Daimler spendet je 100.000 Euro für CDU und SPD: Warum?
Ökonomen und nicht nur sie haben die Angewohnheit, ökonomisches Verhalten rational zu erklären, also mit einem Grund. Jeder, der etwas tut, der tut dies, weil er einen Grund dafür hat: Wer bestimmte Waren kauft, tut dies, weil er eine Verwendung für die entsprechenden Waren hat. Wer an Börsen spekuliert, tut dies, weil er sich einen Profit davon verspricht. Wer einen Bewerber einstellt, tut dies, weil er denkt, der Bewerber ist der beste aus einem Pool von Bewerbern und der mit der höchsten Wahrscheinlichkeit, für das Unternehmen produktiv zu sein usw.
Aber warum spenden Unternehmen politischen Parteien 100.000 Euro? Warum z.B. spendet die Daimler AG in Stuttgart je 100.000 Euro an die CDU und die SPD?
Wenn man davon ausgeht, dass die Verantwortlichen bei der Daimler AG rationale Akteure sind, die das Geld ihres Unternehmens nicht nach Lust und Laune aus dem Fenster werfen, dann bleiben, um mit Max Weber zu sprechen, zwei Möglichkeiten: die 100.000 Euro haben eine wertrationale oder eine zweckrationale Begründung.
“Rein wertrational handelt, wer ohne Rücksicht auf die vorauszusehenden Folgen handelt, im Dienst seiner Überzeugung von dem, was Pflicht, Würde, Schönheit, religiöse Weisung, Pietät oder die Wichtigkeit einer ‚Sache’ gleichviel welcher Art ihm zu gebieten scheinen. Stets ist (…) wertrationales Handeln ein Handeln nach den ‚Geboten‘ oder gemäß ‚Forderungen‘, die der Handelnde an sich gestellt glaubt“. (Weber, 1988: 566).
Wir gehen einmal davon aus, dass es weder ein Gebot „Du sollst der CDU und der SPD 100.000 Euro spenden“ noch eine entsprechende Forderung gibt und nehmen zudem an, dass es bei der Daimler AG auch niemanden gibt, der sich einbildet, es gäbe dieses Gebot bzw. diese Forderung und er würde entsprechend auf höhere Weisung spenden.
Somit bleibt die Spende als zweckrationale Handlung, mit der ein Zweck verfolgt wird:
“Zweckrational handel, wer sein Handeln nach Zweck, Mittel und Nebenfolgen orientiert und dabei sowohl die Mittel gegen den Zweck, wie die Zwecke gegen die Nebenfolgen, wie endlich auch die verschiedenen möglichen Zwecke gegeneinander rational a b w ä g t.“ (Weber, 1988: 566)
Somit wäre mit den 100.000 Euro ein Zweck verbunden, der in seinem Wert für die Daimler AG alle anderen Zwecke, die man mit 100.000 Euro erreichen kann, übersteigt, und es wäre ein Zweck, der der Daimler AG einen Nutzen erbringt, denn ansonsten wären die 100.000 Euro aus dem Fenster geworfen, und da es sich bei der Daimler AG um eine Aktiengesellschaft handelt, müsste man davon ausgehen, dass die 100.000 Euro aus dem Kapital der Daimler AG veruntreut wurden.
Da die Vorstände und der CEO der Daimler AG aber vor der Aktionärsversammlung über die Verwendung des Unternehmenskapitals und darüber, welche Rendite die Verwendung erbracht hat, Rechenschaft ablegen müssen, bleibt nur die Möglichkeit, dass mit den 100.000 Euro ein politischer Gefallen eingekauft wurde, schon weil mit den 100.000 Euro kein Imagegewinn verbunden ist, wie er z.B. im Rahmen von Corporate Social Responsibility zu erreichen wäre, z.B.: wenn die Daimler AG dem Bund für Naturschutz 100.000 Euro spendet, um einen naturschutzbundeigenen Spielplatz zu bauen. Das, so denken Marketers in Deutschland, fördert das Unternehmensimage. Parteienspenden tun das nicht. Spenden an Parteien tun das Gegenteil: Sie schaden dem Image des Unternehmens.
Warum?
