Schulen werden politisiert: Der Sachsen-CDU geht der A…llerwerteste auf Grundeis

Die AfD hat in Sachsen mehr Zweitstimmen erreicht als die CDU. Im Sommer 2019 wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Wenn Angela Merkel es schafft, eine Regierung mit wem auch immer zusammenzuschustern und bis Sommer 2019 durchhält, dann befinden wir uns in der Mitte der Legislaturperiode. Die Landtagswahl in Sachsen ist eine klassische Nebenwahl, die noch dazu zu einem Zeitpunkt stattfindet, zu dem sich die Stimmanteile der Parteien, die an der Bundesregierung beteiligt sind, einem Tiefpunkt nähern, ehe sie sich wieder etwas erholen, je näher es zur nächsten Haupt-, also Bundestagswahl geht.

Diese Beschreibung der Entwicklung der Stimmanteile die Regierungsparteien in Nebenwahlen erhalten, ist ein Extrakt aus der sogenannten Nebenwahltheorie, die zu den wenigen Theorien der Politikwissenschaft gehört, die sich bewährt haben – vermutlich ist sie deshalb weitgehend in Vergessenheit geraten.

Nimmt man das Gesagte zusammen und unterstellt, dass der derzeitige sächsische Ministerpräsident, Stanislaw Tillich, dessen CDU sich in einer Koalition mit der SPD befindet, die Nebenwahltheorie kennt, dann liegt der Schluss nahe, der in der Überschrift bereits gezogen wurde.

Was tun?
Das hat sich schon Lenin gefragt und auf die Indoktrination der Jugendlichen und deren Heranbildung als Parteikader gesetzt.
Was tun?
Das hat man sich auch in Sachsen ob der Aussicht, mit einer AfD-Mehrheit bei der nächsten Landtagswahl konfrontiert zu sein, gefragt.

Brunhild Kurth (CDU), in Sachsen für Kultusangelegenheiten zuständig, hat eine Antwort: Die politische Bildung an Schulen solle gestärkt werden. Ein Expertengremium habe ein Handlungskonzept „W wie Werte“ vorgeschlagen, das umgesetzt werden solle, damit – das hat Kurth nicht gesagt – sich der Wahlerfolg der AfD in zwei Jahren nicht wiederholt.

Wir haben uns das Handlungskonzept mit dem phantasielosen Namen angesehen. Hier unsere Einschätzung.

Das Handlungskonzept unterteilt sich in fünf Teile, die die Schulkultur, das Management und die Führung von Schulen, die Kooperation von Schulen, die Entwicklung der Professionalität und das Lehren und Lernen umfassen. Immerhin hat man sich beim letzten Punkt daran erinnert, dass Schulen eigentlich dazu da sind, Kindern und Jugendlichen Wissen beizubringen, das sie im Leben brauchen können: Algebra, Rechtschreibung, Logik. Von dem, was die „Experten“ des „Expertengremiums“ Schülern vermitteln wollen, wäre indes noch zu klären, ob es von Schülern in deren Leben gebraucht werden kann.

Doch beginnen wir mit den Zielen und Inhalten, die ohne Gliederungspunkt im Handlungskonzept herumstehen. Die Schule, so heißt es, sei „per se ein politischer Raum, der die Kontroversität, die Heterogenität und den Pluralismus einer Gesellschaft thematisieren muss, um das Wertgerüst der freiheitlich-demokratischen Grundordnung als verbindlichen Konsens sicht-, erleb- und lernbar zu machen“ (2-3).

Wer Experten hat, die einen solchen Unsinn schreiben, der muss sich nicht wundern, wenn Schüler sich von dem, was ihnen in Schulen mit der Brechstange eingeprügelt werden soll, abwenden. Renitenz nennt man ein entsprechendes Phänomen in der Sozialpsychologie. Die angeblichen Experten haben davon offensichtlich noch nicht gehört.

