Gesetz ohne Notwendigkeit: Maas-Ministerium räumt ein, Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat keine Grundlage

Einer der wichtigsten wissenschaftlichen Artikel, die in den letzten 40 Jahren verfasst wurden, stammt von Paul diMaggio und Walter Powell und trägt den Titel „The Iron Cage Revisited: Institutional Isomorphism and Collective Rationality in Organizational Fields“. Darin stellen DiMaggio und Powell u.a. die These auf, dass moderne Organisationen, Bürokratien, Verwaltungen, Ministerien, nicht mehr, wie dies zu Max Webers Zeiten der Fall war, ihre Legitimation daraus nehmen, dass sie effizient und effektiv Dienstleistungen für Bürger erbringen, sondern daraus, dass sie tätig sind. Je mehr Tätigkeit eine moderne Verwaltung nach außen vorweisen (oder vorgeben) kann, desto legitimer erscheint sie.

DiMaggio PowellMit dieser These ist es möglich, eine Vielzahl von Phänomenen zu erklären, die man ansonsten nur mit Kopfschütteln goutieren könnte. Etwa das 100 Millionen Euro Programm “Demokratie leben!”, bei dem 100 Millionen Euro in zahllosen Projekten versenkt werden, von denen sich niemand fragt, ob der Nutzen dieser Projekte die Kosten übersteigt bzw. bei denen sich niemand darum kümmert, ob die Mittel effektiv und effizient verwendet wurden. Für das BMFSFJ sind die 100 Millionen Euro ein Tätigkeitsnachweis, der Legitimation und den warm glow, etwas zu tun, was auch immer, verbreitet. Für die Projektnehmer bietet der Geldsegen die Möglichkeit, sich im warm glow aus dem Ministerium zu sonnen und sich ansonsten ein Auskommen ohne Ergebniskontrolle und auf Kosten der Steuerzahler zu verschaffen.

Die These von diMaggio und Powell erlaubt es auch, den Aktivismus aus dem Hause von Heiko Maas zu erklären, der sich zum Beispiel im „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz)“ niedergeschlagen hat. Das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz enthält außer prozeduralen Regelungen nichts, was nicht längst im Strafgesetzbuch stünde, ist entsprechend überflüssig, wird aber dennoch von Heiko Maas, dem Mann für den Überfluss, mit Verve vertreten, um u.a. FakeNews zu bekämpfen. So heißt es bereits im ersten Absatz des Gesetzes und unter der Überschrift „A Problem und Ziel“:

“Gegenwärtig ist eine massive Veränderung des gesellschaftlichen Diskurses im Netz und insbesondere in den sozialen Netzwerken festzustellen. Die Debattenkultur im Netz ist oft aggressiv, verletzend und nicht selten hasserfüllt. Durch Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte kann jede und jeder aufgrund der Meinung, Hautfarbe oder Herkunft, der Religion, des Geschlechts oder der Sexualität diffamiert werden. Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte, die nicht effektiv bekämpft und verfolgt werden können, birgt eine große Gefahr für das friedliche Zusammenleben einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft. Nach den Erfahrungen im US-Wahlkampf hat überdies auch in der Bundesrepublik Deutschland die Bekämpfung von strafbaren Falschnachrichten („Fake News“) in sozialen Netzwerken hohe Priorität gewonnen. Es bedarf daher einer Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken, um objektiv strafbare Inhalte wie etwa Volksverhetzung, Beleidigung, Verleumdung oder Störung des öffentlichen Friedens durch Vortäuschen von Straftaten unverzüglich zu entfernen.“

Ein Gesetzentwurf, bei dem es darum ginge, die Wirklichkeit zu verbessern, würde nicht ausschließlich behaupten, dass A schlimm und B verbreitet und für C gefährlich wäre. Ein Gesetzentwurf, bei dem es darum ginge, die Wirklichkeit zu verbessern, er würde auf dieser Wirklichkeit basieren, gäbe Daten und Zahlen an, die zeigen, wie relevant eine Regelung in einem Bereich ist, Daten, die zeigen, wie sich die Verurteilungen wegen der Delikte, die neuerdings als Hasskriminalität zählen, entwickelt haben, zeigen, dass die entsprechende Kriminalität in sozialen Netzwerken tatsächlich verbreiteter ist als z.B. im Bundesministerium für Justiz und die vor allem zeigen, dass von der in sozialen Netzwerken verbreiteten Hasskriminalität ein bezifferbarer Schaden für die Gesellschaft ausgeht, diesen Schaden also belegt.

