Jeder hat das Recht, zu beleidigen

Don Alphonso schreibt heute über Versuche, finanziert vom BMFSFJ Schüler so zu indoktrinieren, dass sie zu treudoofen Gläubigen dessen werden, was ihnen von oben gesagt wird.

Der größte Teil des Beitrags ist der #NichtEgal, einem Bastard der NoHateSpeech-Kampagne gewidmet, den man wohl irgendwo zwischen Infantilismus und Gutmenschentum [wenn dazwischen überhaupt Platz ist] einordnen muss und der natürlich für alle, die sich dort engagieren, ein Einkommen bedeutet. Die NoHateSpeecher leben nämlich von ihrem Hass auf den Hass.

Unter den vielen Tweets von #NichtEgal, die Don Alphonso bespricht, ist eine Tweet, der einen zentralen Irrtum vieler Gutmenschen und den zentralen Baustein der BMFSFJ-Indoktrination besonders deutlich macht. Er geht wie folgt:

Art. 5 [Grundgesetz] schützt Dein Recht auf Meinungsfreiheit, nicht auf Beleidigung und Diskreditierung. Dieses Recht gibt es nicht.

nichtegaldiskred

Das also ist des Pudels Kern.

Rechte, so muss man diesem Tweet entnehmen und so denken wohl die Repräsentanten des Volkes in den Ministerien, die derzeit dort Minister spielen dürfen, seien etwas, was Menschen verliehen wird. Rechte bezögen sich durchweg auf die Dinge, die sie für fördernswert und gut hielten und hätten nichts zum Gegenstand, was den Ministerialen nicht wünschenswert erscheinen würde.

Wie konnte es soweit kommen? Wie konnte es soweit kommen, dass Angestellte des Volkes denken, sie könnten dem Volk etwas verleihen, darüber entscheiden, was Recht ist und was nicht und darüber wer Inhaber von Rechten ist und wer nicht?

Indes, die Idee einer vermeintlichen Elite, die der tumben Maße das Heil in kleinen Häppchen beibringt, die so zubereitet sind, dass sie schnell und leicht zu schlucken sind, sie ist nicht neu: Lenin hat sie erstmals formuliert in seiner Beschreibung der Vorhut der Arbeiterklasse. Denn die Arbeiter in der Arbeiterklasse sind in der Regel zu dumm, um zu wissen, was gut dafür ist. Sie brauchen entsprechend Funktionäre, Söhne reicher Eltern, Industriellensöhne, die in ihrem Leben noch nie einen Finger krumm gemacht haben und viel Zeit hatten, sich einzubilden, sie wüssten besser als Arbeiter, was für Arbeiter gut ist, wüssten Wege, das falsche Bewusstsein der Arbeiter, die an Dinge glauben, die schlecht für sie sind, zu reparieren und mit dem richtigen Bewusstsein zu ersetzen.

Heutige Politiker und die Gestalten, die sich von den Projektkrumen ernähren, die von Politikern verteilt werden, scheinen doch tatsächlich diese Idee von Lenin zu teilen und zu denken, sie wüssten genau, wie eine richtige Gesellschaft zu sein hat und könnten daraus ableiten, wie ein richtiger Mensch zu sein und sich zu verhalten hat. Entsprechend müsse man dem richtigen Menschen nur noch die entsprechenden Rechte zuweisen, eh voilá: der neue Mensch von Politikers Gnaden.

Es mag dem Ego mancher Politiker entsprechen, sich einzubilden man könne Menschen sagen, wo es lang geht und ihre Leben mit Rechten versehen, die Einbildung ändert jedoch nichts daran, dass besagte Politiker einem Irrtum aufsitzen, denn es gibt keine Rechte, die verliehen werden: Menschen sind von Natur aus die Inhaber von Rechten, niemand sonst kann es sein.

Thomas Hobbes hat dies wie kein anderer auf den Punkt gebracht:

Leviathan.hobbes“Das natürliche Recht, in der Literatur gewöhnlich jus naturale genannt, ist die Freiheit eines jeden, seine eigene Macht nach seinem Willen zur Erhaltung seiner eigenen Natur, das heißt seines eigenen Lebens, einzusetzen und folglich alles zu tun, was er nach eigenem Urteil und eigener Vernunft als das zu diesem Zweck geeignetste Mittel ansieht“. (99) Daraus und aus vorherigen Überlegungen folgert Hobbes nunmehr dass „jedermann ein Recht auf alles hat“ (99).

Entsprechend hat jedermann das Recht, seine Meinung zu sagen, wenn ihm danach ist. Dieses Recht muss ihm nicht verliehen werden. Keine Verfassung der Welt maßt sich das an. Vielmehr schützen Verfassungen Rechte, die entsprechend vor der Verfassung vorhanden gewesen sein müssen, wären sie es nicht, es gäbe nichts zu schützen. Es ist schon erschreckend, dass man Aktivisten, die sich aufspielen, um Toleranz zu predigen und Hassrede zu bekämpfen, die Grundlagen menschlicher Gesellschaften, wie sie sich in den natürlichen Rechten von Jedermann offenbaren, zu erklären.

