Microtargeting = Makro-Unsinn – Post, Cambridge Analytica und andere Anbieter von Wunderelixieren

Das Aufregungspotential, das mit Horrormeldungen über den Datenmissbrauch, den gläsernen Bürger, den manipulierbaren Bürger verbunden ist, steht in einem umgekehrt linearen Verhältnis der Kenntnisse dessen, was Grundlage der Horrormeldungen ist. Besonders Linke waren immer für Geschichten über Wunderelixiere der ewigen Regentschaft, des ewigen Gewähltwerdens oder der einfachen Wählermanipulation empfänglich. Vor allem Linke haben eine Heidenangst davor, dass ihre „privaten Daten“ öffentlich werden und finden doch nichts dabei, sich gegenüber ihrem zuständigen Finanzamt und im metaphorischen Sinne bis auf die Unterhosen zu entkleiden (geschweige denn, dass sie ein Problem damit hätten, anderen das Recht einzuräumen, am Flughafen Menschen bis auf die Unterhosen zu durchleuchten). Datenschutz erstreckt sich immer nur auf die Daten, die als persönlich bezeichnet werden, aber abwesend sind, wenn ein Mensch persönlich anwesend ist.

Soviel vorab.

Nun zum Post-Skandal, einer Neuauflage des Cambridge Analytica Skandals. In beiden Skandalen spielt vor allem das Wunderelixier des Microtargeting eine herausragende Rolle. Ihm gilt die gesammelte Aufregung von “linken Netzexpertinnen“, von denen niemand weiß, was genau sie zur Expertin macht, die aber dennoch in der Welt gegen die vermeintliche Weitergabe privater Daten wettern dürfen. Auch Datenschutzbeauftrage aus dem Norden der Republik fordern eine Neubewertung des Microtargeting, weil es die Möglichkeit biete, den Wählerwillen zu manipulieren.

Der Unsinn der Wählermanipulation durch Microtargeting, er wurde zuerst von Hannes Gassegger und Mikael Krogerus in einem Beitrag für „Das Magazin“ aufgebracht. Cambridge Analytica, so die Behauptung, könne auf Grundlage von Daten, die das Unternehmen in sozialen Netzwerken und überall, wo man Daten sammeln kann, zusammentrage, so große Datensätze zusammenstellen, dass es möglich sei, individuelle Menschen in ihrem Wahlverhalten zu beeinflussen, sie zu manipulieren. Derartige Beiträge sind immer sehr detailliert, wenn es darum geht, die vermeintlichen Gefahren auszumalen, die mit Daten, mit vielen Daten verbunden sind, aber unglaublich lückenhaft, wenn es darum geht zu erklären, wie es möglich sein soll, mit aggregierten Daten (dazu gleich) individuelles Verhalten zu beeinflussen. Es ist sicher kein Zufall, dass die Macht des Microtargeting von Linken beschworen wird und immer dann beschworen wird, wenn sie mit Wahl-Ergebnissen konfrontiert sind, die ihnen nicht passen. Microtargeting ist für den Brexit verantwortlich, so mutmaßen sie, und Trump wäre ohne Microtargeting nicht gewählt worden, so die nächste Konfabulation und konfabulieren müssen sie, weil sie nicht wissen, wovon sie reden. Sie spinnen das „cracking yarn“ weiter und sind nunmehr der Meinung, Microtargeting habe auch die Bundestagswahl beeinflusst.

Wir wollen hier nicht diskutieren, ob das Sammeln von allerhand Daten durch die Post und deren Verkauf an Parteien, ein ethisches Verfahren darstellt, ob es moralisch vertretbar ist, wenn Parteien Steuerzahlern Wahlkampfkostenerstattungen abpressen, um das Geld dazu zu nutzen, Daten über Steuerzahler zu kaufen. Das sollen andere tun. Die Aufgabe, die wir uns gegeben haben und die man in unserem Grundsatzprogramm nachlesen kann, besteht darin, Wissenschaft gegen Humbug zu verteidigen, gegen Anbieter von Wunderelixieren und Versuche, Menschen einen öffentlich(-rechtlich)en Bären aufzubinden.

Was ist Mikrotargeting?

Wer von unseren Lesern hat schon einen IQ-Test im Internet gemacht?
Wer hat schon an einem der vielen kleine Rätsel oder ein Quiz auf Facebook teilgenommen?