Nun, weil die einzige Möglichkeit, die am Ende dieser Argumentation durch Ausschluss nicht zutreffender Alternativen übrig bleibt, die ist, dass die Daimler AG sich mit den 100.000 Euro einen politischen Gefallen kauft. Dann machen auch die gleichzeitigen Spenden an CDU und SPD Sinn, denn beide agieren ja gemeinsam in einer großen Koalition (gemessen an den Umfragewerten eher eine schrumpfende Koalition).
Die Frage: Warum spendet die Daimler AG je 100.000 Euro an CDU und SPD kann also damit beantwortet werden, dass man sich bei der Daimler AG damit einen politischen Gefallen einkaufen will, der sich dadurch auszeichnet, dass CDU und SPD ihn nur zusammen gewähren können. Das ist natürlich keine Bestechung. Im Zusammenhang mit Parteien gelten die normalen Regeln des Strafgesetzbuches nicht. Es ist auch keine Korruption, es ist einfach nur die Unterstützung der Parteien bei ihrer grundgesetzlich festgeschriebenen Aufgabe, die Willensbildung des Volkes anzuschieben. Und wenn man schieben will, dann stellt sich immer die Frage, in welche Richtung? Zum Glück gibt es Unternehmen wie die Daimler AG, die den Parteien die Richtung vorgeben, sie in die richtige Richtung schubsen, per Spende.
Und das muss man regelmäßig tun, wie ein Blick durch die Geschichte der Spenden der Daimler AG an CDU und SPD zeigt. Offensichtlich gibt es einen Dauer-Spendenauftrag, denn die Daimler AG hat
- im Mai 2015 an CDU und SPD je 100.000 Euro gespendet,
- im April 2014 an CDU und SPD je 100.000 Euro gespendet,
- im April 2013 an CDU und SPD je 100.000 Euro gespendet,
- im Mai 2012 an CDU und SPD je 150.000 Euro gespendet,
- im August 2011 an CDU und SPD je 150.000 Euro gespendet,
- im Mai 2010 an CDU und SPD je 150.000 Euro gespendet,
- im Juni 2009 an die CDU 200.000 Euro an die SPD 150.000 Euro gespendet,
- im Juni 2008 an CDU und SPD je 150.000 Euro gespendet,
- im März 2007 an CDU und SPD je 150.000 Euro gespendet,
- usw.
2.65 Millionen Euro hat die Daimler AG seit 2007 an CDU und SPD gespendet. Worin die konkreten politischen Gefallen bestehen, die dafür eingekauft wurden, darf sich jeder selbst überlegen. In jedem Fall ist es sicher nicht falsch festzustellen, dass die Daimler AG ein Groß-Aushälter von CDU und SPD ist, der dafür sorgt, dass die Schatzmeister beider Parteien mit fixen Einnahmen von mindestens 100.000 Euro pro Jahr rechnen können.
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Für mich wirft das kein schlechtes Licht auf Daimler, sondern auf die Parteien. Daimler handelt nur rational, wenn es sich Vorteile kauft, wo Vorteile käuflich zu erwerben sind.
Sofern der Nutzen größer ist als die gezahlten 200k, erwarte ich als Aktionär sogar genau dies. (Abgesehen davon natürlich, dass Daimler damit zum Verfall des politischen Systems beiträgt. Aber wo Parteien und Politiker Geld annehmen, ist es sowieso schon zu spät).
Nun ist das Unternehmensimage ja ein Teil des unternehmerischen Kapitals: Entsprechend kann es Ihnen nicht egal sein, wenn Daimler in der Öffentlichkeit die Reputation eines Unternehmens hat, das Politiker kauft, um sich einen Vorteil zu verschaffen, also in der Nähe von Korruption anzusiedeln ist.
Ja, dennoch ich denke: Unternehmens-Image ist hier überbewertet. Auf das Image der Produkte kommt es an. Gerade Daimler hat schon jede Sauerei gebracht, von Eichmann bis Waffenexporte..
Solche Speden halte ich für unbedenklich. Vor allem im Vergleich dazu, was sonst noch gemacht wird und idR nicht öffentlich bekannt wird. Wenn etwa der Daimler Manager eine Stelle im Wirtschaftsministerium bekommt und die sich dort freuen, dass er so kompetent ist und nichtmal das Personalbudget nicht belastet.