Und weil Meinungsfreiheit ein natürliches Recht ist, das Menschen einfach haben, deshalb ist von diesem Recht auch das Recht auf Beleidigung umfasst. Wenn man der Ansicht ist, man müsse sein Gegenüber unbegründet als Idioten bezeichnen, dann gibt es nichts und niemanden auf diesem Planeten, der das Recht hätte, diese Meinungsäußerung zu verbieten.

Und nun kommen wir zum nächsten grundlegenden Irrtum der Aktivisten am Tropf des BMFSFJ, die meinen, was z.B. im Strafgesetzbuch erfasst sei, sei verboten und dürfe als Verhalten nicht gezeigt werden. Dem ist nicht so. Strafgesetzbücher stellen Sammlungen von Handlungen dar, die qua Konvention als in einer Gesellschaft nicht akzeptabel angesehen werden. Daraus folgt nicht, dass es diese Handlungen nicht geben darf oder kann. Nur Kinder wünschen sich einen Planeten, in dem alle nach den Buchstaben der Gesetze leben.

insult-project
Wer Nachhilfe in der Wahrnehmung seines Rechts auf Beleidigung braucht, bekommt sie im Insult Project.

Die Wirklichkeit ist anders und in der Wirklichkeit kann niemand daran gehindert werden, sein Gegenüber zu beleidigen, wenn ihm danach ist. Zumal eine Beleidigung ebenfalls eine Zuschreibung ist. Idiot ist nicht immer eine Beleidigung. Zuweilen ist die Bezeichnung empirisch richtig. Es gibt nachweislich Idioten. Aber selbst wenn eine Aussage nach allen derzeit geltenden Ansichten eine Beleidigung darstellt, folgt daraus nicht, dass der Beleidiger kein Recht auf Beleidigung hätte. Dass sich die Mehrheit der Mitglieder einer Gesellschaft darauf geeinigt hat, soziale Interkationen ohne Beleidigung zu führen, sorgt dafür, dass soziale Interaktionen besser funktionieren, hat aber ebenfalls keinerlei Effekt auf das Recht auf Beleidigung.

Es hat nur zur Konsequenz, dass derjenige, der sein Recht auf Beleidigung ausübt, mit entsprechenden Folgen zur rechnen hat. Wer beleidigt, weiß, dass im strafrechtliche Verfolgung droht. Er nimmt die Kosten, die ihm durch seine Beleidigung entstehen, offenbar in Kauf oder ist der Ansicht, dass ihm keine Kosten entstehen. Das ist eine einfache Rechnung, die letztlich auch erklärt, warum Beleidigungen so selten in aller Öffentlichkeit ausgesprochen werden: Die Kosten sind vielen zu hoch. Strafgesetze entfalten ihre Wirkung nicht darüber, dass diejenigen, die ihnen unterworfen sind, eine Gutheit der Gesetzestreue internalisieren, sondern darüber, dass sie die Vorteile von Gesetzestreue sehen und die Nachteile, die mit einem Verstoß einhergehen, vermeiden wollen.

Daraus folgt, dass dann, wenn in einer Gesellschaft systematisch die Vorteile, die sich aus einer Befolgung von Gesetzen ergeben, abgebaut werden, bei gleichbleibenden Nachteilen die Prävalenz von Vergehen steigen wird, zunächst bei solchen, die billig zu haben sind, wie z.B. Beleidigungen. Beleidigungen sind eine recht billige Form, sein Missfallen zum Ausdruck zu bringen, sofern kognitiv elaboriertere Methoden nicht verfügbar sind.

Aktionen wie NoHateSpeech oder #NichtEgal sind entsprechend kontraproduktiv, nicht nur, weil sie ein Bild von Infantilität abgeben, das erschreckend ist, nicht nur, weil die Aktivisten, die mit dem Hass auf vermeintlichen Hass ihren Lebensunterhalt verdienen, durch eine erschreckende Unbildung auffallen, sondern weil mit diesen Aktionen nicht nur Aufmerksamkeit für die Möglichkeit von HateSpeech geschaffen wird und diese Aufmerksamkeit noch damit amplifiziert wird, dass fälschlicherweise behauptet wird, HateSpeech sei ein Riesenproblem, das unbedingt mit ganz viel Steuergeld und vielen Kampagnen und Aktionen bekämpft werden müsse und damit der Eindruck erweckt wird: Hate Speech (was auch immer dass sein mag) ist zur Normalität geworden und für alles, was zumindest zur denkbaren Normalität geworden ist, sinken die Hürden, die überwunden werden müssen, um z.B. eine Beleidigung öffentlich zu äußern. Die Verrohung des öffentlichen Diskurses, die neuerdings so gerne beklagt wird, Aktionen wie NoHateSpeech oder #NichEgal sind die Hauptursachen dafür und Ministerien wie das BMFSFJ können sich brüsten, diese Verrohung mit Steuermitteln herbeifinanziert zu haben.

Wer etwas gegen Beleidigung und HateSpeech tun will, der soll bei sich anfangen und beides unterlassen. Dadurch wäre schon viel gewonnen.

P.S.

Wem Insult Project zu derb ist, für den haben wir den Shakespearean Insulter 


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