Geschlechtersensible Gletscher: Eis ist derzeit zu männlich

Eine Reihe von Lesern hat uns zwischenzeitlich auf einen Beitrag hingewiesen, der seinen Ursprung im Robert D. Clark Honors College der University of Oregon hat. Der Beitrag trägt den Titel “Glaciers, Gender, and Science: A Feminist Glaciology Framework for Global Environmental Change Research” und wurde gerade in der Zeitschrift “Progress in Human Geography” veröffentlicht.

High Mountain CryosphereHauptverantwortlich für den Beitrag ist Mark Carey, dessen Webseite den Eindruck eines seriösen Wissenschaftlers vermittelt, der sich mit Glaziologie beschäftigt. Nicht die Art von Wissenschaftler, von der man einen Beitrag, wie den oben benannten, erwarten würde. Und doch gibt es diesen Unsinn in Textform, der unter dem Motto “ice is not just ice”, also: Eis ist nicht einfach Eis, eine feministische Perspektive auf Glaziologie, ein Framework für eine solche Perspektive entwerfen will.

Wir haben den Beitrag von Carey, Jackson, Antonello und Rushing gelesen und nun grübeln wir. Einerseits haben uns die letzten Jahre gelehrt, dass kein Unsinn zu groß wäre, als dass ihn nicht Genderisten mit der Inbrunst eigener Überzeugung vortragen würden, in der Hoffnung, andere, normale Menschen würden diesen Unsinn teilen. Andererseits ist der Beitrag von Carey et al. so dick aufgetragen, dass man nach dem Lesen unmittelbar zu der Einschätzung tendiert, dass es sich dabei um einen Hoax handelt. Kein normaler Mensch und mit Sicherheit kein Wissenschaftler kann einen solchen Unsinn schreiben, wie er hier von “Progress in Human Geography” veröffentlicht wurde – oder?

Aber urteilen Sie selbst!

Ausgehend von Autoren, die sich gefragt haben, ob Gletscher zuhören, die den kulturellen Rahmen, in dem Gletscher betrachtet werden, analysiert haben und ausgehend von der Feststellung, dass Gletscher ein “Element des Wandels und somit etwas, das als Teil der Gesellschaft angesehen werden kann” anzusehen sind, treten die Autoren an, die menschliche Dimension von Gletschern herauszuarbeiten.

Bereits hier hatten wir Zweifel, denn wenn alles, was sich wandelt, Gegenstand gesellschaftlicher Analyse wird, dann stellt sich die Frage, wann endlich die menschliche Dimension von Uran untersucht wird. Indes, derartige Fehlschlüsse und hanebüchene Behauptungen findet man in Gender Studies en masse, also ist die Frage, Hoax oder nicht?, weiter unentschieden.

Die menschliche Dimension von Gletschern, das ist für Carey und seine Mitautoren vornehmlich die fehlende weibliche Dimension. Weil diese Dimension fehlt, deshalb wollen sie eine feministische Glaziologie begründen, die anhand von vier Aspekten entwickelt werden soll:

  1. Hersteller von Wissen: Wie beeinflusst Geschlecht die Produktion von Wissen über Gletscher.
  2. Gegenderte Glaziologie: Wie ist das Wissen der Glaziologie durch Geschlecht beeinflusst.
  3. System der wissenschaftlichen Herrschaft: Wie sind Macht, Dominanz und Kolonialismus mit einer maskulistischen Ideologie verquickt, und wie hat diese Verquickung die Glaziologie beeinflusst.
  4. Alternative Darstellung: Wie kann geschlechtersensible Glaziologie betrieben werden?

Das ist ungefähr das, was man aus Gender Studies gewohnt ist. Hanebüchene Annahmen, die mit nichts belegt werden, wie z.B. die Existenz einer maskulistischen Ideologie, die sich auf die Produktion von Wissen auswirkt oder der generell behauptete Einfluss von Geschlecht auf Erkenntnis. Mit anderen Worten: Pythagoras hat seinen Satz nur gefunden, weil er ein Mann war.

Denselben Blödsinn haben wir in einer Vielzahl von Beiträgen gelesen, die von sich behaupten, sie hätten etwas mit Wissenschaft zu tun. Entsprechend sind wir immer noch unentschieden, was die Frage angeht: Hoax oder nicht?

Und jetzt kommt es:

Die Zusammenfassung der vermeintlichen Argumentation im Beitrag lautet wie folgt:

Derzeit fehle in der Glaziologie eine weibliche Perspektive oder Dimension. In der Glaziologie werde das Maskuline betont. Glaziologen, also Männer die auf Gletscher steigen und an unwirtlichen und gefährlichen Stellen Wissenschaft – oftmals unter Risiken für ihre Gesundheit – betrieben, würden als eine Art “Held” in den Medien dargestellt, Lonnie Thompson etwa, der Glaziologie von der Ohio State University, als eine Art “Indiana Jones” einer der “wissenschaftlichen Helden unserer Zeit”. Diese Darstellung unterstreiche das Maskuline in der Glaziologie, das sich mit Fähigkeiten wie Bergsteigen, mit Ausdauer, Kraft und der Fähigkeit, in unwirtlicher Umgebung zu überleben, verbinde, und zwar um Frauen und ihre Perspektive, die nicht “im Feld”, sondern im warmen Stübchen angesiedelt sei, aus der Glaziologie herauszuhalten.

Eis habe, so erklären die Autoren, eine große Faszination für die Generationen, die im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gelebt haben, gehabt. Britische wie US-Amerikanische Expeditionen in die Arktis seien inszeniert worden, um die evangelische Christlichkeit der Entdecker zu feiern und den Platz von Frauen am häuslichen Herd zu zementieren. Männer waren vor Ort entdecken, Frauen hatten zuhause zu bleiben und zu konsumieren, so resümieren die Autoren.

Gegen diese maskuline Kultur, die die Glaziologie mit ihrer Betonung von Kraft, Energie, von körperlichen Fähigkeiten und überlebenswichtigen Kompetenzen, geprägt habe, setzen die Autoren eine weiblich sensitive Perspektive auf Eis und Gletscher, wie man sie z.B. in der Kunst finde, wo Eis und Gletscher zum nahezu sexuellen Erlebnis werde, wie z.B. in Sheryl St. Germain’s “To Drink a Glacier”:

“That drink is like a kiss, a kiss that takes in the entire body of the other … like some wondrous omnipotent liquid tongue, touching our own tongue all over, the roofs and the sides of our mouths, the moving in us and through to where it knows … I swallow, trying to make the spiritual, sexual sweetness of it last”.

Die Darstellung, so die Autoren, portraitiere die sinnhafte, verkörperte Natur als den Hauptcharakter eines Gletschers und leiste entsprechend einen Beitrag zur Erforschung von Gletschern, zur Glaziologie als ganzer. Deshalb, so die Autoren in ihrer Zusammenfassung, sei es notwendig, menschliche Ansätze und Empfindungen in die Naturwissenschaft zu integrieren, um an tiefere Grundlagen der Naturwissenschaften heranzukommen.

Mit anderen Worten, Naturwissenschaftler sollen nicht nur Sterne oder chemische Verbindungen erforschen, deren Verhalten erklären und Gesetzmäßigkeiten aufstellen, nein, sie sollen auch die tieferen Empfindungen bei sich und bei ihrem Forschungsobjekt in Rechnung stellen, denn die Frage, ob sich ein Gletscher ausbreitet oder nicht, sie ist zutiefst davon beeinflusst, wie man empfindet. Das ist die neue feministische Perspektive auf Glaziologie.

Hoax oder nicht?

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