Gedenken als Event. Solingen oder: Wie Politiker Stimmung mit Toten machen
Eine Gegenüberstellung:
Solingen: Der Brandanschlag auf ein Wohnhaus, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen und 17 verletzt wurden, jährte sich am 29. Mai zum 25. Mal. Politiker, Heiko Maas und Angela Merkel, haben sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Das Gedenken wurde in großen Stil inszeniert.
Zentrale Gedenkfeier mit Reden von
- Maas,
- Merkel und
- Cavusoglu
am Mahnmal für den Brandanschlag.
Ein Preis für Zivilcourage, der anlässlich des Anschlags vergeben wird.
Ein Sternmarsch von Schülern, die anlässlich des Anschlags zur Demonstration gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit angehalten werden.
Ein Totengebet am Tatort.
Und vieles mehr.
Das Event „Gedenkfeier Solingen“ ist auch in den Medien das ganz große Thema. Es dient als Folie, vor deren Hintergrund einmal mehr der Rassismus verbal bekämpft werden kann, dem Rechtsextremismus einmal mehr der Kampf angekündigt werden kann und Fremdenfeindlichkeit einmal mehr verurteilt werden kann.
Ein Happening.
Szenenwechsel.
Am 3. Juni 1998 krachte ein ICE bei Eschede gegen eine Brücke. 101 Tote und 100 Verletzte waren die Folge.
Die Gedenkfeier anlässlich des Unglücks ist eher eine low-profile Veranstaltung, zu der die Bundesprominenz aus CDU und SPD den Weg nicht gefunden hat. Die Reden überlässt man den niedersächsischen Ministerpräsidenten Weil und dem Bahnchef Lutz. Anwesend sind
- Hinterbliebene,
- Überlebende
- Helfer
- und Anwohner.
Kein Preis für Zivilcourage, der anlässlich des Jahrestags des Unglücks an Helfer vergeben wird.
Keine Rede von Merkel.
Keine Rede von Maas.
Beide haben besseres zu tun (immerhin fällt der 3. Juni auf einen Sonntag).
Kein Sternmarsch von Schülern.
Kein Totengebet am Unglücksort, jedenfalls keines, über das berichtet würde.
Das Gedenken an die 101 Toten und 100 Verletzten ist ein mehr oder weniger stilles Gedenken. Es lässt sich nicht inszenieren. Es ist für Bundespolitiker nicht interessant. Man kann keine leere politische Botschaft wie „Rassismus wird nicht geduldet“, absetzen und sicher sein, sie in allen Medien lesen und hören zu können. Man kann die Toten nicht für politische Ziele missbrauchen, Schüler und andere Naive nicht instrumentalisieren. Und man kann nicht mahnen, nicht Einstellungen als Ursache von Toten geiseln, die Toten nicht zum Anlass nehmen, um mehr Kontrolle und Restriktion das Wort zu reden. Nein, in Eschede bliebe Politikern nur, mit denen, die des Unglücks gedenken wollen, solidarisch zu sein, sich einzureihen in die Reihe der Trauernden und still zu gedenken.
- Stilles Gedenken ist out.
- Stilles Gedenken kann man nicht vermarkten.
- Stilles Gedenken bringt keine Publicity.
- Stilles Gedenken kann nicht mit ideologischem Junk aufgeladen werden.
- Opfer kann man in stillem Gedenken nicht für die eigene Sache missbrauchen.
- Lebende nicht im stillen Gedenken für ideologische Ziele instrumentalisieren.
- Nein, stilles Gedenken ist nichts, was einen Heiko Maas oder einer Angela Merkel Beine macht.
Stilles Gedenken ist ehrlich, das was Goffman eine glaubwürdige Darstellung genannt hat.
Deshalb ist es nicht attraktiv für Politiker.
