwissenschaftler im Gegensatz zu Naturwissenschaftlern in der Regel nichts zu bieten haben, was ihnen außerhalb des staatlichen Expertisen- und Berichts(un)wesens die Möglichkeit gibt, ein Zubrot zu verdienen, sie also keine nennenswerten Nebeneinkünfte haben, um ihr im Vergleich zu in der Wirtschaft Beschäftigten karges Gehalt aufzubessern, führt zu Verbitterung, die durch die Konfrontation mit erfolgreichen Kollegen, die den Sprung in die freie Wirtschaft geschafft haben, noch erhöht wird.

Wir haben es also, um ein Konzept zu entleihen, das ein Sozialwissenschaftler unlängst eingeführt hat, bei Kapitalismushassern im wahrsten Sinne des Wortes mit Wut-Sozialwissenschaftlern und je nach Perspektive auch mit Problem-Sozialwissenschaftlern zu tun.

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