Die 100.000 Euro für die Parteien ist auch nicht wirklich viel und bedeutet eigentlich nur, dass Daimler den beiden Parteien einen Vollzeitmitarbeiter spendiert, der Kontakt mit dem Unternehmen unterhält und über dessen Interessen im Parteiprogramm wacht. Das wiederum könnte man als bedenklich einstufen, wobei ich die dt. Politik derzeit für wesentlich gefährlicher und inkompetenter halte als die Gesamtheit der dt. Industrie seit Ribbentrop (inklusive der schwarzen Schafe!). Daneben wüsste ich auch gerne, wie viele Kontaktmitarbeiter der DGB und dessen Ideologiefiliale Verdi bei der SPD finanziert. Nicht zuletzt entspricht das Geld etwa einem Euro pro Daimler Mitarbeiter in Deutschland.
Interessant an der Aufstellung finde ich vielmehr, dass zum einen die CDU finanziell degradiert wurde auf SPD Niveau, und viel wichtiger, dass die Spendensumme kontinuierlich zurück ging von 150.000 Euro von vor zehn Jahren auf – Vorsicht, zu 2% p.a. diskontierte – 82.000 Euro. Das ist beinahe eine Halbierung der Spende. Wenn das so weitergeht, dann können sie sich davon bis in 10 Jahren nicht einmal mehr eine A-Klasse mit Velourbezug kaufen.
In den USA gabs vor ein paar Jahren eine Diskussion, ob Mitglieder von Gewerkschaften darüber entscheiden dürfen sollten, ob und wieviel Geld die Gewerkschaft von deren Beiträgen für einen sog. Super-PAC ausgeben darf (weder Unternehmen noch Gewekschaften dürfen direkt an Kandidaten oder Parteien spenden).
Es gab dabei auch das Argument, dass selbiges Recht eigentlich auch Anteilseignern von Aktiengesellschaften zustehen sollte. Meines Wissens wurde das leider nicht weiter verfolgt (vermutlich, weil die Unternehmen das nicht so gerne haben). Allerdings wäre es denke ich eine gute Lösung, um solcherlei – unerwünschte – Abhängigkeiten zu beenden. Es müsste lediglich geklärt werden, in wieweit auch ausländische Aktionäre über solche Spenden entscheiden dürfen.
Sehr geehrter Forent,
im ‘Groben und Ganzen’ möchte ich Ihnen eigentlich gerne rechtgeben (alte Schreibweise intendiert)…
Aber: man(das vom realen ‘n’ Abgeschnittene)/’frau’ kennt ja z.B. die ‘Korruptionsskandale’ von ‘illegal’ verwerteten Pfandgutscheinen o.ä. bei z.B. Drogerieketten…
Soll heißen: nach ‘bestimmten’, wenngleich nicht dem gültigen, dennoch dem angewandten Recht verbundenen, quervernetzbaren Grund-, Bürger- und u.a. Strafrechtsparagraphen machen sich ggf. die annehmenden Parteien durch die Nicht-Zurückweisung m.E. zumindest erpressbar…
Insofern natürlich ein -m.E.- wirklich geschickter, ‘billiger (Mehrdeutigkeit intendiert)’ Trick der geneigten Gefügigmachung… (da kann ich mir ein gewisses Grinsen nicht ganz verkneifen…)
Herzliche Grüße!
Es gibt noch einen anderen (ökonomisch-strategischen) Erklärungsansatz für Unternehmensspenden an politische Parteien generell.
Weiß den genauen Namen der Theorie und des Modells nicht mehr, aber es ging darum, dass in Demokratien notwendig ein politischer Bias hin zu quantitativ bedeutenden Wähler- / Interessengruppen existiert weil es einfacher und zweckmäßiger ist, sich auf wenige, homogene Wählergruppen zu konzentrieren. Minderheiten würden daher versuchen ihre Interessen zu wahren, indem sie Lobbyismus betreiben (wozu auch Spenden an Parteien zählen).
Ein Erklärungsansatz, der heute nicht einfach verworfen werden kann, nachdem bekanntlich der entfesselte Turbofinanzkapitalismus und Konzerne die Menschheit versklavt haben, wogegen selbstverständlich politischer Widerstand geleistet werden müsse, überhaupt die Ungleichheit geradezu katastrophale Ausmaße angenommen hat und blablabla (der ganze andere mehrheitsfähige linke Kram halt).
In dieser ideologischen Umgebung rentiert sich der Einsatz von 100k € durch die Minderheit der Unternehmer wahrscheinlich im 1k% Bereich.