ARD, NGOs und Flüchtlinge im Mittelmeer: Faktenfinden für Einäugige

Damit wir alle wissen, was wir für richtig halten sollen, gibt es u.a. den ARD Faktenfinder, in dem sich ARD Journalisten, deren Qualifikation dafür nicht bekannt ist, bemühen, das, was sie für die Wahrheit halten, anderen zu verkaufen.

Das neueste Beispiel ist der Versuch, Vorwürfe gegen NGOs zu entkräften. NGOs, welche genau, das scheinen die Faktenfinder der ARD nicht zu wissen, sind im Mittelmeer unterwegs, um dort Flüchtlinge zu retten. Das ist die ARD Version. Die Version von Kritikern lautet: NGOs sind im Mittelmeer unterwegs, um Flüchtlinge nach Europa zu schleusen.

Das Problem der Pseudo-Faktenfinder bei der ARD ist, dass sie nicht offen sind. Sie wollen gar keine Fakten finden, sondern das, was sie für richtig halten, bestätigen. Ein weiteres Problem der Pseudo-Faktenfinder ist, dass man dieses Bemühen so deutlich spürt. Sie sind halt keine Faktenfinder, sondern Journalisten, die weder eine Befähigung zum Faktenfinden noch eine entsprechende wissenschaftliche Grundausbildung haben.

Hätten sie Letztere, sie wüssten, dass man, wenn man versucht, z.B. die Frage zu klären, ob NGOs im Mittelmeer als Retter oder als Schlepper unterwegs sind, beide Seiten zu Wort kommen lassen muss. Man muss die Belege der einen wie der anderen Seite sichten, gewichten und für eine Entscheidung nutzen.

Die Faktenüberseher bei der ARD tun das nicht.

Lesen Sie den Beitrag „Keine Beweise für Vorwürfe gegen NGO“ von oben bis unten und sie werden ausschließlich Aussagen finden, die belegen sollen, dass NGOs nicht als Schlepper unterwegs sind, sondern als Retter. Das fängt bei der Sprache an: „Freiwillige Helfer“, die „beinahe täglich … Migranten in Seenot“ retten. „Rettungseinsätze“, die an der Grenze der lybischen Hoheitsgewässer ausgeführt werden, von der „Hälfte der Migranten“, die mittlerweile von NGOs „gerettet“ wird, ist die Rede, davon, dass immer mehr Flüchtlinge auf dem Weg zum Mittelmeer sind, viele davon aus Nigeria ist die Rede, davon, dass es keine Beweise dafür gebe, dass NGOs mit Schleppern gemeinsame Sache machen“. Die Faktenfinder treffen ausschließlich Aussagen, die die vorab gesetzte Wahrheit, dass NGOs natürlich Flüchtlinge retten und nicht schleusen, bestätigt. Sie dilettieren in einem Bereich, in dem es fundierte Analysen bräuchte, um die sowieso schon aufgeheizte Stimmung zu kühlen.

Tatsächlich bleiben die Pseudo-Faktenfinder jeden Beleg dafür schuldig, dass NGOs keine Schlepper sind. Das nämlich ist das Problem, wenn man ausschließlich Belege für die eigene Meinung sucht. Es schließt nicht aus, dass es Fakten gibt, die die eigene Meinung als falsch ausweisen, sie widerlegen.

Am nächsten kommen die Pseudo-Faktenfinder der Frage, um die es eigentlich geht, wenn sie schreiben „Festzuhalten ist, dass es eine gewisse Interessenkonvergenz gibt. Die Schleuserbanden haben kein Interesse an vielen Toten auf dem Mittelmeer, … Gleichzeitig wollen die NGO mit ihren Einsätzen möglich viele Menschenleben retten“.

Wenn man die affektive Verpackung aus dem Hause des naiven Gutmenschen einmal beiseite lässt, dann kann man feststellen, dass Schleuser und NGOs genau dieselben Interessen haben, nämlich die, möglichst viele Flüchtlinge auf den Europäischen Kontinent zu bringen. Für die Schleuser hat eine hohe Erfolgsquote eine hohe Nachfrage durch Flüchtlinge zur Folge. Für die NGOs haben viele gerettete Flüchtlinge nicht nur viele Sterne im Himmel der Gutmenschen zur Folge, sie haben vermutlich auch einen finanziellen Nutzen, der z.B. über Spenden für diejenigen, die die armen Flüchtlinge im Mittelmeer retten, geschaffen wird. Die Seerettung und die entsprechenden Berichte in den Medien sind das beste Marketing, das sich die NGOs wünschen können. Die Spendenkassen klingeln.

