Schulstress: Eine Erfindung der 1970er Jahre
Denken Sie zurück:
Wie sehr hat Sie die Schule gestresst?
Wenn wir älteren an die Schule zurückdenken, dann mangelt es der Erinnerung zumeist an Schulstress. Irgendwie kommt Schulstress nicht wirklich vor. Entweder, wir waren weniger gestresst als die heutigen Schüler oder die Schule war nicht so stressig, wie sie das heute ist, was bedeuten würde, dass der Stress in der Schule in dem Maße gestiegen ist, wie der Anteil der weiblichen Lehrer gestiegen ist.
Aber bevor Sie sich hier auf naheliegende Korrelationen stürzen und sie zur Kausalität erheben, haben wir noch etwas ganz anderes als Erklärung anzubieten. Schulstress wurde erst in den 1970er Jahren als Konzept erfunden. Kein Wunder also, dass wir älteren uns nicht an Schulstress erinnern können. Als wir zur Schule gingen, gab es noch keinen Schulstress.
Alte Bücher, die heute meist vergriffen sind, verraten diese Wahrheiten noch:
„Obwohl der Theoretiker des Streß, Selve (1953), ursprünglich mit seinem Konzept nur physische Reizung meinte, so etwa in Form von ungewöhnlicher Hitze oder Kälte, einer Kontaminierung mit außerordentlich hohen Mengen an Krankheitskeimen, wurde der Streßbegriff sehr bald auch auf psychische, soziale Belastungen oder Überlastungen ausgedehnt. Auch das Bildungssystem wurde bald von dieser Diskussion erfaßt – und so entstand Mitte der 70er Jahre eine regelrechte Kampagne gegen den Schulstreß. Tatsächlich ist die Schule ein Ort, an dem Jugendliche gewollt belastet werden“
Und an anderer Stelle:
„Streß wird hierbei keineswegs als prinzipiell schädlich angesehen, sondern als eine Möglichkeit, zunehmend Abhärtung und Widerstand gegenüber … ungewöhnlichen Reizanforderungen herauszubilden. Zwar wird bei Streß der Organismus ungewöhnlich stark beansprucht, doch kann diese überstarke Beanspruchung zu kreativen Anpassungsleistungen des Organismus an die Reaktion führen …“
Aus: Marschall, Peter & Zenz, Helmuth (1975). Körperliches und seelisches Wohlbefinden in der Schule und im Studium. In: Reimann, Helga & Reimann, Horst (Hrsg.). Die Jugend. Einführung in die interdisziplinäre Juventologie. Opladen: Westdeutscher Verlag, S.174-175
Man sieht, wie der Zeitgeist das Wohlbefinden beeinflussen kann…
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Stimmt ! Auch ich kenne als nunmehr 64jähriger absolut keinen Schulstress ! Klar, manche Lehrer waren blöd und nervig – aber STRESS ??? Unsere Lehrer huldigten dem Ausspruch : “Der Mensch wächst mit ( an ) seinen Aufgaben !” Eine persönliche Anmerkung noch dazu : Der Anteil männlicher Lehrer lag bei ca. 70% – von den weiblichen waren ungefähr die Hälfte in Ordnung, wenn auch etwas sehr streng ( Aber : KEIN STRESS !), die andere Hälfte waren zumeist grüne Spinnerinnen, die kaum jemand ernst nahm. ( D a s war STRESS ! )
Stimmt.
Auf unserem Gymnasium für Jungen gab es max. zwei Lehrerinnen (Kunst und Englisch). Bis 1968/69 gab es noch ein klares Ordnungsprinzip, doch dann kam der SDS (Sozialistischer Deutscher Schülerbund)…..
Och, ab und zu hatte ich schon Schulstress, nämlich wenn ich mal wieder nicht genug für die Matheklausur geübt hatte.
Na, vielleicht sollte man psychischen Stress – im Gegensatz zu hoher Belastung – doch klarer definieren:
Hohe Anforderungen können hohe Belastungen auslösen, machmal sehr hohe.
