Wie man Diskriminierung auf Twitter erfindet: Gender Junk Science

Immer wenn man denkt, man hätte den Gender-Blödsinn hinter sich, kommt ein Nachzügler und erfindet eine neue Diskriminierung von Frauen, und die Frauen-Netzwerke, die von Steuerzahlern ausgehalten werden, sie verbreiten den Unfug. Letzte und diese Woche wurde über eine vermeintliche Studie von Nikki Usher, Jesse Holcomb und Justin Littman diskutiert, heftig diskutiert, vor allem auf Twitter und in diversen Blogs.

Wir haben den Blog von Christian Schmitt verlinkt, weil dort die Diskussion mit dem meisten Gehalt zu finden ist.

Usher, Holcomb und Littman, die man zu den institutionalisierten Wissenschafts-Darstellern zählen muss, die mangels eigener Ideen versuchen, auf dem Genderzug mitzufahren und eine Benachteiligung von Frauen zu erfinden, haben just das getan: eine Benachteiligung von Frauen erfunden.

Und zwar auf Twitter.

Daten für Journalisten aus den USA haben sie gesammelt, Follower, verifizierte Accounts, Retweets und dergleichen, für 1.299 männliche und 993 weibliche Journalisten. Und dann haben die Autoren auf Grundlage von rund 200.000 Tweets  und einer (wie sie wohl glauben) geheimgehaltenen Zahl von Re-Tweets und Replies untersucht, ob Tweets von weiblichen Journalisten seltener zu Replies und Re-Tweets führen als Tweets von männlichen Journalisten.

Für die, die Twitter unkundig sind: Ein Tweet ist eine 280 Zeichen lange Zeichenfolge, mit mehr oder weniger Sinn. Jeder Nutzer von Twitter kann anderen Nutzern folgen und hat Nutzer, die ihm folgen (follower). Ein Re-Tweet erfolgt, wenn ein Nutzer einen Tweet von einem anderen Nutzer an seine Follower verbreitet. Eine Reply ist eine Antwort auf den Tweet eines anderen Nutzers.

Usher, Holcomb und Littman, die sich nicht entblöden, am Ende ihres Beitrags zu schreiben, dass sie schon bevor sie die Forschung unternommen haben, wussten, was dabei herauskommen würde („we knew from the outset, that there was, indeed, a statistically significant gender imbalance …“ 14), stürzen sich auf Tweets, Replies und Re-Tweets von US-amerikanischen Journalisten und finden genau das, was sie vorab schon wussten, dass sie es finden würden: ein feindliches und giftiges (hostile und toxic) Umfeld, in dem Frauen diskriminiert werden. Eigentlich ist Junk, wie der, den Usher, Holcomb und Littman unter die Leser bringen, keiner weiteren Betrachtung wert. Eigentlich müsste sich jeder Leser mit noch vorhandenem gesundem Menschenverstand an den Kopf fassen und sich darüber wundern, wer heutzutage alles frei herumlaufen darf.

Aber, es hat sich eine heftige Auseinandersetzung um diesen Junk entsponnen, so dass wir uns fast genötigt sehen, auch ob der vielen Hinweise, die uns erreicht haben, dazu etwas zu schreiben.

Der Beitrag mit dem Titel „Twitter Makes It Worse: Political Journalists, Gendered Echo Chambers and the Amplification of Gender Bias” besteht aus viel Text, der um etwas, was man nur als Erstklässer-Statistik bezeichnen kann, angeordnet ist. Die Erstklässer-Statistik ist rein deskriptiv, kommt überhaupt nicht im Bereich bivariater Statistik an und erlaubt somit auch nicht die Schlüsse, die die Autoren ziehen wollen. Aber das macht nichts, denn die Tabellen sind sowieso nur vorhanden, um den Eindruck zu vermitteln, man habe etwas gerechnet.

Auf Seite 10 von 17 Textseiten und nach viel Geschwall findet sich die erste Tabelle, ohne jeden Hinweis darauf, was die lustigen Zahlen in der Tabelle eigentlich darstellen. Das haben auch die Autoren zwischenzeitlich vergessen. Entsprechend ist ihnen Tabelle 1 nur der Erwährung aber nicht mehr wert.

Es folgen drei Tabellen, in denen ausschließlich Zeilenprozente (für Männer und Frauen) berichtet und die Ergebnisse vollkommen sinnloser Chi-Quadrat-Tests dargestellt werden, die wiederum zeigen sollen, dass es einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Journalisten im Hinblick auf diverse Twitter-Aktivitäten gibt. Das hätte man, wenn rund 60% der Twitter-Nutzer, von denen die Autoren Daten bezogen haben, männlich sind, auch ohne Chiquadrat-Test phi-mal-Daumen feststellen können, aber dazu muss man natürlich rudimentäre Vorstellungen von Statistik haben. Die haben Usher, Holcomb und Littman mit ziemlicher Sicherheit nicht.

