“Tiefpunkt der Menschheit”: Landauer Manifest zur Menschenrechtsbildung

Menschen werden heutzutage ja nur mehr über Rechte definiert. Ohne Rechte, Menschenrechte, gibt es entsprechend keine Menschen. Folgerichtig haben sich gute Menschen mit Rechten, im Fachbereich 6 “Kultur- und Sozialwissenschaften am Campus Landau” aufgeschwungen, ein “Manifest der Menschenrechtsbildung” zu schreiben, mehr noch: zu veröffentlichen.

Landauer ManifestUnd da ist es nun, veröffentlicht und als PDF-druckbar, das Manifest, damit jeder Mensch auch sicher sein kann, er ist Mensch, Mensch mit Rechten (nicht etwa mit Pflichten), denn allein das Dasein, in welcher vegetabilen Form auch immer, macht den Mensch zum Rechteinhaber.

Und deshalb, Punkt 2 des Manifests, ist es wichtig, Menschenrechte zu kennen, benennen und darlegen zu können. Und dazu bedarf es der Menschenrechtsbildung. Und natürlich muss “Menschenrechtsbildung … Bildung durch gelebte Menschenrechte sein, indem sie partizipative Lernwege zwischen freien Menschen … zulässt”. Damit ist jeder Irrtum ausgeschlossen: Am Anfang war das Menschenrecht. Das Menschenrecht erst macht den Menschen zum Menschen und erst das Menschrecht lässt “partizipative Lernwege” zu.

Das in diesem Zusammenhang noch von freien Menschen gesprochen wird, ist ein Anachronismus, der vermutlich aus der überarbeiteten Form des Manifests gestrichen sein wird: Freie Menschen, wozu braucht man freie Menschen, wir haben Menschenrechte, Menschsein per Dekret.

Das Menschenbild dieser Menschenrechts-Manifestierer, es ist für alle erschreckend, die bislang der Meinung waren, Menschen existierten in ihrem eigenen Recht und nicht auf Basis von Rechten, die ihnen von anderen Menschen gnädigerweise, aber mit welchem Recht verliehen wurden.

Aber jetzt haben wir ja das Landauer Manifest, das mit diesem Irrtum des Liberalismus aufräumt. Am Anfang war das Recht. Erst dann, ist der Mensch Mensch geworden.

Was indes irritiert, am manifestierten Landauer Rechts-a-priori sind einige Passagen, die den Leser an der Weitläufigkeit und den eigenen Kirchturm hinter sich lassenden Perspektive der Landauer, an deren Gabe, mehr als den eigenen Tellerrand sehen zu können, wenngleich in guter Absicht, zweifeln lässt.

Da ist zum Beispiel die folgende Passage:

“…ist sich der unmenschlichen Abgründe von Faschismus, Nationalsozialismus und Holocaust bewusst, die 1948 den Hintergrund der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte bilden, und ist deshalb „erinnerungsgeleitet“. Jene Barbarei – bisheriger Tiefpunkt der Menschheit – wird als Impuls und Auftrag zur tätigen Mitleidenschaft angesichts aktueller Verfolgungs- und Entrechtungstendenzen
verstanden.”

Hier zeigen sich die Landauer doch sehr nationalistisch, ja Nazi-zentriert. Denn sehet, Ihr Manifestierer, es gibt Genozide jenseits des Holocausts. Nicht einmal die versuchte Ausrottung von Menschen, die bestimmte Eigenschaften teilen, kann man als guter deutscher Manifestierer für sich reklamieren.

Nein, nicht einmal die ersten in der Geschichte waren die Deutschen. Nachahmer waren sie, Nachahmer in einer unglaublich langen Geschichte der Genozide unter Menschen. Schon die Assyrer und die Mongolen waren mit ihren Feinden nicht zimperlich, die Römer haben Karthago und alle seine Bewohner von der Landkarte gelöscht. Die Spanier waren nicht gerade zurückhaltend, wenn es darum ging, die Neue Welt zu erobern und auch die Besiedelung der USA durch Europäer kann man in Teilen als Genozid beschreiben. Kurz, bis die Nazis kamen, gab es schon etliche andere historische Tiefpunkte. Und seither sind es nicht weniger geworden, Stalin hat seinen Tiefpunkt, die Tutsi in Ruanda den ihren, in Dafur sorgen die Äthiopier für ihren Tiefpunkt usw.

