Medienkrise: Universitätsprofessor glaubt seiner Tageszeitung nicht mehr!

Der “Medienjournalist, Autor und Dozent” Fritz Wolf hat heute.de ein Interview gegeben, ein Interview zum Thema “Medien in der Krise” und ein Interview, das von Vorurteilen und Fehlschlüssen nur so strotzt.

Stellen Sie sich ein Mitglied der journalistischen Mittelschicht vor, wie es leger in einen Sessel gestreckt, die Stirn in die zur Vorspiegelung eines wachen Intellekts angemessene Anzahl von Falten gelegt, Fragen beantwortet, die mehr den Status von Stichworten haben.

Fritz Wolf dürfte in diese Pose passen. Stellen wir ihn uns also vor, wie ihm in besagter legerer Pose ein Stichwort zugeworfen wird:

Stichwort “Medienkritik”.

Was gibt es dazu an Vorurteilen bei Fritz Wolf?

  • Die Kritik an Medien ist so massiv, weil es das Internet gibt.
  • Misstrauen an Medien gibt es schon länger, eine Zuspitzung der Kritik erst, seit “man sich im Internet zu einer fünften Gewalt aufschwingen kann”.
  • Kritiker an Medien sind Systemkritiker.
  • Kritiker an Medien waren früher rechts.
  • Kritiker an Medien sind heute rechts und aus der bürgerlichen Mitte.
  • Journalisten äußern sich “pointiert”, Kritiker von Journalisten sind “Shitstormer”

heute wolfDer Feind der Medien, die Systemkritiker, sie sitzen rechts und finden sich auch in der bürgerlichen Mitte. Folgerichtig muss man schließen, dass für Fritz Wolf die Medien, zum einen Systemmedien sind, denn nur wenn die Medien Systemmedien sind, macht sein Hinweis auf die rechten Systemkritiker Sinn. Zum anderen müssen diese Systemmedien aus der Logik von Frits Wolf heraus, links sein, denn die Kritik an den Systemmedien kommt ja von rechts und aus der bürgerlichen Mitte.

In der Eigenwahrnehmung mancher Journalisten, ist es demnach so, dass sie sich plötzlich in der Kritik sehen, eine Kritik, deren Ausmaß erst durch das Internet möglich geworden ist, in dem sich nach Ansicht von Wolf Schreihälse zur “fünften Gewalt” aufschwingen können.

Da die Politikwissenschaft und insbesondere die Regierungslehre nur drei Gewalten kennt, nämlich Legislative, Exekutive und Judikative, wäre es interessant zu erfahren, wem Wolf die vierte Gewalt zugedacht hat. In jedem Fall sind Schreihälse im Internet bestenfalls fünfte Gewalt für ihn, eine zweite Öffentlichkeit, mit der sich Journalisten, die es doch bislang gewohnt waren “Torwächter” zu sein, d.h. darüber zu bestimmen, was berichtet wird und was nicht, nun herumschlagen müssen.

Schlimmer noch:

“Wolf: Systemkritiker von rechts gab es schon immer. Neu ist, dass das Misstrauen in die bürgerliche Mitte rutscht. Ich habe neulich mit einem Universitätsprofessor zu tun gehabt, der glaubt plötzlich dem Internet und nicht mehr seiner Tageszeitung und dem Fernsehen. Ich hatte immer noch gedacht, das sei die Geisteshaltung einer Minderheit. Da baut sich eine gesellschaftliche Opposition auf, von der wir noch nicht wissen, wo sie hinführen kann.”

Wie viele Fehlschlüsse kann man eigentlich in einem so kurzen Absatz unterbringen?

Falsche bzw. ungeprüfte Annahmen:

  1. Alle Universitätsprofessoren sind aus der bürgerlichen Mitte.
  2. Ein Universitätsprofessor steht für die gesamte bürgerliche Mitte.
  3. Alle Tageszeitungen schreiben die Wahrheit.
  4. Das Fernsehen berichtet die Wahrheit.
  5. Das gesamte Internet lügt.
  6. Ein Universitätsprofessor steht nicht nur für die gesamte bürgerliche Mitte, sondern auch für eine Geisteshaltung der Mehrheit.

Fehlschluss der unzulässigen Verallgemeinerung; Fehlschluss der Bejahung des Konsequens; Fehlschluss ad auctoritatem; Fehlschluss der unzureichenden Statistik; Post-hoc Fehlschluss … Fritz Wolf ist eine wahre Fundgrube für Fehlschlüsse aller Art.

Logik SalmonEntsprechend empfehlen wir ihm die Lektüre von Wesley C. Salmons kleinem Büchlein “Logik”, vor allem die Darstellung der Fehlschlüsse ist in diesem Büchlein hervorragend.

Und vielleicht kann Wolf dann ja in Zukunft auch Widersprüche vermeiden wie den folgenden.

In der ersten Hälfte, sagt Wolf auf ein ihm zugeworfenes Stichwort: “Solange Journalisten zurückdenken können, waren sie die Torwächter. Bei ihnen gingen alle Informationen ein, wurden bewertet, aussortiert, aufgeblasen.”

Hier ist Wolf also der Meinung, dass von den eingehenden Informationen, dass es alle Informationen waren, die bei Journalisten eingingen, ist ein weiterer Fehlschluss, welche “aussortiert” wurden. Dass Journalisten also eine Auswahl treffen und nicht über alles berichten, was bei ihnen eingeht, ist Wolf zu diesem Zeitpunkt des Interviews noch bewusst.

Zwei Minuten später hat er es vergessen. Nun reagiert er auf die Stichworte “Schweigekartell” und “CSU” wie folgt:

“Diese angeblichen Tabus gibt es nicht. Es wird doch über alles geredet, geschrieben, gesendet.”

Mit anderen Worten: Journalisten sortieren nicht aus, sondern geben alles (den neuerlichen Fehlschluss unzulässiger Verallgemeinerung nehmen wir einmal hin) weiter, sind also Durchleiter und nicht Torwächter.

Kann man von einem Medienjournalisten, Autor und Dozenten heutzutage nicht mehr erwarten, dass er sich innerhalb von zwei Minuten nicht widerspricht? Scheinbar nicht. Daraus könnte man die Hypothese ableiten, dass nicht die Medien in der Krise sind, sondern Journalisten, und zwar in einer Glaubwürdigkeitskrise, die einerseits aus den Widersprüchen folgt, die manche von ihnen innerhalb von wenigen Zeilen aufzustellen im Stande sind, die andererseits damit zusammenhängt, dass die Arbeit von Journalisten transparenter geworden ist: Es gibt nunmehr die Möglichkeit, das, was Journalisten schreiben oder als “Torwächter” nicht durchlassen, im Internet zu prüfen bzw. nachzulesen und sie damit zu konfrontieren.

Und das irritiert “Medienjournalisten, Autoren und Dozenten” wie Fritz Wolf erheblich. Sind die schönen Zeiten, wo man noch ungestraft schreiben konnte, was und worüber man wollte tatsächlich vorbei? Sie müssen es sein, denn selbst Universitätsprofessoren glauben nicht mehr, was in Tageszeitungen steht.

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