Jeder, der das getan hat, hat demjenigen, der den IQ-Text, das Rätsel oder das Quiz bereitstellt, Zugang zu seinem Facebook oder Twitter-Account gewährt und dafür gesorgt, dass alle dort verfügbaren Daten ausgelesen wurden. Als Tausch für das Quiz hat er seine Daten bereitgestellt (Facebook muss die Daten an Cambridge Analytica nicht weitergeben, die kommen auch auf anderen Wegen heran).

Wem Briefe geschickt werden, dessen Adresse ist der Post bekannt. Auf Grundlage seiner Adresse kann die Post nun ganz legal Daten zukaufen oder selbst kodieren. Das Geschlecht ist nach wie vor dem Vornamen zu entnehmen, das Alter kann man von der Krankenkasse oder vom Kraftfahrbundesamt, vom Katasteramt, von der Schufa (?) und anderen Datensammlern bezogen werden und den vorhandenen individuellen Daten zugespielt werden.

Dieser Datensatz ist der Gegenstand linker Hysterie. Ein Datensatz, in dem ihr Name, ihr Einkommen, ihr Geschlecht, ihr Alter, ihr Bildungsabschluss, ihr Pkw-Besitz, die Größe ihrer Familien enthalten ist, ist ihnen selbst dann ein Gräuel, wenn es denselben Datensatz bei ihrem Finanzamt gibt. Das Finanzamt ist jedoch Teil des für Linke guten Staates. Entsprechend echauffieren sie sich über die böse private Post AG.

Die Post bietet nun auf Grundlage ihres Datensatzes ein Microtargeting an, das es ermöglichen soll, Wahlwerbematerialien auf die „CDU-Wahlwahrscheinlichkeit“ zuzuschneiden. Wie geht das, wenn die Post gar nicht weiß, welche Partei die Bewohner der Hauptstraße 37 wählen?

Microtargeting, trägt unter Statistikern den spröden Namen Clusteranalyse.

Die Daten, die zu Individuen gesammelt wurden, werden im ersten Schritt aggregiert. Dabei wird z.B. das konkrete Einkommen zur Einkommensklasse derer, die sagen wir ein geringes, ein mittleres und ein hohes Einkommen oder gar kein Einkommen haben. Aus dem Mann Michael K. wird ein Mitglied der Ausprägung männlich. Er wird einer Altersklasse zugeordnet, die eher am rechten, denn am linken Ende der Altersverteilung liegt. Sein Wohnumfeld wird als wohlhabend eingestuft. Seine Religionszugehörigkeit als katholisch und so weiter.

Im nächsten Schritt kommen Institute wie Infratest Dimap ins Spiel, die sich für die Post Direkt AG verdingen und dabei mitwirken, das Wunderelixier „Microtargeting“ an Politiker, die ja bekanntlich jeden Unsinn glauben, wenn man ihn nur ideologisch richtig verpackt, zu bringen.

Quelle

Die Wahlforschung hat seit Jahrzehnten einen gewissen Korpus von Wahltheorien zusammengetragen, denen man Wahlwahrscheinlichkeiten entnehmen kann. Demnach sind Wähler der CDU eher im katholischen Milieu, in ländlichem Umfeld, in Wohngegenden Gutverdienender, unter Unternehmern, unter älteren Menschen, in Schützenvereinen und dergleichen mehr zu finden. Diese Kenntnisse, die Meinungsforschungsinstitute schon nutzen, um ihre schiefen Datensätze zu begradigen, das nennen sie gewichten, werden nun benutzt, um die Wahrscheinlichkeit, CDU zu wählen, zu bestimmen. Bei der Post geschieht das auf einer Skala von 0 bis 100. 100 stellt den idealen CDU-Wähler dar, wie er auf Basis vergangener Wahlen konstruiert werden kann. Alles, was zwischen 0 und 100 liegt, wird nun als Kombination der gesammelten Daten dargestellt. Eine wahre Berechnungsfiesta, die in hohem Maße fehleranfällig ist, aber danach kräht kein Hahn, denn die Post Direkt GmbH muss CDU und FDP gegenüber die Richtigkeit ihres Microtargetings nicht belegen. Die Leichtgläubigen in beiden Parteien geben das Geld der Steuerzahler gerne in fünfstelliger Höhe aus, um sich einbilden zu können, sie hätten sich einen politischen Vorteil verschafft.