Ihre Unbeholfenheit ist dafür der beste Beleg. Sie berichten in Tabelle 2, dass 64,4% der „original Tweets“ in ihrem Datensatz, was auch immer das sein mag, von männlichen Nutzern / Journalisten stammen. 35,6% stammen von weiblichen Nutzern / Journalisten. Wenig überraschend ist der Chiquadrat-Wert sehr hoch und bei .995 signifikant. Bei den verifizierten Nutzern von Twitter, also den Nutzern, denen Twitter auf Basis unbekannter Kriterien eine „öffentliche Position“ zubilligt, ergibt sich ein anderes Bild: 56% der männlichen und 51,4% der weiblichen Nutzer haben von Twitter einen verifizierten Account erhalten. Überproportional viele weibliche und unterproportional viele männliche Nutzer relativ zur Anzahl der originalen Tweets und relativ zum Anteil von 56,7% männlichen Nutzern im Datensatz der Autoren und 43,3% weiblichen Nutzern haben einen von Twitter verifizierten Account, also einen Account, dem Twitter mehr Wichtigkeit als anderen Accounts zuweist, was dazu führt, dass Tweets von den entsprechenden Accounts eher angezeigt werden. .

Mit der Herstellung solcher Relationen, wie wir es gerade getan haben, mit dem Vergleich von mehr als zwei Variablen sind die Autoren aber offensichtlich und hoffnungslos überfordert, vermutlich deshalb, weil sie nur Gender denken können, und Gender zu denken, macht bekanntlich dumm. Nur so kann man erklären, dass die Autoren das soeben berichtete Ergebnis, das klar zeigt, dass die Verifikation von Nutzern durch Twitter offensichtlich einen Bias zu Gunsten von weiblichen Nutzern hat, gerade umgekehrt interpretieren und lamentieren, dass es Frauen ja nicht in der Hand hätten, ihren Status bei Twitter zu verifizieren, ganz so als hätten Männer das in der Hand. Aber dazu kommen wir noch.

Tabelle 3 soll angeblich zeigen, dass männliche Nutzer eher auf männliche Nutzern antworten und weibliche ignorieren. Abermals berichten die Autoren Zeilenprozente und berechnen vollkommen unnötige Chi-Quadrat-Werte um zu suggerieren, dass weibliche Nutzer / Journalisten ja so benachteiligt seien, auf Twitter. Dieses Mal haben sie aber die Rechnung ohne die Statistik gemacht, denn ihr Manipulationsversuch scheitert an ihrer eigenen Unkundigkeit.

Nehmen wir die Ergebnisse, die die Autoren „erschreckend“ finden. Männliche Journalisten im Datensatz haben in den zwei Wochen, für die Daten vorhanden sind, in 91,5% der Fälle auf Tweets von männlichen Nutzern / Journalisten geantwortet (in 8,5% auf Tweets von weiblichen Nutzern / Journalisten), während weibliche Journalisten in 27,9% der Fälle auf Tweets von männlichen Nutzern / Journalisten geantwortet haben (in 72,1% auf die Tweets von weiblichen Nutzern / Journalisten).

Shocking oder Unsinn?

Schockierender Unsinn.

Zwar haben die Autoren es peinlich vermieden, Ns (also die Grundgesamtheit ihrer Tabelle) anzugeben und verstecken sich, wie alle, die manipulieren oder lügen wollen, hinter Prozentwerten, aber, wie gesagt, sie haben unvorsichtigerweise den Wert für Chiquadrat und das Signifikanzniveau angegeben. Beides genügt, um die Anzahl der Fälle, auf die sich die Prozentzahlen beziehen, ziemlich genau zu berechnen:

Ergebnis: Auf 33.810 Tweets männlicher Nutzer / Journalisten gab es eine Antwort und auf 2.990 Tweets weiblicher Nutzer. Die Grundgesamtheit sieht also wie folgt aus:

Von 36.800 Tweets, auf die eine Antwort erfolgte, stammten 91,9% von männlichen Nutzern / Journalisten und 8,1% von weiblichen. 91,5% der männlichen Nutzer haben auf einen Tweet von einem männlichen Nutzer geantwortet, 8,5% auf einen Tweet von einem weiblichen Nutzer. Mit anderen Worten, der Anteil der Antworten männlicher Nutzer auf Tweets von weiblichen Nutzern entspricht fast genau dem Anteil entsprechender Tweets. Im Gegensatz zu männlichen Nutzern tendieren weibliche Nutzer dazu, sich im Weibchen-Ghetto einzuschließen und überproportional auf Tweets von weiblichen Nutzern zu antworten. Vielleicht haben sie ja Angst, sich gegenüber männlichen Kollegen mit einer dummen Antwort zu outen?

Wie dem auch sei, davon, dass männliche Nutzer / Journalisten, weibliche Nutzer / Journalisten links liegen lassen würden, kann keine Rede sein. Diese Aussage wird zudem durch die Daten gestützt, die die Autoren in Tabelle 4 veröffentlicht haben und ebenfalls fehlinterpretieren, ob aus Boshaftigkeit, Opportunismus oder Unfähigkeit, sei einmal dahingestellt.

Die Tabelle basiert auf 28.254 Re-Tweets. Abermals verschweigen die Autoren die Grundgesamtheit der Tabelle. Abermals haben wir das Datum über den Chi-Quadratwert und das Signifikanzniveau errechnet. 8,3% der Tweets, die weiterverbreitet werden, stammen von weiblichen Journalisten / Nutzern, 25,8% davon werden von männlichen Nutzern / Journalisten weiterverbreitet.

Kurz: Wenn man die Datengrundlage, auf der Usher, Holcomb und Littman ihre Ergebnisse gewonnen haben wollen, rekonstruiert, dann ergibt sich das Gegenteil der Ergebnisse, die die Autoren ihren Lesern aufbinden wollen. Männliche Journalisten / Nutzer verbreiten Tweets von weiblichen Journalisten / Nutzern überproportional häufiger und antworten auch überproportional häufiger auf deren Tweets als weibliche Journalisten / Nutzer.

Wir haben dieses quantitative Ergebnis errechnet, um zu zeigen, dass die Autoren bewusst oder aus Unfähigkeit heraus, lügen. Neben diesem quantitativen Ergebnis gibt es natürlich noch gewichtige qualitative Einwände, denn:

Nicht jeder Tweet hat auf Twitter zu jeder Zeit dieselbe Wahrscheinlichkeit Re-tweeted zu werden. Manche verschwinden einfach in der Versenkung und niemand weiß warum. Schon diese Einsicht reicht, um die Ergebnisse von Usher, Holcomb und Littman unabhängig von der Tatsache, dass sie ihre Behauptungen auf eine Fehlinterpretation ihrer eigenen Daten stützen, in die Mülltonne zu stopfen.

Aber es gibt noch einen ganz anderen Grund.

Die Idee von Twitter ist, dass man sich zwar kurz, aber dennoch mit Gehalt mitteilt. Ob die wenigen Zeichen dazu reichen, darüber kann man sich streiten, aber man muss konstatieren, dass ein Tweet, der für viele interessant ist, den viele amüsant finden, der einen Inhalt hat, der von vielen für wichtig angesehen wird, der provokativ ist, eine höhere Wahrscheinlichkeit hat, eine Antwort herauszufordern und verbreitet zu werden als ein Hausfrauentweet, der die Gesundheit der Enkelkinder zum Gegenstand hat.

Ergo muss man aus den Ergebnissen von Usher, Holcomb und Littman den Schluss ziehen, dass die meisten interessanten, provokanten, witzigen oder einfach gehaltvollen Tweets von männlichen Nutzern / Journalisten stammen.

Das hat mit Diskriminierung und toxischer und feindlicher Umgebung überhaupt nichts zu tun. Twitter wird, so muss man selbst für Journalisten annehmen, von Personen bevölkert, die aufgrund eines eigenen Willens zu einer entsprechenden Entscheidung fähig sind. Die Ergebnisse, die die Autoren so furchtbar finden, stellen das Ergebnis dieser Entscheidungen dar. Das werden selbst die Autoren akzeptieren müssen, so wie sie akzeptieren müssen, dass nicht jeder Beitrag, der es in eine wissenschaftliche Zeitschrift schafft, deshalb zu einem wissenschaftlichen Beitrag wird. Manche sind eben Junk, so wie der Beitrag von Usher, Holcomb und Littman.

Sozialwissenschaftlich ist der Beitrag also Junk. Literaturwissenschaftlich kann man den Beitrag als Ausdruck eines hohen Maßes an Phantasie ansehen, allerdings muss man psychologisch anmerken, dass die Borniertheit des Geistes, die darin zum Ausdruck kommt, dass ein Vorteil von Frauen als Nachteil interpretiert wird, weil die Autoren geistig oder ideologisch nicht flexibel genug sind, ihr Ziel, einen Nachteil zu finden, aufzugeben, wenn sie eben keinen finden, auf eine Persönlichkeitsstörung hinweist, wie man sie bei Genderisten häufig findet, weshalb das letzte Wort in dieser Angelegenheit ein Psychiater sprechen sollte.

Usher, Nikki, Holcomb, Jesse & Littman, Justin (2018). Twitter Makes it Worse: Political Journalists, Gendered Echo Chambers and the Amplification of Gender Bias. International Journal of Press/Politics. DOI: 10.1177/1940161218781254

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