Alarm- oder Sterbeglocken: Was klingelt bei CDU und SPD?

Bei all der Aufregung über die Furchtbarkeit, die darin besteht, dass eine neue Partei das Berliner Parteiensystem aufmischt, ist ein Trend übersehen worden, den wir einmal am Beispiel der letzten 30 Landtagswahlen deutlich machen wollen, anhand der Veränderungen, die sich seit 2008 im Parteiensystem Deutschlands eingestellt haben. Tut man dies, dann ergibt sich ein Trend, der, wären wir Generalsekretär von CDU oder SPD, uns schlaflose Nächte bereiten und die Suche nach einem anderen Arbeitsplatz antreten ließe.

Der Trend, der die beiden Parteien, die sich einst Volksparteien genannt haben, erfasst hat, ist ein dauerhafter Abwärtstrend, der sich grafisch wie folgt darstellt:

LTWs Stimmanteile

In der Abbildung sind alle Landtagswahlen seit 2008 erfasst, so dass jedes Bundesland mit den Ergebnissen der beiden letzten Landtagswahlen vertreten ist. Dargestellt sind die prozentualen Veränderungen zwischen den beiden letzten Landtagswahlen.

Fasst man die Einzelergebnisse auf Jahresbasis zusammen und berechnet die Veränderung in der Wählerunterstützung für SPD und CDU, dann zeigen sich jährliche Verluste von 2,5 Prozentpunkten bei der CDU und von 10 Prozentpunkten bei der SPD. Der Abwärtstrend bei der SPD ist demnach steiler als bei der CDU. Auch wenn es der SPD gelungen ist, sich z.B. in Mecklenburg-Vorpommern als Wahlgewinner zu inszenieren, so darf man nicht vergessen, dass die SPD 5% der Stimmanteile im Vergleich zur Wahl von 2011 verloren hat. Insgesamt hat die SPD z.B. im Jahre 2016 25,8% an Stimmanteilen verloren (Verlusten von 10,9% in Sachsen-Anhalt, 10,4% in Baden-Württemberg und 5% in Mecklenburg-Vorpommern, steht ein Zugewinn von 0,5% in Rheinland-Pfalz gegenüber), die CDU hat es auf Verluste von 22,2% der Stimmanteile gebracht (-2,7% in Sachsen-Anhalt, -3,5% in Rheinland-Pfalz, -12% in Baden-Württemberg und -4% in Mecklenburg-Vorpommern). Damit hat sich ein Trend verstärkt, der seit 2008 besteht und sich für die SPD und die CDU wie folgt darstellen lässt:

LTW CDU SPD

Stellt man die Ausgangsposition in Rechnung, die CDU und SPD z.B. als Regierungsparteien in Sachsen haben, dann kann man vorhersagen, dass die nächste Landtagswahl, die 2019 in Sachsen stattfinden wird, einen vorhersehbaren Verlust bei der CDU von 10%, von 37,4% auf 27,4% der Wählerstimmen bringen wird, während der Anteil der SPD von derzeit 12,4% auf 8,4% sinken wird.

Insofern der beschriebene Trend nun schon seit Jahren anhält und auch mit der Theorie der Nebenwahlen, wie sie Reiner Dinkel in den 1980er Jahren auf Deutschland übertragen hat, nicht vereinbar ist, vollzieht sich derzeit in Deutschland ein grundlegender Wandel im Parteiensystem. Denn: Die Theorie der Nebenwahl (eine Landtagswahl zählt als Nebenwahl) geht davon aus, dass die Ergebnisse, die Regierungsparteien in Nebenwahlen erzielen, mit zunehmender zeitlicher Entfernung von der Hauptwahl, der Bundestagswahl, immer schlechter werden, während sie, je kürzer der zeitliche Abstand zur nächsten Hauptwahl ist, wieder besser werden. Die nächste Hauptwahl steht in Deutschland 2017 an. Die letzte Hauptwahl war 2013, d.h. wir befinden uns in größerer zeitlicher Nähe zur nächsten Bundestagswahl als in zeitlicher Entfernung von der letzten Bundestagwahl. Entsprechend würde man erwarten, dass die Wahlergebnisse der Regierungsparteien wieder besser werden. Stattdessen werden sie schlechter, so dass man zusammenfassen kann: Alle Indikatoren, die die empirische Wahlforschung kennt, um den Niedergang eines Parteiensystems zu modellieren, sind gegeben: das Berliner Parteiensystem ist im Niedergang begriffen.

Wenn es den Parteistrategen von CDU und SPD nicht gelingt, den Trend umzukehren, z.B. dadurch, dass sie die Bürger ernstnehmen, dann wird es in absehbarer Zukunft keine großen Koalitionen mehr geben, einfach deshalb nicht, weil die Stimmanteile der beiden großen Parteien nicht ausreichen werden, um in gemeinsamer Koalition zu regieren. Um zum Beispiel von Sachsen zurückzukehren: Wir prognostizieren einen Anteil von 35,8% für die derzeitigen Regierungsparteien von CDU und SPD; viel zu wenig, um eine Mehrheit der Sitze im Sächsischen Landtag zu erreichen. Und Sachsen ist nur ein Beispiel anstehender weiterer Fiaskos für CDU und SPD.

Der Generalsekretär der CDU, Peter Tauber, hat im Hinblick auf das Ergebnis der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern erklärt, dass es Zeit brauche, um verlorenes Vertrauen in die CDU, wie es im Wahlergebnis seinen Niederschlag gefunden hat, zurückzugewinnen. Nach unserer Prognose hat die CDU die Zeit, die Peter Tauber zu brauchen glaubt, nicht, jedenfalls nicht, wenn die Strategie aus einem weiter so besteht.


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