Doch zurück zum oben zitierten Unsinn. Wenn man jeden Humbug zum Politischen erklärt, dann wird alles zum politischen Raum. Wenn man die Ansammlung von Personen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Geschlechts und unterschiedlicher Position in der Sozialstruktur zur Kontroversität, Heterogenität, ja zum Pluralismus stilisiert, dann wird selbst der Besuch im Supermarkt zu einem politischen Ereignis, der Supermarkt zum politischen Raum. Alle Räume, in denen unterschiedliche Menschen zusammentreffen, werden zum politischen Raum: Das Flugzeug, die Bundesbahn, das Fußballstadion, der Stau auf der Autobahn, die Kantine bei SAP, der Stadtpark, alles politische Räume. Manche Experten sind eben Experten für Unsinn. Und es ist Unsinn, die Schule zum politischen Raum zu erklären. Schüler sollen in Schulen formales Wissen vermittelt bekommen, damit sie selbständig und eigenverantwortlich leben können, wie die Experten im Verlauf ihres „Handlungskonzeptes“ pflichtschuldig zitieren.

Wenn aber ein Konsens als verbindlich vorgegeben wird, wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung als das in Schulen transportiert wird, was wie der Katechismus der Katholischen Kirche über jeden Zweifel erhaben ist, dann wird die Demokratie gerade abgeschafft. Demokratie benötigt nämlich keine totalitären Bildungsdiktatoren, die die freiheitlichen Werte und Überzeugungen in die Köpfe wehrloser Schüler hämmern. Demokratie benötigt denkfähige und verantwortungsvolle Menschen, aber gerade die werden durch die Erziehung zur Demokratie verhindert.

Das erschreckende an Versuchen, Schüler zur Demokratie zu erziehen, ihnen die Werte, die Erwachsene für demokratische Werte halten, einzubläuen, ist die Prämisse, dass sich Demokratie als solche ohne gewaltsame Demokratieerziehung nie durchsetzen kann. Wenn man Kindern nicht rechtzeitig den demokratischen Konsens als erstes und letztes Gebot vorgibt, dann, so meinen die Demokratieerzieher, dann sei die Demokratie verloren. Wie armselig ihr Denken und ihre Achtung vor dem, was andere selbständig zu denken in der Lage sind, doch ist. Wie auswendig gelernt ihr eigenes Wissen um die Demokratie doch sein muss und wie wenig Gründe sie selbst dafür zu kennen scheinen, warum eine Demokratie der beste Entwurf eines Zusammenlebens ist. Und ausgerechnet diese Armseligkeit ist in Sachsen Experte geworden und hat ein Handlungskonzept beschlossen.

Jenes Handlungskonzept, das in der Sprache der Manager gehalten ist, also jener Sprache, die sich nicht auf die Wirklichkeit bezieht, sondern auf eine begriffliche Welt, in der Erscheinungen wie die „Erziehung zum Gespräch“, die „Einübung sozialer und kommunikativer Fähigkeiten, insbesondere Konfliktfähigkeit als individuelle soziale Kompetenz“ vorkommen, von denen niemand weiß, was sie bedeuten, an denen sich diejenigen, die sie standardmäßig aus ihrem Floskelrepertoire ziehen, um sie Auftraggebern gewichtig um die Ohren zu hauen, aber unmäßig berauschen können. Das Handlungskonzept der Sachsen-Experten, es ist voll der Floskeln, die Politiker zufriedenstellen, weil Politiker leicht zufrieden zu stellen sind. Formulierungen wie „aktiv Verantwortung … übernehmen“, in „zentrale schulische Entscheidungen einbezogen werden“, ein „starkes Unterstützungssystem“ „Peer Education“, „Hervorhebung von Lebenskompetenz“, „Demokratische Schulkultur“, „dialogisch angelegte Entwicklungsprozesse“, „Erlenen und Erleben von solidarischem Handeln“ und so weiter, sie sind Legion im Handlungskonzept. Die politischen Auftraggeber werden sich zweifellos daran berauschen. Die, die sich fragen müssen, was damit gemeint sein könnte und was sie nun als Grundschullehrer tun sollen, um „Konfliktfähigkeit als individuelle soziale Kompetenz“ an Drittklässler zu vermitteln oder wie die „aktive Verantwortung“ der Erstklässler für „zentrale schulische Entscheidungen“ aussehen soll, sie stehen schon vor einem größeren Problem, einem Problem, das man nicht dadurch lösen kann, dass man das Handlungskonzept der Experten als den Quatsch benennt, den es nun einmal darstellt, als Quatsch, an dessen Formulierung sich Begriffsfetischisten selbst befriedigt haben, so sehr, dass es ihnen nicht einmal mehr aufgefallen ist, dass sie von einem „intelligenten Wissen“ (15) faseln.

