Boshaftigkeit oder Dummheit: ZDF-heute macht katholische Politik

Fangen wir mit einer Befragung an, die vornehmlich studentische Hilfskräfte der Universität Göttingen wohl unter Anleitung ihres Professors Franz Walter und eines seiner Mitarbeiter am Rande einer Pegida Demonstration, die am 30. Dezember 2015 in Dresden stattgefunden hat, durchgeführt haben. 1.800 Fragebögen haben die Studenten nebst frankiertem Couvert für die Zusendung des ausgefüllten Fragebogens an Teilnehmer der Demonstration verteilt. 610 davon haben sie zurück bekommen.

Auf Grundlage dieser 610 Antworten, die sie erhalten haben, haben die studentischen Hilfskräfte dann u.a. die folgende Abbildung erstellt:

Pegida_2016_Vertrauen

Bitte nicht an der Darstellung stören. Es sind Studenten, die den Möglichkeiten, die Excel bietet, noch mehr oder weniger hilflos ausgeliefert sind. Wer genau hinsieht, der sieht, dass u.a. das Vertrauen in Banken, die Bundeskanzlerin, den Bundespräsidenten, die Bundesregierung, den Bundestag, die Europäische Union, Großkonzerne, das Justizsystem im Allgemeinen, Kirchen, die NATO, öffentlich-rechtliche Medien, Parteien, private Medien bzw. Stadt- und Lokalpolitiker unter den 610 befragten Teilnehmern der Pegida-Demonstration am 30. Dezember 2015 in Dresden nicht sonderlich verbreitet ist. Man kann fast sagen, ein entsprechendes Vertrauen ist nicht vorhanden.

Das an sich ist ein Ergebnis, das man als Delegitimierung eines politischen Systems beschreiben könnte. Das tut aber niemand. Stattdessen fabriziert eine Paula Konersmann von kna, wie es wenig sagend am Ende des Artikels steht, einen Beitrag, der auf heute.de unter der Schlagzeile:

Kreuz ist für Pegida nur Mittel zum Zweck

veröffentlicht wird.

Auf diese Schlagzeile angesichts der Ergebnisse oben, muss man erst einmal kommen. kna, steht übrigens für Katholische Presseagentur. Die Katholische Presseagentur hat offensichtlich einen direkten Zugriff auf die heute-Redaktion beim ZDF, wie man daran sehen kann, dass die heute Redaktion den Unsinn von Konersmann veröffentlicht hat.

heute kreuzDer Unsinn wurde von Konersmann vermutlich geschrieben, um die Aussage des katholischen Erzbischofs Ludwig Schick, der Christen vor einer Teilnahme bei Pegida-Demonstrationen gewarnt hat, empirisch zu stützen und zu belegen, dass “Wer einem Kreuz in Nationalfarben folge, ‘hat nicht verstanden, aus welcher Geschichte und Kultur er selber kommt'”. Wie gut, dass es der Erzbischof nach eigener Behauptung verstanden hat, und wie gut, dass er mit dem Katholischen Pressedienst und mit Paula Konersmann willfährige Instrumente zu haben scheint, die wenn es darum geht, den richtigen Glauben zu befördern, auch einmal im empirischer Sozialforschung dilettieren, und zwar so:

“Nun zeigt sich, dass Geschichte und Kultur den Pegida-Anhängern ohnehin eher Mittel zum Zweck sind. Eine Mehrheit bringt den Kirchen nämlich kaum Vertrauen entgegen. Das geht aus einer Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung hervor. Knapp zwei Drittel der Befragten (65,2 Prozent) gaben demnach an, wenig oder gar kein Vertrauen in die Kirchen zu haben; nur 6,6 Prozent sprachen von vollstem oder viel Vertrauen.”

Was in diesem Absatz mit Frau Konersmann durchgegangen ist, ob es Boshaftigkeit, Dummheit oder was auch immer war, wir wissen es nicht, aber wir wissen Folgendes:

  • Ob “Geschichte und Kultur” für die Pegida-Anhänger nur Mittel zum Zweck ist, weiß niemand, auch die Studenten um Franz Walter, auf deren Befragung sich Frau Konersmann beruft nicht, denn sie haben nicht danach gefragt. Man muss Frau Konersmann also viel Phantasie attestieren, und zwar keine wohlwollende Phantasie.
  • Dass eine Mehrheit der 610 befragten Pegida-Teilnehmer Kirchen kein Vertrauen entgegenbringt, hat nun mit Geschichte und Kultur überhaupt nichts zu tun.
  • Das nicht vorhandene Vertrauen in Kirchen hat nicht einmal etwas mit Religiosität zu tun, denn Religiosität ist eine Eigenschaft von Individuen und nicht von Kirchen. Kirchen als Institution mögen den ein oder anderen religiösen Menschen enthalten, sie sind aber mit Sicherheit nicht religiös.
  • Damit ist die Behauptung, dass Pegida-Anhänger Kreuze mitführen, als Mittel zum Zweck, um sich also in der Vorstellung von Frau Konersmann religiös zu geben, mit institutionellen Symbolen der christlichen Kirchen zu umgeben und leichtgläubige Christen, die es nach Ansicht von Frau Konersmann offensichtlich zu Haufe gibt, zur Pegida zu verführen, hinfällig.

