Telekom für Schlafstörungen verantwortlich: Droht Klagewelle?

Die Wissenschaft hat festgestellt, dass …

Unsere Lieblingsschlagzeile für heute:

Wer noch zu später Stunde vor dem Bildschirm sitzt, schläft weniger …

Monika Wimmer von der Pressestelle des Sozioökonomischen Panels ist für diese herausragende Leistung der tautologischen Sprachbenutzung verantwortlich. Wir ziehen unseren Hut.

Wir wären nicht auf die Idee gekommen, dass die Leute, die früh ins Bett gehen, mehr Schlaf abbekommen als die, die spät ins Bett gehen. Und was wir auch nie gedacht hätten ist: „Der Schlaf von Menschen, die morgens nicht früh aufstehen müssen, wird durch die Mediennutzung zu später Stunde nicht beeinträchtigt“.

Wer lange schläft, schläft eben länger.

Ohne diese Erkenntnis hätten wir heute Nacht nicht schlafen können.

Wir verdanken sie nicht nur Monika Wimmer, sondern auch Francesco Billari, Osea Giuntella und Luca Stella, die die Daten des SOEP benutzt haben.

Billari, Giuntella und Stella haben nicht nur das SOEP benutzt, sie haben auch TUS benutzt, den „German Time Use Survey“. Mauschelt man TUS und SOEP zusammen, dann kommen 24.680 Befragte und 43.162 Beobachtungen dabei heraus. Davon stammen 5.587 Befragte und 10.869 Beobachtungen aus dem TUS. Die Beobachtungen, aus dem TUS sind z.B.:

  • Ob ein Befragter den PC oder ein Smartphone zwischen 23.00 Uhr und 23.10 Uhr benutzt hat;
  • Ob ein Befragter ein Computerspiel zwischen 23.00 Uhr und 23.10 Uhr benutzt hat;
  • Ob ein Befragter zwischen 23.00 Uhr und 23.10 Uhr Fernsehen geschaut hat.
  • Wie viele Stunden ein Befragter pro Nacht schläft.

Wichtige Informationen!

Das glauben Sie nicht.

Warten Sie nur ab.

Aus dem SOEP kommen natürlich auch wichtige Informationen, nämlich:

  • Ob ein Befragter einen DSL-Anschluss zur Verfügung hat;
  • Wie viele Stunden er pro Nacht schläft.

Und dann gibt es noch weitere wichtige Informationen, damit die Regressionsgleichung schön lang wird und nicht nur aus Popel y = ax + b besteht:

  • Ob Glasfaser verlegt wurde;
  • Wie weit die DSL-Leitung vom nächsten Verteiler entfernt ist (das beeinflusse den Preis und die Geschwindigkeit, sagen die Autoren);

Und dann rechnen sie.

Hier die spärlichen Ergebnisse in unserer Sprache:

  • Aus dem TUS:
    • Wer um 23.10 Uhr noch Computerspiele spielt, Fernsehen schaut oder einen PC oder ein Smartphone benutzt, schläft tendenziell weniger als jemand, der das nicht tut.
  • Aus dem SOEP:
    • Wer eine DSL-Leitung hat, schläft tendenziell weniger;

Wir schreiben „tendenziell“ weil die ausgewiesenen Koeffizienten doch sehr popelig sind, so zwischen 0.01 und 0.042. Eher das, was man als nicht der Rede wert bezeichnen würde. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die Autoren keine Angaben über die erklärte Varianz, also die Güte ihrer Modelle machen.

Nun fragt man sich, was hat das Ganze mit der DSL-Leitung zu tun. Die Antwort drängt sich auf. Wie, Ihnen nicht?

Wir zitieren:

“Taken together, our findings suggest that there may be substantial detrimental effects of broadband Internet on sleep duration and quality through its effects on technology use near bedtime.”

Oder noch etwas dramatisierter aus der Pressemeldung:

“Besonders der Schlaf junger Menschen unter 30 Jahren, die einen DSL-Anschluss nutzen, ist gefährdet”, sagt der Ökonom Luca Stella. Schuld sind natürlich PC, Smartphone und Computerspiele – wie könnte es anders sein. Fernsehen ist nicht der Rede wert, sorgt ja auch eher für Schlaf, als dass es Schlaflosigkeit zur Folge hätte.