Nun könnte man den Expertenquatsch, der Handlungskonzept geworden ist, abtun und vermutlich wäre es das beste, er würde abgetan. Das wird er aber nicht, denn er sieht die Verpflichtung aller Lehrer vor, „demokratische Schulkultur“ zu erlernen. Was eine demokratische Schulkultur darstellt, wie sie vermittelt wird und ob man Lehrer ihrer demokratischen Grundfreiheiten berauben darf, indem man sie zu Handlangern politischer Entscheider erklärt, das sind bislang alles ungeklärte Fragen. Aber es sind Fragen, die so oder so geklärt werden werden. Lenin hat seine politischen Kommissare, die die Parteidisziplin durchgesetzt, die Ideologie festgenagelt und die Nomenklatura vorbereitet haben, in sehr kurzer Zeit installiert. Was Lenin konnte, das kann die Sächsische CDU schon lange und im Gegensatz zu Lenin hat die Sachsen-CDU Experten und Handlungskonzepte von Experten.

Das eigentlich Bedenkliche am Handlungskonzept, das in Sachsen eingeführt werden soll, ist jedoch nicht seine Vagheit bzw. der Fakt, dass niemand weiß, wie die Handlung, die vom Handlungskonzept konzeptualisiert werden soll, eigentlich aussieht. Das Bedenklich ist, dass begraben unter dem Wust der nichtsagenden Begriffe der Versuch versteckt ist, Akteuren Einfluss auf Schulen zu geben, die bestenfalls ideologische Verbildung anstreben können und deren Ziel gerade nicht darin besteht, Schüler zu selbständigen und eigenverantwortlichen Akteuren zu erziehen. So kommen regelmäßig nicht näher benannte externe Experten vor, die mit ihrer Expertise Hilfestellung für Lehrer geben sollen. Von nichtstaatlichen Akteuren, die Angebote für Schulen bereithalten, ist die Rede, Angebote, die Zivilcourage und den Kampf gegen Rassismus zum Gegenstand haben. Vond en politischen Stiftungen der Parteien, von denen bekannt ist, dass sie viel tun, um Fakten in ihren jeweiligen politischen Farben zu (er)tränken, ist explizit die Rede, wenn es darum geht, „die richtigen … Experten oder Lernorte für Bedarfe zu finden“. Welche Bedarfe es sind, für die ausgerechnet politische Stiftungen von Parteien einen Zugriff auf Experten haben sollen [vielleicht kann Andreas Kemper als Experte der Heinrich-Böll-Stiftung Schülern Nachhilfe darin erteilen, wie man Dritte diskreditiert und an einen Online-Pranger stellt?], das bleibt offen.

Nicht offen bleibt die ideologische Gesinnung der Experten, die dieses Handlungskonzept zu verantworten haben. Sie wollen, dass Schüler „solidarisches Handeln und Verantwortungsübernahme in einer globalisierten Gesellschaft“ erlernen und erleben. Die Teilnahme an einer Demonstration gegen die G20 ist mit diesem Ziel leichter zu vereinbaren als ein Praktikum an der Frankfurter Börse. Und somit weiß man auch, wessen Geistes Kind die Experten sind, die in Sachsen ihre Gleichgesinnten in politischen Stiftungen und entsprechenden nichtstaatlichen Organisationen auf Schüler loslassen wollen.

Wer seine Kinder in staatliche Schulen in Sachsen steckt, muss also damit rechnen, dass die staatlichen Schulen von nichtstaatlichen und politischen Akteuren dazu benutzt werden, die Kinder zu ideologischen Dummies dessen zu machen, was man als demokratischen Crashtest bezeichnen kann, denn Demokratie lebt nicht davon, dass Kinder Werte aufsagen können, die Erwachsene ihnen vorbeten, sondern davon, dass Handlungen von Vernunft geleitet sind. Letzteres setzt eine Entwicklung voraus, in deren Verlauf auch einmal ein Konsens in Frage gestellt werden kann. Ersteres setzt das bedingungs- und gedankenlose Ausführen von staatlichen Vorgaben voraus.

Die Zeiten, in denen die Kirche oder die Partei immer Recht hatte, sie werden in Sachsen neu eingeläutet. Die entsprechende Abstimmung muss mit den Füßen erfolgen, entweder von staatlichen in private Schulen oder in Schulen im Ausland, Schulen, bei denen nicht die Indoktrination von Schülern im Vordergrund steht, sondern die Vermittlung von Fähigkeiten.

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