Niedergang der SPD: Je mehr weibliche Mitglieder desto weniger Wähler

Aggregatdatenanalysen führen in der empirischen Sozialforschung nach wie vor ein Schattendasein. Zusammenhänge zwischen z.B. dem Anteil an Zweitstimmen einer Partei und der Arbeitslosenquote auf Grundlage von Wahlkreisen abzubilden, ist nicht nach dem Geschmack der meisten Sozialforscher. Derzeit regiert in der Sozialforschung ohnehin die qualitative Sozialforschung, die in weiten Teilen als nettes Kaffeekränzchen praktiziert wird, in dessen Verlauf einer, der Forscher sein will, Fragen stellt, und einer, der Befragter spielt, antwortet. Beide eint eine weitgehende Ahnungslosigkeit: Der Befragte weiß nicht, wozu das, was er als Schwank aus seinem Leben erzählt, nützlich sein soll, der Befrager weiß nicht, was er mit den vielen Sätzen, die später viele Seiten seines qualitativen Interviews füllen werden, anfangen soll. Programme wie MAXQDA, die den Kampf mit der qualitativen Daten(un)menge erleichtern sollen, sind zwar im Handel erhältlich, führen jedoch, ob der Aversion mancher qualitativer Sozialforscherinnen gegen alles, was nach Berechnung und Zahl aussieht, eher ein Schattendasein. Abgesehen davon drohen systematische Verfahren wie die qualitative Inhaltsanalyse oder die Grounded Theory qualitative Vorgehensweisen nachvollziehbar zu machen und das ist eine Drohung, mit der vor allem die Fraktion der Genderstudierten mit ihrer wie-mir-die-Welt-vorkommt-pseudo-Forschung nicht leben kann.

Falter Wahlen WeimarDoch zurück zu Aggregatdatenanalysen. Jürgen Falter hat vor etlichen Jahren den Wert der Aggregatdatenanalyse am Beispiel der Wahlergebnisse der Weimarer Republik dokumentiert. Auf Grundlage von Wahlkreisen in der Weimarer Republik ist es ihm nicht nur gelungen nachzuweisen, dass es in manchen Wahlkreisen starke Wählerwanderungen von der KPD zur NSDAP gab, sondern auch zu zeigen, dass das einzige Wählermilieu, das gegen die Nazis resistent war, das katholische Milieu der Zentrumspartei war. Die sehr guten und ausgefeilten ökologischen Regressionsanalysen, die Jürgen Falter gerechnet hat, seien jedem Studenten, der sich mit Aggregatdatenanalyse befasst, ans Herz gelegt. Man kann anhand der Analysen nicht nur die Möglichkeiten, sondern auch die Grenzen der Aggregatdatenanalyse sehen.

So ist es nicht möglich, individuelles Verhalten auf der Basis von Aggregatdatenanalysen zu erschließen. Darüber hinaus verbindet sich mit der Aggregatdatenanalyse das Problem, dass man immer mehr oder weniger sinnvolle oder sinnlose Zusammenhänge nachweisen kann, ein Phänomen, das man auf der Webseite von Tyler Vigen, die nicht von ungefähr mit „spurious correlations“ überschrieben ist, entsprechend nachvollziehen kann.

Indes ist das Problem, das sich mit willkürlich postulierten Zusammenhängen, wie z.B. dem zwischen Geschlecht und Verdienst, verbindet, eines, das sich nicht nur für die Aggregatdatenanalyse stellt. Schon 1990 auf der Höhe des Faktorenanalysenhypes, mit dem Datenfuzzies aller Universitäten ihren Individualdaten zu Leibe gerückt sind und mit zum Teil haarsträubenden Ergebnissen aufwarteten, haben Willem Saris und Harm Hartmann darauf hingewiesen, dass die entsprechende Vorgehensweise willkürlich ist.

Als Crux aus all den Diskussionen über die Willkür, die häufig hinter postulierten Zusammenhängen steckt, wurde eine Methodologie entwickelt, die heute in den Sozialwissenschaften anscheinend oder zumindest in bestimmten Kreisen in Vergessenheit geraten ist (sofern sie dort je bekannt war). Es ist dies eine Methodologie, die die rigide Prüfung von Annahmen, die vor der Feldforschung gemacht werden müssen und aus Theorien abgeleitet werden sollen, vorsieht. Erst wenn sich die Annahmen an empirischen Daten bestätigt haben, kann von einem sinnvollen Zusammenhang ausgegangen werden. D.h. eine Korrelation auf Aggregat- oder auf Individualebene kann nur dann als nicht willkürlich zustande gekommen gewertet werden, wenn sie durch einen Korpus theoretischer Aussagen und Hypothesen, die wiederum auf bislang bestätigten Theorien basieren, abgesichert ist.