Die statistische Methode, die zur Anwendung kommt, ist in der Regel eine Clusteranalyse, mit der man für bestimmte Stadtbezirke Merkmalscluster bestimmen kann, die wiederum mit Wahlwahrscheinlichkeiten in Verbindung gebracht werden können. Die Post behauptet, die Wahlwahrscheinlichkeit sei bis auf ein Haus mit sechs Mietsparteien genau bestimmbar. Diese Behauptung halten wir bis zum Beweis des Gegenteils und auf Grundlage unserer Erfahrung mit entsprechenden Analysen für Humbug, jedenfalls solange aggregierte Datensätze zum Einsatz kommen. Wenn die Post Direkt AG jedoch gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen würde, nur einmal angenommen, und der CDU nicht aggregierte Daten, sondern Ähnlichkeitsauszählungen aus ihrem Individual-Datensatz verkauft hätte, müsste man die Sache neu bewerten.

Daran, dass die CDU-Wahlwahrscheinlichkeit nach wie vor eine Schätzung ist, die über sozialstrukturelle Determinanten erfolgt, die jeder Wahlforscher im Schlaf aufzählen und man in jeder Wahlstatistik des Bundeswahlleiters nachlesen kann, ändert dies alles nichts. Es geht lediglich um die Frage, ob ein datenschutzrechtlich betrachtet, elaborierter Humbug oder ein unbedenklicher kruder Humbug an Parteien verkauft wird.

Kurz: Microtargeting ist der neueste Hype unter den statistisch Unkundigen, unter denen, die die Erzählung, nach der Wahlen dann, wenn der Ausgang nicht den eigenen Interessen entspricht, manipuliert wurden, aufrechterhalten wollen  und unter denen, die ständig nach etwas Ausschau halten, auf dessen Grundlage sie sich, in aller Unkenntnis profilieren zu können glauben.

Aber Microtargeting ist Makro-Unsinn, der viel verspricht und wenig hält und letztlich nur Altbekanntes als Innovation an diejenigen verkaufen will, die es nicht besser wissen.

Aber selbst wenn es mit Microtargeting möglich wäre, die Wahrscheinlichkeit der Wahl der CDU exakt zu bestimmen: Was wäre dann? Wo ist die Verbindung zur Wählermanipulation, die Datenschutzbeauftragte sehen? Wie wird aus der Postwurfsendung, die auf einen CDU-Wähler zugeschnitten ist, das unbeabsichtigte Kreuz im Kreis der CDU?

Wie so oft, wenn man hinter die Hysterie und die professionelle Aufgeregtheit derer blickt, die dafür bezahlt werden, dass sie sich aufregen, schon weil sie nicht vielmehr können als sich aufzuregen, bleibt wenig übrig. Haben Sie sich jemals von Wahlwerbematerialien beeinflussen lassen? Wir auch nicht. Warum sollte man annehmen wollen, bei anderen Menschen sei dies anders? Und überhaupt, folgt Microtargeting nicht dem falschen Ansatz: Worin besteht der Gewinn, wenn man einen sicheren CDU-Wähler mit einer auf ihn zugeschnittenen Werbesendung zur CDU-Wahl bewegt, die er sowieso getätigt hätte? Sicher, Parteien müssen ihre Wähler mobilisieren, aber es gibt keinerlei Beleg für die Annahme, dass Mobilisierung über Postwurfsendungen erfolgt, dass Werbematerialien überhaupt einen Einfluss auf Wahlverhalten ausüben. Und wie manipuliert man einen nicht-CDU-Wähler mit einer Postwurfsendung zur Wahl der CDU?

Hier soll wieder eine Scheindiskussion, deren Substanz aus Erregung besteht, aufgebaut werden, um die eigene politische Erzählung, nach der Wähler dumm und manipulierbar sind und dann, wenn sie eine andere Partei als die eigene wählen, manipuliert worden sein müssen, zu verbreiten. Und daran kann man sie erkennen, die Dummen und die Opportunisten: Sie sind die einzigen, die an die Wirksamkeit der beschriebenen Methode des Microtargetings glauben (wollen).

Die Fragen, ob es ethisch vertretbar ist, dass die Post AG eigene Daten über Wähler mit fremden Daten anfüttert und an Parteien verkauft und ob es moralisch ist, wenn Parteien Geld von Wählern benutzen, um diejenigen zu bezahlen, die Daten über Wähler sammeln, sind damit nicht beantwortet. Es ist nur festgestellt, dass Parteien keine Skrupel haben, Datensammler über Wähler finanziell zu unterstützen, auch dann nicht, wenn man ihnen ein Wunderelixier angedreht hat, das im besten Fall keine negative Wirkung oder gar keine Wirkung hat.


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