Das ist aber kein Stresss.
Stress ist eine Belastung/Anforderung, die ich nicht erfüllen kann. Im Geschichtsuntericht: Wann war die Isonzo-Schlacht? Wer war der berühmte Großvater von Ludwig XIV? Oder in Latein: Wie lautet der Plusquamperfekt von “facere”?
Dann kommt man ins Schwitzen, denn die Lösung weiß man einfach nicht.
Kleiner Scherz am Rande: Ein Mitschüler übersetzte den lateinischen Satz “Frater meus major est quam ego.” (Mein Bruder ist größer als ich) mit “Mein Bruder ist genauso Major wie ich.”
Doch, diesen Schulstress habe ich reichlich kennengelernt.
Und der war wichtig: Der hat motiviert, es besser zu wissen, um nicht wieder ins Schwitzen zu kommen.
Aber vermeiden konnte ich ihn nicht: Es war mir schlicht unmöglich, mich intensiv mit Dingen zu beschäftigen, die ich als zutiefst langweilig oder widerlich empfand, und das war bis zu 50% des Unterrichtes (Geographie, Latein, “Bildbeschreibungen” im Deutschunterricht etc.), während wirklich wichtige Themen vollständig fehlten, etwa: Grundlagen der Medizin; Grundlagen des Rechtssystems und der Rechtsprechung; Geldsystem und Börsen; Ethik und Religionsvergleich, Demokratie und Definition der Menschenrechte, Verfassung versus Grundgesetz und viele, viele mehr.
Doch eine Schule, die einfach nicht den eigenen Vorstellungen entspricht, auf die man ohne zu fragen, geschickt wurde, kann sehr wohl nerven oder Stress auslösen. Ich war ein schlechter Schüler in meiner “alten Schule”,, aber nach Lehre, BW habe ich mir selbst mein Bildungsinstitut ausgesucht, in dem ich mit viel Freude mein ABI gebaut habe.
Streß? Jo, erwischt zu werden wie man im Chemieunterricht während der Versuche hinterrücks Wasser in die Säure goß. Oder wenn es klingelte, wenn man mit Abschreiben noch nicht fertig war. Oder der 5er in Französisch, der dem Pubertierenden durch den Originalimport der Lehrerin versüsst wurde …
Schule? Heutzutage dagegen armselig. Seinerzeit knallte und puffte es noch in Chemie, heutzutage hätte man dagegen die Staatsanwaltschaft im Hause – und so beschäftigen sich die Schüler mit hirn- und eierlosen Krimskrams, wie in einem Nonnenkloster. Gern auch “Sexualkunde”, ersatzweise.
Man spricht ja jetzt statt von Schulstress immer häufiger von „Schüler Burnout“.
Burnout, auch so ein Begriff, der inflationär benutzt wird und mit dem sich gut Geschäfte machen lassen.
Burnout, ein Begriff in den sich sehr schön viel hineininterpretieren lässt.
Dabei bedeutet Burnout lediglich soviel wie „Sinnkrise“, was eigentlich deutlich macht, dass Burnout eine Wohlstandserscheinung ist.
Nur wer viele Wahlmöglichkeiten hat, sei es in der Schulausbildung, in der Berufsausbildung oder in der Berufswahl, der kann auch von einer Sinnkrise überfallen werden. In Entwicklungsländern kennen deshalb die Menschen keinen Burnout.
Ich meine, überhaupt das Wort “Stress” sei in den 70ern aufgekommen. Vorher war der Schultag oder die Arbeit vielleicht einmal “anstrengend”, oder wir hatten viele Hausaufgaben auf. Oder bestimmte Fächer mochte ich nicht, da habe ich nur widerwillig das Nötigste getan. Mit dem Wort “Stress” kam auch die Einstellung, das man Menschen keine Art von Belastung zumuten könne. Unser Sportlehrer war noch der Meinung: “Was nicht tötet, härtet ab.” – ginge heute gar nicht mehr.