Etwa so:

In der Politikwissenschaft gibt es eine Reihe von Theorien, die erklären, warum eine Partei ein bestimmtes Wahlergebnis erreicht, eine bestimmte Wählerschaft anspricht. Eine dieser Theorien postuliert einen Zusammenhang zwischen der Responsivität einer Partei und dem Wahlergebnis: Je mehr Wähler den Eindruck haben, eine Partei vertrete ihre Interessen, desto mehr Wähler werden diese Partei wählen. Eine andere Theorie geht davon aus, dass Wähler nicht die Zeit haben, sich intensiv mit den Inhalten, die eine Partei propagiert, auseinanderzusetzen. Folglich wählen sie die Partei, von der sie den Eindruck haben, dass sie ihnen ideologisch am nächsten ist. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von Theorien, die z.B. einen Zusammenhang zwischen der Sozialstruktur und der Wahl einer Partei postulieren,. Diese Theorien wollen wir hier jedoch nicht weiter berücksichtigen.

Die SPD ist einst als eine Arbeiterpartei gestartet, jedenfalls erzählt uns das die Parteienfolklore und tatsächlich wurde die SPD häufig von Arbeitern gewählt, manchmal auch von einer Mehrzahl der Arbeiter, wobei Angestellte als Wähler für die SPD immer wichtiger geworden sind. Die SPD versucht, das Arbeiterimage gemeinsam mit den Gewerkschaften aufrecht zu erhalten und sich als Partei der „kleinen Leute“, wie dies Sigmar Gabriel unlängst wieder formuliert hat, zu profilieren. Gleichzeitig vertritt die SPD ideologische Inhalte, die für Arbeiter und Angestellte von keinerlei Interesse sind. Die Mehrzahl der Arbeiter und Angestellten interessiert sich weder dafür, ob irgendwelche Frauen aus der Mittelschicht in Vorstände quotiert werden noch dafür, ob die SPD sich zum Kämpfer gegen Hasskommentare aufschwingt, noch dafür, ob die SPD für nicht-heterosexuelle Menschen Lobbyist spielt, noch dafür, dass die SPD ihr Herz für Flüchtlinge entdeckt hat. Die meisten Arbeiter und Angestellten sind mit den täglichen Problemen des Lebens konfrontiert: Der immer geringer gedeckten Altersvorsorge, der Höhe der Zinsen bei Banken, der Frage, ob man sicher durch seine Nachbarschaft gehen kann, ob sich die Leistung im Unternehmen lohnt oder ob man, gerade als Arbeiter Angst haben muss, zu verarmen, weil vom Lohn ein großer Batzen vom Stadt vorab gepfändet und als Steuer oder Abgabe deklariert wird. Zu all diese Fragen der praktischen Lebensführung normaler Menschen hat die SPD keinerlei Antworten mehr. Sie ist zur Partei der LSBTG oder war es LSTIB, was auch immer geworden, die für die Gleichstellung zumeist „der Frau“ kämpft und eine eingebildete 22% Lohnlücke beklagt.

Diese Politik hat zwei Konsequenzen: Stammwähler und Menschen mit normalen Problemen drehen der SPD zunehmend den Rücken zu. Bestimmte Frauen und LSBTI treten der SPD, die sie zunehmend als ihre Lobbygruppe begreifen, bei und versuchen über die SPD an die Steuertöpfe der Gesellschaft zu gelangen.

Wenn diese Annahmen stimmen, dann wird man als Konsequenz ein Ansteigen des Anteils weiblicher und LSBTI-Mitglieder in der SPD sehen, denn die SPD ist für sie attraktiv um, dort ihr finanzielles Glück zu machen. Gleichzeitig wird der Anteil derjenigen Wähler, die sich mit den Inhalten, für die die SPD steht, identifizieren können, die der Ansicht sind, die SPD sei responsiv für ihre Probleme und die Sorgen, die ihr tägliches Leben prägen, zurückgehen, denn die SPD ist in ihrer Wahrnehmung immer weniger eine Partei, die sich für normale Dinge interessiert, wie sie in einem normalen Leben vorkommen. Entsprechend wird der Anteil der Wähler der SPD zurückgehen.

SPD BTW Mitglieder

Wir haben diese beiden Hypothesen für den Anteil weiblicher Mitglieder und die Ergebnisse der SPD bei Bundestagswahlen seit 1949 geprüft und siehe da, beide Hypothesen können bestätigt werden. Aufgrund der oben beschriebenen Themenverlagerung wird die SPD für Frauen, die danach streben, ihr Geld mit dem Kämpfen für Frauenrechte und nicht mit Arbeit zu verdienen, immer attraktiver: Der Frauenanteil unter den Mitgliedern der SPD ist von 15,4% im Jahr 1946 auf 31,8% im Jahr 2014 angestiegen. Gleichzeitig ist die SPD in ihrer Attraktivität für Wähler vor allem seit 1998 immer weiter gesunken, wobei der Tiefpunkt noch nicht in Sicht ist. Zwischen beidem, der Zunahme des Anteils weiblicher Mitglieder und dem Sinken der Anteile der SPD bei Bundestagswahlen besteht ein starker Zusammenhang (r = .45). Anders formuliert: Einer jährlichen Zunahme des Anteils weiblicher Mitglieder in der SPD um 0,98% geht mit einem Rückgang des Anteils bei Bundestagswahlen von jährlich 0,41% einher. Der Niedergang der SPD er wäre entsprechend das Ergebnis der Zunahme des Anteils weiblicher Mitglieder mit einer Agenda der Nutznießung.

 

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