Wenn also Personen aus einem Datensatz zwischen 23.00 Uhr und 23.10 Uhr einen Computer, Smartphone etc. benutzt haben, weniger Zeit angeben, die sie verschlafen als Personen, die zwischen 23.00 Uhr und 23.10 Uhr keinen Computer, kein Smartphone etc. benutzt haben und wenn in einem ganz anderen Datensatz, in dem ganz andere Befragte die Länge ihres durchschnittlichen Schlafes geschätzt haben und auf die Frage, ob sie denn einen DSL-Anschluss ins Internet haben, geantwortet haben und beides in der Weise zusammenhängt, dass die, die DSL haben, weniger schlafen als die, die kein DSL haben, dann folgt für die Autoren daraus, dass die Nutzung von Computer, Smartphone etc. zum einen schlafraubend ist und zum anderen auf den DSL-Anschluss zurückgeht.

Leute, baut eure DSL-Anschlüsse ab, verklagt die Telekom, denn der Schlafmangel wird von DSL-Anschlüssen verursacht.

Andererseits könnte es natürlich so sein, dass diejenigen, die zwischen 23.00 Uhr und 23.10 Uhr die Teufelswerkzeuge moderner Technologie benutzen, die über DSL noch teuflischer werden, das tun, weil sie nicht schlafen können. Ah, das ist nicht ideologiekonform und überhaupt: Experten, nein „ExpertInnen“ haben „eine Schlafdauer von 7 bis 9 Stunden“ als „gesund“ deklariert. Wer würde es da wagen, von dieser von Experten verordneten Schlafdauer abzuweichen?

Offensichtlich gibt es viele, die das tun, die weniger schlafen, dahingestellt, ob sie das tun, weil sie nicht schlafen können oder nicht schlafen wollen. Bislang ist es noch nicht strafbar, weniger als 6 Stunden zu schlafen, bislang gibt es noch keine Verordnung, die die allgemeine Schlafdauer auf mindestens 7 Stunden festlegt, und es gibt noch keine flankierenden Maßnahmen, also ab 23. Uhr keinen Strom mehr für Privathaushalte, um die minimale Schlafdauer von 7 Stunden auch durchzusetzen. Aber wir arbeiten dran.

Junk Science, produziert von besorgten „Ökonomen“, die ihre Freude daran, das von Expertenvorgaben abweichende Verhalten anderer zu maßregeln, entdeckt haben, bereiten gerade den Weg. Und wer partout nicht schlafen will, der bekommt eben eine Schlaftablette verordnet. Denn: 7 Stunden müssen es mindestens sein. 7 Stunden sind gesund. Experten haben es gesagt. Abweichungen vom Plansoll an Schlaf werden nicht toleriert.
gez. Der Staatsratsvorsitzende.

Der ScienceFiles-Medizinmann empfiehlt:

Wer Schlafmangel hat, der kann auch den Text von Billari, Giuntella und Stella lesen.

Anregungen? Hinweise? Kontaktieren Sie ScienceFiles

Folgen Sie uns auf Telegram.
Anregungen, Hinweise, Kontakt? -> Redaktion @ Sciencefiles.org
Wenn Ihnen gefällt, was Sie bei uns lesen, dann bitten wir Sie, uns zu unterstützen. ScienceFiles lebt weitgehend von Spenden. Helfen Sie uns, ScienceFiles auf eine solide finanzielle Basis zu stellen.
Wir haben drei sichere Spendenmöglichkeiten:

Donorbox

Unterstützen Sie ScienceFiles


Unsere eigene ScienceFiles-Spendenfunktion

Zum Spenden einfach klicken

Unser Spendenkonto bei Halifax:

ScienceFiles Spendenkonto: HALIFAX (Konto-Inhaber: Michael Klein):
  • IBAN: GB15 HLFX 1100 3311 0902 67
  • BIC: HLFXGB21B24

Print Friendly, PDF & Email
11 Comments

Schreibe eine Antwort zu einfallslosAntwort abbrechen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Entdecke mehr von SciFi

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen

Entdecke mehr von SciFi

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen