CSU bei 18% bundesweit –Wenn Meinungsforschung falsche Ergebnisse erbringt – dann faktenfindert es wieder

Ist es nicht köstlich?

Sie sind die ersten, die das Wort „repräsentativ“ im Munde führen, um damit ihr Kaffeesatzlesen, das gewöhnlich als Meinungsforschung bezeichnet wird, aufzuwerten. Und ausgerechnet diese Apostel der Repräsentativität suchen nun nach einem Haar in der Umfragesuppe von INSA, die zeigt, dass von 2000 „Personen ab 18 Jahren“ die INSA befragt hat, 18% die CSU wählen würden, würde die CSU bundesweit antreten.

Es ist ein Stück direkt aus dem Faktenfinder-Komödiantenstadl, weil ideologisch nicht sein kann, was nicht sein darf.

Weil in einer Frage, deren Zweck darin besteht, die Wahlwahrscheinlichkeit für CDU und CSU zu bestimmen, wenn beide getrennte Wege gehen würden, nur CDU und CSU und keine andere Partei vorkommen, deshalb ist Heiko Grothe, Infratest dimap, der Ansicht, die Frage stelle ein Framing dar. Wir übersetzen sein vermeintliches Argument einmal für unsere Leser: Befragte, die eigentlich die LINKE wählen würden, würden, weil in der Frage auf CDU/CSU geframt wird, die CDU oder gar die CSU wählen.

Framing, sagt Grothe, der nicht weiß, wovon er redet.

Framing ist ein Konzept, das auf die Forschung von Amos Tversky und Daniel Kahneman zurückgeht. So haben beide ein Experiment durchgeführt, in dem Befragte vor eine Entscheidungssituation gestellt werden und einmal zwischen positiv formulierten Alternativen wählen müssen (mit X 100 Überlebende, Einführung X ja/nein), einmal zwischen negativ formulierten (mit X Mortalität von 10, Einführung X ja/nein). Der Witz des Experiments besteht darin, dass die Einführung von X in beiden Fällen denselben Effekt hat, nur einmal rettet X Leben, einmal reduziert es Tod. Signifikant mehr Probanden von Tversky und Kahneman entschieden sich für die positiv als für die negativ formulierte Variante.

Sieht irgendjemand, wo in der folgenden Frageformulierung von INSA ein Framing enthalten sein soll?

 „Aktuell bilden CDU und CSU eine gemeinsame Fraktion im Bundestag. Sollte es zu einem Bruch zwischen den beiden Parteien kommen, wäre es möglich, dass die CDU auch in Bayern und die CSU in den restlichen Bundesländern jeweils als eigenständige Parteien gewählt werden können. Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahlen unter diesen Bedingungen wären, wie würden Sie wählen?

Wir auch nicht.

Das Experiment von Kahneman und Tversky im Original:

Die USA bereiten sich auf den Ausbruch einer ungewöhnlichen Asiatischen Krankheit vor. Es wird erwartet, dass die Krankheit 600 Menschen das Leben kosten wird. Zwei Alternativen stehen zur Bekämpfung der Krankheit zur Verfügung. Die exakten wissenschaftlichen Schätzungen der Wirkung beider Programme sind die folgenden [Angaben in Klammer geben den Anteil der Probanden an, die sich für das entsprechende Programm entschieden haben]:

Die erste Formulierung der Alternativen lautete:

Wenn Programm A eingesetzt wird, werden 200 Menschen gerettet [72%].
Wenn Programm B eingesetzt wird, besteht eine Wahrscheinlichkeit, von einem Drittel, dass alle 600  überleben und eine Wahrscheinlichkeit von zwei Drittel, dass niemand überlebt [28%].
Die zweite Formulierung der Alternativen lautete:

Wenn Programm C eingesetzt wird, werden 400 Menschen sterben [22%]
Wenn Programm D eingesetzt wird, besteht eine Wahrscheinlichkeit von einem Drittel, dass niemand sterben muss und eine Wahrscheinlichkeit von zwei Drittel, dass alle 600 Menschen sterben. [78%]

Dann hat Heiko Grothe noch anzufügen, dass die Fragestellung zu hypothetisch sei. Die Befragten würden dadurch, dass sie nach Parteien gefragt würden, die bisher im jeweiligen Wahlgebiet nicht wählbar seien, „letztlich überfordert“, weil sie keine Erfahrung mit den Parteien hätten (Grothe ist natürlich mit seinen Aussagen zur Methodologie der Sozialforschung seiner Meinung nach nicht überfordert). Erfahrung mit einer Partei kann man in der Lex Grothe also nur dann haben, wenn man die entsprechende Partei gewählt hat.

Erfahrung mit der CSU außerhalb von Bayern und mit der CDU innerhalb von Bayern kann man in keiner Weise auf Basis der Tatsache gewinnen, dass es beide Parteien in Deutschland seit mehr als 70 Jahren gibt.

Wenn es darum geht, sich etwas aus dem Ärmel zu ziehen, um eine Pseudo-Kritik an Ergebnissen der Meinungsforschung anzubringen, die einem nicht gefallen, dann überschreiten manche die Grenze zur Lächerlichkeit mit einer Leichtigkeit, die erstaunlich ist.

Es sei nur am Rande darauf hingewiesen, dass Grothe von Infratest kein Problem damit hat, Befragte nur zwei Wochen nach der letzten Bundestagswahl „hypothetisch“ danach zu fragen, welche Partei sie wählen würden, wenn man nächsten Sonntag schon wieder Bundestagswahl wäre. Wie gesagt, die Grenzen der Lächerlichkeit sind mit Elan überschritten.

Den Vogel schießt jedoch Carsten Reinemann von der Ludwig-Maximilians-Universität in München ab. Er sagt dem Faktenfinder, Konstantin Kumpfmüller, doch allen Ernstes und Kumpfmüller druckt es auch noch, dass Meinungsumfragen die Meinungsbildung von Wählern beeinflussen könnten, mehr noch, sie könnten auch „die Politik“ beeinflussen.

Das ist eine erstaunliche Erkenntnis, die die Physik revolutionieren wird. Eine Veränderung kann eine Veränderung zur Folge haben. Wie gut, dass es Experten von der LMU und Faktenfinder gibt, die uns diese Unbekannte nahebringen. Wenn sie nun noch erklären, wieso sich gerade eine Umfrage von INSA auf die Meinungsbildung von Hans Peter Hampel auswirken soll und wie und vor allem wieso, dann sind wir zufrieden und mit Kumpfmüller einer Meinung: Etwas kann sich auf etwas auswirken. Kann ist hier das operative Wort.

We had fun, though.

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