Rot-grüne Meinungsfreiheit: Willst Du nicht meiner Meinung sein …

… dann wirst Du versetzt.

Niedersächsischer Denunzianten-Stadl, so hat Dirk Maxeiner, seinen heutigen Beitrag für die Achse des Guten betitelt. Der Denunzianten-Stadl, er sieht die Verantwortlichen eines Landesministeriums einen Lehrer, der allseits wegen seiner Fähigkeiten und Kompetenzen geschätzt wird, versetzen, weil dieser Lehrer auf Facebook und als Privatmann AfD und Pegida und Hagida Seiten geliked hat.

Der niedersächsische Denunzianten-Stadl erinnert massiv an die Aufarbeitung der Akten der Würzburger Gestapo durch den Kanadischen Historiker Robert Gellatelys. Was Gellately gefunden hat, hat ihn wohl selbst überrascht: Nicht die Gestapo war es in erster Linie, die die Bevölkerung ausgeforscht und ausspioniert hat. Nein, die Gestapo in Würzburg, sie konnte sich gar nicht vor Hinweisen retten. Die Denunzianten, sie standen Schlange.

THe Nazis a warning“For the whole area there were precisely twenty-eight Gestapo officials. Twenty-two were allocated to Würzburg, and almost half of them were involved in administrative work. The idea that the Gastapo itself was constantly spying on the population is demonstrably a myth. So how was it possible that so few people exercised so much control? The simple answer is because the Gestapo received enormous help from ordinary Germans. […] The files also show that most of this unpaid cooperation came from people who were not members of the Nazi Party – they were ‘ordinary’ citizens. Yet there was never a duty to denounce or inform. The mass of files in the Würzburg archive came into being because some non-party member voluntarily denounced a fellow German” (Rees, 2005: 59-60).

Die Gestapo in Würzburg, die 22 Männlein, die die Gestapo in Würzburg waren, sie konnten sich nicht vor den Denunziationen der guten Würzburger Bürger retten, Denunziationen, in denen Nachbarn Nachbarn an die Gestapo verkauft haben, um sich selbst mit dem warm glow des guten Menschen zu umgeben, wobei das, was den guten Menschen, den Denunzianten in den Jahren 1933 bis 1945 ausgemacht hat, etwas anderes war, als das, was ihn heute ausmacht.

Damals hat der gute Denunziant Juden verraten, Verhalten angezeigt, das der Ideologie, die die NSDAP vorgegeben hat, zuwider gelaufen ist. Damals wurden Nachbarn angezeigt, die einen Juden über Nacht beherbergt haben, Menschen, die einen Witz über Hitler oder die NSDAP erzählt haben, ihren Häschern überantwortet.

Heute ist das anders. Heute wird niemand mehr denunziert, in der Hoffnung, der Denunzierte haben einen Schaden und der Denunzierer einen Nutzen davon.

Heute sind die guten Menschen besorgt, nicht darüber, dass ein Jude im Nachbarhaus übernachtet, Gott bewahre, nein, besorgt darüber, dass ein Lehrer eine private Facebookseite dazu nutzt, um einen Like bei der entsprechenden Facebook-Seite von Pegida, Hagida und AfD-Deutschland anzubringen.

Nun ist es nicht offensichtlich, welche Likes ein Nutzer von Facebook verteilt. Wer es herausfinden will, der muss sich ein entsprechendes Tool besorgen und gezielt auf die Suche gehen, gezielt versuchen, ob er einem anderen etwas anhängen kann. Gute Menschen von heute, besorgte Kämpfer gegen Likes bei Pegida oder Hagida oder AfD, sie sind mindestens so motoviert, anderen etwas anzuhängen, wie dies für Gestapo-Informanten in den Würzburger Akten ersichtlich ist:

“The files teem with stories that do not reflect well on the motives of those who did the denouncing. … Ilse Sonja Totzke, who went to Würzburg as a music student in the 1930s … became an object of suspicion for those around her. The first person to denounce her was a distant relative, who said that she was inclined to be too friendly with Jews … One anonymous denouncer even hinted that Totzke might be a lesbian” (Reece, 2005: 61).

Heute wird natürlich niemand mehr denunziert, weil er lesbisch oder schwul ist. Heute ist man besorgt, weil ein Lehrer an einer Gesamtschule in Niedersachsen in seiner freien Zeit ein Like bei AfD, Pegida und Hagida angebracht hat. Und mit brennender Sorge widmen sich Politiker und alle, die vor lauter Sorge um das Gute an deutschen Schulen nicht mehr schlafen können, dem Fall des likenden Lehrers, dessen Schüler zwar von keinerlei Fehlverhalten bei ihrem Lehrer berichten, aber Verhalten ist nebensächlich, wenn es um die richtige Gesinnung geht.

KGS SchwarmstedtWenn die richtige Gesinnung in Frage steht, dann wird der Lehrer zum Gespräch geladen, zum Gespräch mit dem “Vorsitzenden des Schulelternrates”, einem jener Besorgten, die ihrerseits natürlich nie ein Like bei Pegida oder AfD machen würden, schon weil ihnen vermutlich die Zivilcourage dazu fehlt. Dem ersten Gespräch, an dem auch Schulleiter und Mitglieder des Schulelternrates teilgenommen haben, folgt ein zweites Gespräch mit einem Vertreter der Niedersächsischen Schulbehörde, ein Dienstgespräch, denn auch bei der Niedersächsischen Schulbehörde teilt man die brennende Sorge darum, was der Lehrer in seiner Freizeit macht, die Sorge darüber, dass er von seinem Recht auf Meinungsfreiheit gar zu freien Gebrauch macht.

Dieser freie Gebrauch der Meinungsfreiheit, er hat sich nach Ansicht der Schulbehörden-Vertreter auf den Schulfrieden an der KGS in Schwarmstedt ungünstig ausgewirkt. Deshalb hat man den Lehrer versetzt. Wir sind heute ja zivilisiert und stecken niemand in ein Umerziehungs- oder sonstiges Lager, nur weil uns seine Gesinnung nicht passt.

Und jetzt, wo der Lehrer, der AfD-Liker, der Pegida-Versteher, der Hagida-Sympathisant versetzt ist, jetzt ist der Schulfrieden wirklich gestört. Die Schüler, sie wollen ihren Lehrer zurück, denn der Lehrer, er war zum einen beliebt, zum anderen kompetent. Und weil er kompetent war, deshalb sehen sich vor allem die Schüler der Abschlussklasse, deren Noten nun zählen, benachteiligt, geschädigt dadurch, dass ihnen der Lehrer versetzt wurde.

Das ist die große Unbekannte, mit der bei Schulbehörden regelmäßig nicht gerechnet wird: Schüler. An Schüler, die eigentlich der Grund der Existenz von nicht nur Schulen, sondern auch Schulbehörden sind, an sie und ihr schulisches Wohlergeben hat niemand gedacht. Man hatte wichtigere zu tun: Die Gesinnung eines Lehrers zu erschnüffeln und aus Likes zu erschließen und ihn wegen falscher Like-Verteilung zu versetzen.

Deutschland 2016. Denunziantentum ist wieder salonfähig und der Irrsinn endemisch.

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