Mr. Bean: Ohne Beleidigung keine freie Gesellschaft

Die sprachlichen Desinfizierer der Moderne, die Anstoß an Worten nehmen, die man mit Sätzen in Hysterie und mit Begriffen in Agonie versetzen kann, die Sprache „säubern“ wollen, nur die Meinungen zulassen wollen, die ihnen genehm sind, und sich ansonsten das Recht nehmen wollen, den straflosen Wortschatz anderer zu bestimmen, haben einmal mehr Hochzeit.
Es gab diejenigen, die anderen vorschreiben wollen, ihnen das richtige Leben diktieren wollen, den richtigen Wortschatz verordnen wollen und sich auch noch dafür aushalten lassen wollen, immer. Regelmäßig haben sie sich in Religionen zusammengefunden, neuerdings mehr in den ideologischen Gefängnissen des Einheitsgedankens. Früher standen ihnen die Wissenschaftler, deren Beruf darin bestand, Vernunft zu gebrauchen, gegenüber, haben Wissenschaftler sie in die Schranken gewiesen.

Heute ist das anders.

Wir leben in Zeiten, in denen nicht Wissenschaftler oder diejenigen, die sich für Intellektuelle halten, zu Vernunft und Mäßigung, zur Besonnenheit und Überlegt-, ja Überlegenheit aufrufen, sondern Komiker; Menschen, die einen Beruf daraus gemacht haben, andere zum Lachen zu bringen. Sie erweisen sich als die überlegteren, die vernünftigeren Menschen, die ernste Themen noch anpacken können, ohne sich lächerlich zu machen, ganz im Gegenteil zu denen, die sich für Intellektuell halten und anderen deren Meinung verbieten wollen, weil sie sie zu Hatespeech erklärt haben.

Im Jahre 2012 wurden im Vereinigten Königreich die Kampagne „Reform Section 5“ gestartet, die Kampagne, auch bekannt unter dem Titel „“Feel free to insult me“, zielte darauf, Artikel 5 des britischen Gesetzes über die öffentliche Ordnung (Publik Order Act) zu verändern. In seiner ursprünglichen Form hat Artikel 5 die Benutzung von beleidigenden oder verletzenden Begriffe, im Englischen kurz als „insulting words“ beschrieben, unter Strafe gestellt. Der ganze Zweck der Reform Section 5 Campaign bestand darin, das Wort „insulting“ aus dem Gesetz zu streichen und die Verwendung beleidigender Begriffe oder von Schimpfworten in der Öffentlichkeit nicht mehr unter Strafe zu stellen.

Anders als in Deutschland, wo Politdarsteller in keinerlei Weise einem demokratischen Willen, der außerhalb des Echozimmers, das sie Parlament nennen, geformt wird, zugänglich sind, hatte die Kampagne im Vereinigten Königreich erfolgt. Der Begriff „insulting“ wurde gestrichen.

Die Pflänzchen und Sprach-Desinfizierer unter denen, die ständig auf der Suche nach Möglichkeiten sind, um andere zu bevormunden und zu gängeln, hat dies natürlich nicht ruhen lassen und so haben wir heute, unter dem Begriff „Hate Speech“ letztlich dieselbe Diskussion wieder: Darf man anderen in unverblümter Sprache sagen, was man von ihnen hält oder sie beleidigen und beschimpfen, ohne dass der Staatsanwalt die Sache zur Angelegenheit des Staates erklärt und die Maschinerie der Justiz in Gang setzt? Noch anders formuliert: Sind Bürger erwachsen und unabhängig genug, um Auseinandersetzungen unter einander mit sich auszumachen oder sind sie infantil und abhängig vom großen Bruder Staat, den sie routinemäßig zur Hilfe rufen, wenn ihnen jemand sprachlich auf den Schlips getreten ist?

Uns scheint die Entscheidung darüber, ob Menschen so frei sind, dass sie auch sprachliche Streitigkeiten ohne Einmischung derer, die nur zu gerne ihren Voyeurismus ausleben, die kontrollieren und überwachen wollen, was zwischenmenschlich so geschieht, behandeln und beilegen können oder ob wann immer jemand etwas sagt, was ein anderer „verletzend findet“, der große Bruder in Form des Staates gerufen werden muss, um den Verletzer zu strafen, noch nicht gefallen zu sein.

Und weil die Vernunft, von der man in einem solchen Diskurs erwarten würde, dass sie auch von institutionalisierten Wissenschaftlern eingebracht wird, in der institutionalisierten Wissenschaft einer Gutmenschen-Hysterie gewichen ist, ist es an der Zeit, Komiker zu Wort kommen zu lassen, um die öffentliche Vernunft wiederherzustellen.

Weil nicht jeder versteht, was Rowan Atkinson „Mr Bean“ im Jahre 2012 im Rahmen der oben erwähnten Kampagne gesagt hat, hier unsere Übersetzung:

„Die verständliche und gutgemeinte Absicht, widerliche Elemente in einer Gesellschaft in Grenzen zu halten, hat zu einer außerordentlich autoritären und kontrollierenden Gesellschaft geführt, man kann von einer neuen Intoleranz sprechen: ein neues Verlangen, unbequeme und abweichende Stimmen zum Schweigen zu bringen.

„Ich bin nicht intolerant“, sagen viele leise sprechenden, hoch gebildete, liberal gesinnte Leute. „Ich bin nur intolerant gegenüber Intoleranz“. Zuhörer machen dazu eine kluge Miene nicken und sagen: „weise Worte, weise Worte!“.

Und doch, wenn über diese angeblich kluge Aussage länger als fünf Sekunden nachdenkt, dann erkennt man, dass alles, was sie durchsetzen wollen, nur der Austausch einer Intoleranz mit einer anderen ist.

Das ist für mich in keiner Weise ein Fortschritt.

Vorurteilen oder Vorbehalten kann man nicht dadurch begegnen, dass man diejenigen, die sie haben, inhaftiert.

Man begegnet Vorurteilen, in dem man sie publik macht, gegen sie argumentiert, sie in der Öffentlichkeit behandelt, und zwar außerhalb des Systems der Justiz.

Der beste Weg, die Widerstandskraft einer Gesellschaft gegenüber Beleidigung oder Beschimpfung zu verbessern, besteht für mich darin, mehr davon zuzulassen.

Wie es bei Kinderkrankheiten der Fall ist, so kann man auch hier besser den Bakterien widerstehen, denen man ausgesetzt war.

Wir müssen eine Immunität gegenüber Beleidigung entwickeln, so dass wir uns mit dem Gegenstand, den gerechtfertigte Kritik vorbringen kann, widmen können. Wir sollten uns mit der Kritik beschäftigen, nicht mit der Art in der sie vorgebracht wird und mit dem, der sie vorbringt.

Vor ungefähr einem Monat hat Präsident Obama in einer Rede vor der UN gesagt: „auch ein in guter Absicht unternommener Versuch, freie Rede einzuschränken, kann zu einem Werkzeug zur Unterdrückung von Meinungen und Minderheiten werden“.

Die stärkste Waffe gegen von Hass geprägte Sprache ist nicht deren Unterdrückung, sondern mehr Hate Speech, und das ist der Kern meiner These: Mehr freie Rede.

Wenn wir eine widerstandsfähige Gesellschaft wollen, dann brauchen wir mehr robuste Dialoge, und das muss das Recht beinhalten, zu beleidigen oder mit Sprache zu verletzen.”

Im Zusammenhang mit der Intoleranz gegenüber Intoleranz wird regelmäßig Sir Karl Raimund Popper missbraucht. Hier haben wir dargelegt, was es mit seiner Formel „keine Toleranz für Intoleranz“ wirklich auf sich hat.

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