Sprunghafter Anstieg der Jugendkriminalität nach Zuwanderung

Die Kriminalität von Jugendlichen beschäftigt Kriminologen spätestens seit Frederic M. Trasher 1936 seinen Klassiker „The Gang“ veröffentlicht hat, dem wenig später, nämlich 1943, mit “The Street Corner Society“ ein weiterer Klassiker dieses Mal von William F. Whyte verfasst, folgte. Seither lautet die Hauptfrage, der sich Kriminologen widmen: Warum ist die Kriminalität unter Jugendlichen proportional so viel höher als unter dem Rest der Bevölkerung.

Lamnek_abweichendes VerhaltenDie häufigste Antwort, die auf diese Frage gegeben wurde (wenn man einmal von pädagogischen Gehversuchen, die auf Sozialisation rekurrieren, absieht), ist: Anomie, ein Auseinanderklaffen der Ziele, die gesellschaftlich vorgegeben sind, Ziele wie gutes Einkommen, sich etwas leisten können, Status in Besitz umsetzen und der Mittel, die vorhanden sind, um diese Ziele zu erreichen. Personen, denen die legitimen Mittel fehlen, um die Gegenstände des eigenen Begehrens zu erwerben, vom Smartphone über die xBox bis zum Zugang und Eintritt zu Veranstaltungen, können dieses Manko durch die Wahl illegitimer Mittel ausgleichen, indem sie z.B. fremdes Eigentum stehlen oder sich Leistungen erschleichen. Jugendliche, so das letzte Steinchen, das das Mosaik vervollständigt, sind eher bereit als Erwachsene illegitime Mittel anzuwenden, um die entsprechenden Ziele zu erreichen, was nicht zuletzt damit zusammenhängt, das Jugendliche in der Regel weniger zu verlieren haben als Erwachsene, die Kosten, die sich für sie mit delinquentem Verhalten verbinden, also geringer sind als für Erwachsene. Dazu trägt ein Jugendstrafrecht, das einen jugendlichen Straftäter erst dann mit einer wahrnehmbaren Sanktion belegt, wenn sich die Straftaten auf seinem Konto addiert haben, seinen Teil bei.

Entsprechend kann man in Situationen, in denen die Menge der Angebote, die als Statussymbole oder schlicht als Gegenstand jugendlicher Begehrlichkeit verfügbar sind, aus der Perspektive der Jugendlichen dramatisch steigt, damit rechnen, dass die Anzahl der Straftaten, die von Jugendlichen begangen werden, zunimmt.

Die entsprechende Entwicklung hat sich nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus der DDR in der Polizeilichen Kriminalstatistik u.a. in Form einer Zunahme der Jugendlichen, die als Tatverdächtige ermittelt wurden, niedergeschlagen. Dieser Osteffekt, der Kriminologen bestens geläufig ist (dazu Klein, 1997: 162-163) lässt sich als Feedback-Effekt darstellen: Als Ergebnis des größeren Angebots an Waren, das ein kapitalistischer Markt im Gegensatz zu einem sozialistischen Plansystem bereitstellt, verändert sich die Gelegenheitsstruktur für z.B: Eigentumsdelikte. Es gibt einfach mehr Gelegenheiten, Eigentumsdelikte zu begehen, und entsprechend nehmen sie auch zu. Die Zunahme von Eigentumsdelikten macht sie für die Polizei zur Priorität. Jugendliche sind nicht nur eher bereit, z.B. einen Diebstahl auszuführen, sie sind auch leichter von der Polizei ermittelbar. Folglich führt eine veränderte Gelegenheitsstruktur mit mehr Warenangebot zu mehr Eigentumsdelikten, zu mehr Anstrengungen bei der Polizei, als Folge davon zu mehr ermittelten jugendlichen Tatverdächtigen und als Ergebnis davon, zu mehr Aufmerksamkeit, die z.B. Ladendetektive Jugendlichen entgegen bringen.

Die Zuwanderung von Flüchtlingen, darunter viele Jugendliche und Heranwachsende (das sind Personen im Alter von 18 bis 21 Jahren; sie werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik als Heranwachsende geführt, weil eine Absonderlichkeit im Jugendstrafrechts es vorsieht, Personen, die per Gesetz als volljährig zählen und entsprechend wählen dürfen, als nicht voll-verantwortlich im Sinne des Strafgesetzbuches anzusehen und ihnen eine verzögerte Entwicklung zu attestieren, was sie zum Gegenstand des Jugendstrafrechts macht), sie resultiert somit vorhersehbar in einer Zunahme der Jugendkriminalität. Und in diesem Bewusstsein haben wir uns die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik seit 1987 angesehen. Wir waren auf eine Zunahme der Jugendkriminalität vorbereitet, aber nicht auf eine Zunahme in dem Ausmaß, in dem wir sie letztlich gefunden haben.