Tatsächlich ist die unbequeme Wahrheit, die Wahrheit, die niemand gerne hört, schon gar nicht diejenigen, die ihre moralische Überlegenheit dadurch zeigen wollen, dass sie „für Flüchtlinge“ sind, ganz einfach und z.B. in der Kriminologie seit Jahrzehnten bekannt:

Je höher das Risiko einer Flucht über das Mittelmeer, desto geringer die Nachfrage nach dem Angebot „Flucht“.
Wenn Schleuser also immer mehr Menschen in immer schlechtere Boate setzen, wie die Pseudo-Faktenfinder mit einem Druck auf die Tränendrüse feststellen, dann schaden sie damit ihrem eigenen Geschäft. Derart opportunistisches Verhalten kann man sich nur dann leisten, wenn ein „one-shot-game“ gespielt wird. Wenn der Anbieter von Fluchtleistungen sich nach dem Sinken seines Schiffes zur Ruhe setzen kann.

Die Schlepper betreiben jedoch ein dauerhaftes Geschäft. Sie wollen auch morgen noch Kasse machen. Also muss man aus der Tatsache, dass sie Seelenverkäufer zur See schicken, schließen, dass sie sich zu 95% sicher sind, dass die Flüchtlinge auf den Seelenverkäufern gerettet werden. Die 5% Unsicherheit sind Kollateralschäden in Form von Ertrunkenen, die notwendig sind, um einerseits die hohen Schlepperkosten aufrecht zu erhalten, andererseits die Anwesenheit der NGOs im Mittelmeer zu rechtfertigen, denn wenn keine Flüchtline ertrinken, benötigt man keine NGOs.

Zudem geht von Ertrunkenen eine Wirkung auf das Spendenaufkommen aus, denn die entsprechenden Berichte, gepaart mit dem Hinweis, dass NGOs Flüchtlinge retten, lassen die Kassen klingeln.

Man kann also feststellen, dass sowohl Schleuser als auch NGOs ein Interesse daran haben, dass viele Flüchtlinge die Fluchtleistungen nachfragen und dass einige davon ertrinken.

Die hohe Nachfrage nach Fluchtleistungen wiederum hängt davon ab, dass das Risiko kalkulierbar bleibt. Hier spielen die NGOs eine wichtige Rolle, denn mit ihrer Anwesenheit machen sie die Flucht der meisten Flüchtlinge zu einer Überfahrt, die maximal 24 Seemeilen vor der Lybischen Küste beginnt und weitere gut 300 Seemeilen mit dem Anlegen in Italien endet.

Das folgende Video zeigt den Transit der NGO-Schiffe (den Shuttle-Betrieb), die Flüchtlinge für rund 80% der Entfernung zwischen Lybien und Italien befördern.

Die Flüchtlingsorganisationen, die für den Transit verantwortlich sind, sind die folgenden:
MOAS, Jugend Rettet, Stichting Bootvluchting, Médecins Sans Frontières, Save the Children, Proactiva Open Arms, Sea-Watch.org, Sea-Eye and Life Boat.

Wenn die ARD-Pseudo-Faktenfinder wirkliche Faktenfinder werden wollen, dann müssen sie in Zukunft nicht nur versuchen, die Aussagen zu sammeln, die für die Meinung sprechen, die sie als Wahrheit verkaufen wollen, sondern auch Aussagen, die das Gegenteil zeigen, die Zweifel daran wecken, dass es NGOs wirklich nur darum geht, Flüchtlinge zu retten.

Und wenn ARD-Psudo-Faktenfinder wirkliche Faktenfinder werden wollen, dann müssen sie sich den unangenehmen Zusammenhängen, wie sie sich aus der Möglichkeit opportunistischen Verhaltens ergeben, stellen und diese unangenehmen Zusammenhänge sie lauten schlicht und ergreifend: Ob es Absprachen zwischen Schlepperbanden und NGOs gibt, ist vollkommen uninteressant. Aufgrund der Interessenkollusion von NGOs und Schleppern ist klar, das beider Interesse am besten gedient ist, wenn viele Flüchtlinge kommen und wenige davon ertrinken. Das hat die optimale Nachfrage nach Fluchtleistungen zur Folge, lässt die Kassen von Schlepperorganisationen und die Spendenkassen von NGOs klingeln. Entsprechend muss man außerdem feststellen, dass es ohne NGOs, die Flüchtlinge retten, ein Abebben der Flüchtlingswelle gegeben hätte oder ein Aufrüsten der Schlepperflotte. Ersteres, weil Flüchtlinge ja gerade fliehen, um ihr Leben zu retten, nicht um es mit hoher Sicherheit auf der Flucht zu verlieren. Letzteres, weil Schlepper, wenn sie ihr Fluchtgeschäft ohne NGOs aufrecht erhalten wollten, zwangsläufig für einen sichereren Transit über das Mittelmeer sorgen müssten. Das müssen sie nicht, weil es NGOs gibt. Weil es NGOs mit Ihren Schiffen im Mittelmeer gibt, verdienen Schlepper weit mehr als sie ohne NGOs verdienen würden. Weil es NGOs mit ihren Schiffen im Mittelmeer gibt steigt die Zahl der Flüchtlinge, die versuchen, auf diesem Weg nach Europa zu gelangen, kontinuierlich an.

Wer sich selbst ein Bild davon machen will, welcher Verkehr vor der Küste Lybiens ist, der kann dies mit Marine Traffic tun.

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