Wahltheater Teil I: Die FDP hochrechnen

Als empirischer Sozialforscher kommt man derzeit nicht mehr aus dem Staunen heraus. Und regelmäßig stellt sich dieses Staunen ein, wenn Journalisten die Ergebnisse von Meinungsforschungsinstituten zum Anlass nehmen, um eine Schlagzeile zu dichten.

FDP hochrechnenSo dichtet ein namenloser Autor heute für die WELT “FDP klettert bei Insa auf Allzeithoch“. Insa ist ein Meinungsforschungsinstitut, das für die BILD-Zeitung einen Deutschlandtrend ermittelt. Das Institut ist eine Gründung von Hermann Binkert, der auch als Geschäftsführer fungiert und dessen ehemalige Tätigkeit als Staatssekretär in der Thüringer Staatskanzlei sicher nicht hinderlich dabei ist, Aufträge für sein Institut zu akquirieren.

Insa Consulere, wie das Institut sich nennt, führt wöchentlich einen Deutschlandtrend durch, d.h. es werden jedesmal rund 2000 Personen, die hoffentlich wahlberechtigt sind, gefragt, was sie denn wählen würden, wenn man nächsten Sonntag Wahl wäre.

Beim vorletzten Trend, dem vom 10. Februar, haben 6% der Befragten gesagt, sie würden FDP wählen. Beim neuesten Trend vom 16. Februar sollen es 7% gewesen sein.

Ein kritischer Bürger oder ein ausgebildeter empirischer Sozialforscher sollte angesichts dieser Zahlen sofort die Frage stellen: 6% von wie vielen Befragten? Die Antwort auf diese Frage, sie wäre kein Problem, handelte es sich bei INSA um ein seriöses Befragungsinstitut.

Dass in Zeitungsbeiträgen die Prozentuierungsbasis generell unterschlagen wird, daran hat man sich mittlerweile gewöhnt. Entweder, die verantwortlichen Journalisten sind einfach zu dumm, um zu verstehen, dass ein Prozentwert ohne Basis wenig aussagt oder sie versuchen ihre Leser für dumm zu verkaufen, in der Hoffnung, Letztere wären noch dümmer als sie.

Dass man bei einem Meinungsforschungsinstitut nicht nachvollziehen kann, wie viele Befragte die Grundlage einer Prozentangabe bilden, ist eine Unterlassung, die an versuchten Betrug grenzt.

Nehmen wir z.B. die folgende Grafik von INSA-Consulere, die den Deutschlandtrend vom 10. Februar darstellt:

INSA Deutschlandtrend

Angeblich soll die Abbildung auf 2.054 Befragten basieren. Heißt das nun, 2.054 Befragte haben am Insa-Deutschlandtrend teilgenommen oder heißt das, 2054 Befragte sind in die Berechnung der Abbildung eingegangen?

Liest man bei der BILD-Zeitung nach, die Auftraggeber von INSA-Consulere ist, dann drängt sich der Eindruck auf, dass die Anzahl der Befragten, die Zahl derer angibt, die insgesamt befragt wurden. Daraus folgt: die Abbildung ist unvollständig. Es fehlen alle diejenigen, die keine Angabe gemacht haben, die nicht wählen werden oder die vorhaben, ungültig zu wählen. Dabei handelt es sich um eine stattliche Anzahl von Befragten, die in der Abbildung von INSA schlicht unterschlagen werden. Vielmehr wird der Eindruck erweckt, die Abbildung basiere auf allen 2.054 Befragten – was dann, wenn die Abbildung auf weniger als 2.054 Befragten basiert – eine Folgerung die naheliegt – eine bewusste Täuschung darstellt.

Nehmen wir an, bei Umfragen von INSA-Consulere gibt es ungefähr so viele Befragte, die keine Angaben machen oder angeben, nicht wählen zu wollen oder angeben, ungültig wählen zu wollen, wie  dies bei unseren Befragungen der Fall ist und runden zu INSAs Gunsten ab. Bei 2.054 Befragten wäre entsprechend davon auszugehen, dass rund ein Fünftel der Befragten keine Angabe macht, nicht wählen gehen will oder ungültig wählen will. Zieht man dieses Fünftel von den 2.054 Befragten ab, dann verbleiben 1,643 Befragte, Die Abbildung oben basiert demnach auf weniger als 1.700 Befragten und nicht auf 2.054 Befragten.

Der Anteil der FDP, die 6%, die dargestellt sind, entspricht somit 99 Befragten. Gehen wir nunmehr davon aus, dass INSA auch beim neuerlichen Trend 1.643 Befragte zusammenbekommen hat, die eine Angabe zu ihrer Wahlabsicht gemacht haben, dann sind 7% FDP Wähler 115 Befragte.

Das Allzeithoch, auf das die WELT die FDP hochschreiben will, es basiert somit auf 16 Befragten, 16 Befragte mehr für die FDP. Dass die FDP kleine Brötchen backen muss, das war bekannt, dass sie so klein sind, dass die Zeiten so schlecht sind, dass ein Zugewinn von 16 Befragten zum Allzeithoch hochgejubelt werden muss, das ist neu.

Indes zeigt die Art und Weise, wie über Meinungsbefragungen in Zeitungen berichtet wird, dass die entsprechenden Ergebnisse zur kruden Manipulation genutzt werden sollen. Warum sollte man einen Zugewinn von einem Prozent auf ein “Allzeithoch” hochjubeln wollen und behaupten, dass ein halber Prozentpunkt Zugewinn auf höherem Niveau für die AfD bedeute, dass die Partei “kaum Profit” aus der Schwäche der CDU/CSU schlagen könne?

ManipulationstechnikenLiegt Journalisten so viel daran, ihre Leser zu manipulieren oder sind sie einfach so dumm, dass sie nicht mehr die Grundrechenarten beherrschen, denn das halbe Prozent, das die AfD zugenommen hat, von 12% auf 12,5% es entspricht einer Zunahme von 197 auf 205 Befragte, also einem Zugewinn von 8 Befragten und während ein Zugewinn von 16 Befragten ein Allzeithoch ausmacht, zeigt ein Zugewinn von 8 Befragten, dass eine Partei “kaum Profit” aus der Schwäche von CDU/CSU schlagen kann.

Wie hanebüchen die Interpretationen sind oder wie politisch motiviert, zeigt sich im Übrigen daran, dass die Schwäche der CDU/CSU darin besteht, zwei Wochen hintereinander auf 32,5% der Befragten zu kommen. Konstanz ist Schwäche, 8 Befragte Zugewinn ist “kaum Profit”, 16 Befragte Zugewinn ist ein “Allzeithoch”, und wer Meinungsumfragen traut, dem ist nicht mehr zu helfen.

 

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