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Die beiden Abbildungen (oben) zeigen die Entwicklung der Anzahl der polizeilich erfassten Tatverdächtigen im Alter von 14 bis 17 Jahren (Jugendliche) und 18 bis 21 Jahren (Heranwachsende). Man kann im Verlauf den „Osteffekt“ sehen, eine deutliche Zunahme der erfassten Tatverdächtigen nach 1991, die vornehmlich auf erfasste deutsche Tatverdächtige zurück zu führen ist. Seit 2002 geht die Anzahl der polizeilich ermittelten deutschen Tatverdächtigen fast kontinuierlich zurück. Auch die Zahl der polizeilich ermittelten nichtdeutschen Tatverdächtigen ist seit Ende der 1990er Jahre rückläufig, bis 2013. Mit dem Beginn der Zuwanderung von Flüchtlingen steigt die Anzahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen sprunghaft und in einer Weise an, wie wir sie in einer Kriminalstatistik noch nicht gesehen haben. Die Dramatik dieser Entwicklung wird in den folgenden beiden Abbildungen deutlich, in denen Zuwachsraten berechnet wurden.

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Von 2013 bis 2014 ist die Anzahl der polizeilich ermittelten Tatverdächtigen um 14% (14 – 17 Jahre) bzw. 23% (18 – 21 Jahre) angestiegen. Von 2014 bis 2015 beträgt der entsprechende Anstieg 91% bzw. 84%. Die Anzahl der von der Polizei ermittelten nichtdeutschen Tatverdächtigen hat sich zwischen 2014 und 2015 also fast verdoppelt von 43.575 nichtdeutschen Jugendlichen (14 – 17 Jahre), die 2014 erfasst wurden, auf 83.243 nichtdeutsche Jugendliche (18 – 21 Jahre), die 2015 erfasst wurden, bzw. von 56.724 nichtdeutschen Heranwachsenden (18 – 21 Jahre), die 2014 erfasst wurden, auf 104.529 im Jahr 2015. Das sind erhebliche Zuwächse und da die Anzahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen vor der Zuwanderung von Flüchtlingen gesunken ist, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet werden, dass der Anstieg auf die entsprechende Zuwanderung von Flüchtlingen zurückzuführen ist. Zum Vergleich: Die höchsten Zuwachsraten im Kontext des „Osteffekts“ wurden 1993 erreicht, mit einer Zunahme von 48% bei deutschen Tatverdächtigen im Alter von 14 bis 17 Jahren bzw. von 29% bei deutschen Tatverdächtigen im Alter von 18 bis 21 Jahren.

Wie damals so ist auch der derzeit festzustellende, ungleich stärkere Zuwachs an nichtdeutschen Tatverdächtigen im Wesentlichen auf Eigentumsdelikte zurückzuführen. Einfacher und schwerer Diebstahl, also z.B. Ladendiebstähle oder Einbrüche in Warenlager oder Kioske haben sprunghaft zugenommen, ebenso das Erschleichen von Leistungen (Schwarzfahren) und Sachbeschädigungen. Entsprechend kann man von einem Zuwanderungseffekt sprechen, der sich derzeit in der Polizeilichen Kriminalstatistik niederschlägt. Dass der Zuwanderungsseffekt intensiver ausfällt als der Osteffekt hat vermutlich damit zu tun, dass jugendliche Flüchtlinge eine höhere Visibilität haben als deutsche Jugendliche und entsprechend noch leichter zu ermitteln sind als dies Jugendliche sowieso schon sind. Vermutlich ist der Effekt auch einer höheren Bereitschaft zum delinquenten Verhalten unter Flüchtlingen geschuldet, denn die Bedingungen für kriminelle Subkulturen, wie sie Donald Sutherland (1968) in seiner Theorie differentieller Assoziation beschrieben hat, sie sind innerhalb der beengten Wohnverhältnisse der entsprechenden Heime und Aufnahmestellen, geradezu optimal.

Wie die in den Abbildungen dargestellten Daten zeigen, dauert es rund 15 Jahre, bis vom Höhepunkt der Entwicklung aus gesehen, wieder das Niveau erreicht wird, das vor der erheblichen Zunahme an Jugendkriminalität zu verzeichnen war, während es rund 10 Jahre dauert, bis die Zunahme der Jugendkriminalität ihren Höhepunkt erreicht hat. Legt man diese Entwicklung zugrunde, dann ist davon auszugehen, dass die Anzahl nichtdeutscher Tatverdächtiger auch in den nächsten acht Jahren noch steigen wird, ehe sie von dem dann erreichten Niveau und über die nächsten 15 Jahre wieder sinken wird auf das Niveau von 2012. Wird wären dann im Jahr 2048.

Literatur

Klein, Michael (1997). Verhalten sich Jugendliche in Ostdeutschland häufiger delinquent als Jugendliche in Westdeutschland? Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 80(3): 148-164.

Sutherland, Edwin K. (1968). Die Theorie der differentiellen Kontakte. S. 395-399 in: Sack, Fritz & König, René (Hrsg.): Kriminalsoziologie. Frankfurt a.M.: Akademische Verlagsanstalt.

Trasher, Frederic M. (1936). The Gang. Chicago: University of Chicago Press.

Whyte, William F. (1943). Street Corner Society. Chicago: University of Chicago Press.


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