Seid nicht traurig, Ihr Landauer Manifestierer, die Nazis waren besonders erfolgreiche Mörder, nur begründet das kein Monopol auf Genozid.

Erklärt uns doch stattdessen, was es mit der von Euch geforderten “tätigen Mitleidenschaft” auf sich hat. Wie hat man sich das “Mitleiden” angesichts “aktueller Verfolgungs- und Entrechtungstendenzen” vorzustellen? Stellen Landauer Manifestierer ein FreiheitsCorps auf, dessen Ziel der Kampf gegen den IS in Syrien ist. Sollen sich Landauer Manifestierer im Mittelmeer ertränken, um ein Feeling dafür zu bekommen, wie man sich als Flüchtling auf der Überfahrt fühlt, um mitzuleiden? Oder wollen die Landauer Manifestierer aus ihren Wohnungen aus- und in Asylbewerberheime umziehen, mit den dort Kasernierten tauschen, um ordentlich mitzuleiden?

Und ausgerechnet das Hambacher Fest der Herren Siebenpfeiffer und Wirth haben sich die Landauer Manifestierer als schutzheiliges Ereignis ausgesucht, ausgerechnet das Hambacher Fest reklamieren sie für ihr Manifest der Menschenrechte, jenes Hambacher Fest, das auf einem Schloss, von dem sie wissen, dass es sich “unweit von Landau” befindet, in “brüderlichem Geist Meinungs- und Redefreiheit fördern” wollte.

Hambacher FestDas war ein Teil des Hambacher Festes, neben dem Versuch, den notleidenden Pfälzer Winzern unter die Arme zu greifen. Der andere Teil des Hambacher Festes war indes ein Teil, der den Landauer Manifestierern wahrscheinlich weder bekannt noch genehm sein dürfte, es war ein nationalistischer, burschenschaftlicher Teil, der seinen Niederschlag im Motto: “Vaterland – Ehre – Freiheit” findet, das auf der Klinge eines Schwerts eingraviert war, die Johann Georg August Wirth, einem der Organisatoren des Festes überreicht wurde, denn auf dem Hambacher Fest ging es um die nationale Einheit der Deutschen, den Nationalstaat und den dazugehörigen Stolz, den man damals als Deutscher, wegen seines Deutschseins empfinden solle. Diese nationale Ausrichtung des Hambacher Festes, wird den Landauer Manifestierern ebenso wenig bekannt sein wie die Tatsache, dass auf dem Hambacher Fest Individualrechte und nicht Gruppenrechte gefordert wurden.

Aber lassen wir das und übergeben Philip Jakob Siebenpfeiffer das Wort:

“Wir widmen unser Leben der Wissenschaft und der Kunst, wir messen die Sterne, prüfen Mond und Sonne, wir stellen Gott und Mensch, Höll’ und Himmel in poetischen Bildern dar, wir durchwühlen die Körper- und Geisterwelt: aber die Regungen der Vaterlandsliebe sind uns unbekannt, die Erforschung dessen, was dem Vaterlande Noth thut, ist Hochverrath, selbst der leise Wunsch, nur erst wieder ein Vaterland, eine frei-menschliche Heimath zu erstreben, ist Verbrechen. Wir helfen Griechenland befreien vom türkischen Joche, wir trinken auf Polens Wiedererstehung, wir zürnen, wenn der Despotismus der Könige den Schwung der Völker in Spanien, in Italien, in Frankreich lähmt, wir blicken ängstlich nach der Reformbill Englands, wir preisen die Kraft und die Weisheit des Sultans, der sich mit der Wiedergeburt seiner Völker beschäftigt, wir beneiden den Nordamerikaner um sein glückliches Los, das er sich muthvoll selbst erschaffen: aber knechtisch beugen wir den Nacken unter das Joch der eigenen Dränger; wenn der Despotismus auszieht zu fremder Unterdrückung, bieten wir noch unsern Arm und unsere Habe; die eigene Reformbill entsinkt unsern ohnmächtigen Händen …”

Das also ist der Geist, auf den sich die Landauer Manifestierer berufen.
Erstaunlich.

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