Maas‘ Gesetzentwurf enthält nichts dergleichen. Er ist, was empirische Relevanz betrifft, eine Luftnummer, denn weder wird die Notwendigkeit, einer gesetzlichen Regelung mit belastbaren und nachvollziehbaren Daten belegt noch wird gezeigt, dass Hasskriminalität in sozialen Netzwerken verantwortlich für negative Entwicklungen in der Gesellschaft ist.

Es finden sich keinerlei Belege für die Notwendigkeit des Gesetzes. Die einzigen Daten, die sich auf den 31 Seiten des Gesetzentwurfes finden, beziehen sich auf die 3,75 Millionen Euro Mehraufwand an Personal, die durch das Gesetz verursacht werden.

Mit anderen Worten, das Gesetz dient nicht dazu, in der Realität eine Verbesserung in welcher Form auch immer für die Bürger herbeizuführen. Es dient dazu nachzuweisen, dass Maas ein, wie man wohl sagen muss, politischer Aktivist ist, der ohne Sinn und Zweck Steuergelder verprasst um Gesetze durchzusetzen, die einzig dazu dienen, die Verwaltung des Bundesministeriums für Justiz noch mehr aufzublasen und die Tätigkeit von Minister und Behörde mit Legitimation zu versorgen: “Seht her, wir tun etwas. Wenngleich wir weder wissen, warum wir es tun, noch, ob es notwendig ist.”

Tatsächlich hat das Ministerium gegenüber der Seite golem.de zugegegeben, dass nicht ein Fall von FakeNews im Ministerium bekannt ist, in dem Ministerium, das mit einem Gesetzentwurf gegen eben diese FakeNews, von denen man im Bundesministerium für Justiz nicht einmal weiß, ob es sie gibt, vorgehen will. Deutlicher kann man nicht mehr machen, dass es nicht darum geht, das konkrete und tägliche Leben der Bevölkerung positiv zu beeinflussen. Deutlicher kann man nicht mehr machen, dass der Zweck eines Gesetzes einzig darin besteht, ein Ministerium mit weiteren Mitteln und mit weiterem Personal zu versorgen. Deutlicher kann man nicht mehr machen, dass ein Gesetz aus politischem Aktivismus, also aus Populismus erstellt wurde, dessen Ziel darin besteht, Bürgern vorzugaukeln, Minister und Verwaltung wären Macher, die das Wohl der Bevölkerung im Blick haben.

Dilbert sycophantWie die Dinge nun einmal liegen, führt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz von Maas, das nicht das Wohl der Bevölkerung im Auge hat, sondern das des Ministeriums und des Ministers, der gerne als mehr erscheinen will als er ist, zu einer massiven Einschränkung des Wohls der Bevölkerung, da die prozeduralen Regeln, die im Gesetzentwurf festgeschrieben werden sollen, dafür sorgen, dass die Meinungsfreiheit auf der Strecke bleiben wird. Ob dies beabsichtigt ist, also neben der Legitimation durch Aktivismus auch noch ein finsteres Ziel hinter dem Gesetzentwurf steht, ist das Kriterium, das Maas von farblosen Politiker, wie es sie im 21. Jahrhundert zuhauf gibt, zu einem jener Politiker macht, die aus Geltungssucht Freiheiten anderer opfern und damit verantwortlich sind für all das, was am Ende dieser neuen Welle deutschen Totalitarismus stehen wird.

Golem.de belegt mit seiner Nachfrage im Ministerium, dass es möglich ist, Journalismus jenseits dessen zu machen, was in öffentlich-rechtlichen Medien so verbreitet ist: das Buckeln von Sykophanten.

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