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An der Sonntagsruhe kann es nicht liegen, daß sich die christliche Bundesprominenz nicht zum Gedenken an das ICE-Unglück versammelt, die scheren sich auch sonst nicht um christliche Gepflogenheiten. Die Schuld wurde damals auf einige unbedeutende Ingenieure abgeschoben. Vielleicht befürchtet man auch heute noch, man könne, wenn man dieses Gedenken allzu hoch hängt, wieder, und in noch stärkerem Maße als damals, eine Diskussion um systemische Mängel bei der Bahn lostreten. Zu der anderen Gedenkfeier: Wir sind alle gleich, nur manche sind gleicher und der Schuldkult muß immer mal wieder getriggert werden
Ich denke mal, in dem Wohnhaus haben Flüchtlinge gelebt. Ein Menschenleben scheint in diesem Lande eine unterschiedliche Bedeutung zu haben. Ich weiß es nicht.
Und in dem ICE ….. wer war da drin?
Müsste man wirklich auseinander dröseln.
In dem Haus in Solingen hat eine türkische Familie gelebt. Es war ihr Eigentum. Sollte man eigentlich wissen.
Die WAZ berichtet: Im Düsseldorfer Landeshaus sprach NRW-Ministerpräsident Armin Laschet vom „schrecklichsten Ereignis in der Geschichte Nordrhein-Westfalens seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.“
Will sagen: Das Zugunglück in Radevormwald mit 46 toten Schülern, das Grubenunglück Dahlbusch mit 41 Toten, das 1988 Flugzeugunglück in Mülheim 1988 mit 21 Toten, nicht zu vergessen die Opfer der Duisburger Loveparade: Alles gar nicht so schrecklich.
Nein, natürlich nicht, es traf ja mehrheitlich Deutsche. Wer “Deutschland verrecke”-Politikern nahesteht, der hat natürlich andere “Opferprioritäten”.
Blödsinn. In Solingen handelte es sich nicht, wie in Radevormwald ,um ein Unglück und nicht, wie in Duisburg, um kollektive Verantwortungslosigkeit sondern um Mord, genau wie auf dem Breitscheidplatz.
Ein sehr bewegender Beitrag, über die neue deutsche “Trauerkultur” kann nichts treffenderes mehr hinzugefügt werden. Meinen Dank an den Autor, der diese Schande zum Thema gemacht hat, ich hatte das Unglück nicht mehr in Erinnerung, warum wohl?
Coudenhove –Kalergi Preis 2010
Aber, aber….
für die “Gedenkminute” in der VK für die Opfer des importierten Berliner Weihnachtsmarkt-Terroranschlags haben sich die o.g. Preisträgerin und Lakaien doch immerhin ca. 40 sec. Zeit genommen und sogar die Hinterbliebenen rechtzeitig & korrrrrekt informiert mit welchen Kosten ein sehr viel späteres Treffen mit der indirekten Auslöserin verbunden sei.
“deutsch” will das einfach so. Ungefähr so wie die Katholen Fegefeuer und Hölle wollen, auch wenn andere (Nicht-Problem-)Religionen dafür keinen Bedarf haben,
“deutsch” aber will Fegefeuer und Hölle nicht erst im Jenseits, sondern schon zu Lebzeiten.
Genauer gesagt, ca. 85% der ausgezählten Wählerstimmen von “deutsch”.
Und je weniger Fegefeuer und je mehr tägliche Hölle, umso verzückter und fanatischer werden einige. Denn das zeigt ihnen, daß sie auf dem richtigen Weg sind.
Die wollen das halt so.
Kann man nix machen.
Außer verachten.
Es mutet bizarr an und doch ist zu fragen, ob es eine Gedenkfeier für Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Bundestag geben würde. Der Prozess droht jedenfalls am Dienstag in eine neue Phase einzutreten.
http://friedensblick.de/28147/staatsanwaltschaft-ermittelt-seit-2017-gegen-michael-menzel-aufgrund-mordverdachts-an-boehnhardtmundlos/
Nee.nee, das wird es nicht geben! Eher wird Beate Zschäpe zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, obwohln sie nur den Haushalt geführt und für die beiden Uwes die “Beine breit” gemacht hat!
Es gibt gesperrte Akten zu Solingen…Warum?