Was man aus dem zitierten Absatz entnehmen kann, ist neben der Intention des katholischen Pressedienstes boshafte Interpretation mit Befragungen zu belegen, die diese Interpretationen in keiner Weise stützen, dass Frau Konersmann offensichtlich der impliziten Prämisse anhängt, dass nur wer der Kirche Vertrauen entgegenbringt, ein Träger eines Kreuzes sein kann. Und so begegnen wir wieder einem alten Bekannten, nämlich dem Fehlschluss der Bejahung des Konsequens, der in Deutschland endemisch ist, ebenso endemisch wie die Versuche, Pegida-Teilnehmer und AfD-Wähler als fiese Opportunisten, die nur Unheil und Unglück bringen, zu stigmatisieren. Eine Tätigkeit, bei der man nicht unbedingt erwartet hätte, die katholische Kirche und ihren Pressedienst mit Paula Konersmann in der ersten Reihe öffentlich-rechtlicher Anstalten zu finden.

Was ist nur aus der christlichen Nächstenliebe geworden? Gilt die Nächstenliebe nur noch für Flüchtlinge, derer man sich bedienen kann, aber nicht mehr für Andersdenkende, aus denen man keinerlei Nutzen ziehen kann? Ist Nächstenliebe etwa ein Mittel zum Zweck geworden, das Katholiken wie Konersmann denen angedeihen lassen, die sie instrumentalisieren können?

Pegida und Nächstenliebe, das gibt es für Katholiken nicht. Entsprechend ist jedes Mittel geeignet, um die Pegida-Teilnehmer und ihre Anliegen zu diskreditieren, selbst das Mittel einer “nicht im strengen Sinne repräsentativ(en)” Befragung von Studenten der Universität Göttingen, die vom Bundesministerium für Familie und alle anderen außer Männern finanziert wurde.

Goettinger pegidaGeht es um die gute Sache, andere als böse darstellen zu können, dann ist offensichtlich jedes Mittel recht, auch die “nicht im strengen Sinne repräsentative” Befragung, die Konersmann natürlich zu keinem Zeitpunkt in ihrem Beitrag daran hindert, All-Aussagen aufzustellen, die auf alle Pegida-Teilnehmer und nicht nur die 610 nicht im strengen Sinne repräsentativen Teilnehmer zutreffen.

Es scheint: Wo ein Wille ist, wo eine boshafte Absicht ist, wo es darum geht, mit dem flammenden Schwert der eigenen Unkenntnis Dritte zu diskreditieren, ist jedes Mittel ein geeignetes Mittel. Sie haben es weit gebracht, die christlichen Kirchen. Sie verbrennen derzeit niemanden mehr am Pfahl! Was nicht heißt, dass manche es nicht gerne würden …

Tatsächlich stammt der Unsinn der “nicht im strengen Sinne repräsentativen” Befragung von den Göttinger studentischen Hilfskräften, die die Ergebnisse ihrer Befragung wohl unter Anleitung im eigenen Blog präsentieren.

“Nach wie vor gilt: Die Studie ist nicht im strengen Sinne repräsentativ. Unsere Ergebnisse sagen nur etwas über die tatsächlich Befragten aus. Daher sind die Erkenntnisse dieser quantitativen Erhebung nur ein Baustein unseres Projektes, indem noch weitere Methoden wie teilnehmende Beobachtung der Demonstrationen oder die Analyse der PEGIDA-Facebookgruppe eingesetzt werden, um das Phänomen PEGIDA zu erforschen.”

Scheinbar sitzt man in Göttingen der irrigen Annahme auf, dass man Repräsentativität im strengen Sinne durch die Akkumulation von nicht-repräsentativen Erhebungen erreichen könne, der Fehlschluss der Induktion, er kommt offensichtlich wieder in Mode. Dessen ungeachtet, interessiert es uns natürlich, was eine nicht “nicht im strengen Sinne repräsentative” Befragung, die “nicht im strengen Sinne repräsentative” Ergebnisse hervorbringt, eigentlich ist.

Deshalb haben wir den Göttingern eine eMail geschrieben und um Erklärung dieses bislang unbekannten Phänomens der empirischen Sozialforschung gebeten.

Unabhängig von der Antwort kann man feststellen, dass es die Pegida-Teilnehmer geschafft haben, in Deutschland eine Wirkung zu entfalten, die aus Gutmenschen das Schlechteste zum Vorschein bringt, zu dem sie fähig zu sein scheinen. Es wird gelogen, es wird erfunden, es wird wild interpretiert und alles in der Absicht, die bösen Pegida-Teilnehmer als ebensolche zu entlarven – oder welchen Zweck hat dieser Beitrag aus dem katholischen Pressedienst sonst?

Wer solche Gutmenschen hat, der braucht eigentlich keine bösen Menschen mehr, denn selbst wenn unter Pegida-Teilnehmer 90% Rassisten sind, die Vorurteile gegenüber Flüchtlingen haben und Sympathie für Nationalismus, wo wären die Pegida-Teilnehmer boshafter als diejenigen, die ihrem Rassismus nach innen wenden und nicht gegen Flüchtlinge, sondern gegen Demonstranten dieselbe Boshaftigkeit in Stellung bringen, die sie eben diesen unterstellen?

Studien wie die aus Göttingen und deren Missbrauch durch den Katholischen Pressedienst richten erheblichen Schaden an der empirischen Sozialforschung an. Sie bringen durch einen nicht mit ethischen Grundsätzen zu vereinbarenden Umgang mit in gutem Glauben überlassenen Antworten, Letztere in Misskredit und sorgen dafür, dass die Bereitschaft von Bürgern an einer Befragung teilzunehmen, weiter sinkt. Wer will sich schon als Befragter von christlichen und sonstigen Ideologen als angeblicher Beleg für die Berechtigung von deren jeweiligem Kreuzzug aufbauen und missbrauchen lassen?

Beim “oder” in der Überschrift handelt es sich übrigens um eine nicht-ausschließende Disjunktion.

 
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