„AfD-Unterstützer sind ausländerfeindlich“ – wirklich? [ScienceFiles-Faktenfinder]
Selbst an einem Samstag sind wir für unsere Leser im Einsatz [unentgeltlich!], vor allem die Leser, die uns seit gestern Abend mit Hinweisen auf die angebliche Analyse von Martin Schröder überschwemmt haben, der auf Grundlage des SOEP zu dem Schluss kommt, dass „AfD-Unterstützer nicht „abgehängt“ sind, „sondern ausländerfeindlich“.
Kategorische Feststellungen in Texten, die auf probabilistischen Verteilungen basieren, sind immer ein erster Hinweis darauf, dass hier die Ideologie der Vater des Gedankens war.
Martin Schröder, der für diese apodiktische Behauptung im Titel seines Textes verantwortlich ist, denkt vermutlich, er habe den Grundstein gelegt, um im links-alternativen Milieu eine Beschäftigung zu finden, aber hat er auch gemessen, was er behauptet?
Schröder werkelt mit dem SOEP, und zwar mit den Daten, die 2016 gesammelt wurden. 24.339 Angaben zu – wie er meint (dazu unten): Parteipräferenz von im Rahmen des SOEP-Befragten hat er, darunter 517 Befragte, die angeben, „eine Präferenz für die AfD zu haben“. D.h. seine Analysen basieren auf der Kontrastierung von 2,1% der Befragten mit AfD-Präferenz mit 97,9% der verbleibenden Befragten. Das ist eine schiefe Verteilung, bei der auch logistische Regressionen, das Standardmittel aller, die viele Variablen in verschiedenen Modellen berücksichtigen wollen, ins Trudeln kommen werden, vor allem dann, wenn es zwischen den unabhängigen Variablen hohe Korrelationen und Multikollinearität gibt, was Schröder auf Seite 15 seines eher keiner Textgattung zuordenbaren Werkes selbst einräumt.
Man muss also feststellen, dass eine Reliabilität seiner Analyse nicht gegeben ist.
Dass die Validität seiner Analyse auch nicht gegeben ist, das zeigen wir jetzt.
Es fasziniert uns schon länger, dass es Autoren, die sich mit Themen befassen, an denen sie offensichtlich ein ideologisches Interesse haben, regelmäßig gelingt, sich so in Rage zu schreiben, dass sie die ersten sind, die auf ihre Ergebnisse pfeifen und das hineinlesen, was sie von Anfang an hineinlesen wollten.
Schröder ist ein geradezu klassisches Beispiel dafür, wie man sich bei entsprechender ideologischer Anfälligkeit, um den eigenen Verstand und um die wissenschaftliche Lauterkeit schreiben kann, wenn man sie denn je hatte.
Bevor wir ins Detail gehen, ein paar methodische Anmerkungen.
Wenn man Befragte mit AfD-Präferenz mit Befragten vergleicht, die irgendeine andere Parteipräferenz haben, dann sagt dies vielleicht etwas darüber aus, was Personen mit AfD-Präferenz von Befragten mit einer anderen Parteipräferenz, welcher auch immer, unterscheidet, es sagt aber überhaupt nichts darüber aus, ob der entsprechende Unterschied ein Alleinstellungsmerkmal ist oder ob dann, wenn man Personen mit entweder FDP- oder CDU-Präferenz gegen alle Personen mit anderen Parteipräferenzen stellt, nicht dasselbe Ergebnis herauskommen würde. Es sagt nur, dass der, der nicht schaut, auch nicht sieht.
Kurz: Das Ergebnis von Schröder ist so lange nutzlos, solange es nicht in den Rahmen gestellt wird, solange kein Vergleich stattfindet, wie dies in der Wissenschaft eigentlich der Fall ist. Denn in der Wissenschaft geht es darum, Erkenntnis zu gewinnen, nicht darum zu versuchen, politische Gegner zu diskreditieren.
Nun zur Ausländerfeindlichkeit bzw. zum bemerkenswerten Weg, auf dem Schröder die Ausländerfeindlichkeit entdeckt.
Empirische Sozialforschung hat viel mit Operationalisierung zu tun, denn in der Regel ist es nicht möglich, ein Konzept wie Ausländerfeindlichkeit oder Rassismus oder Innovation direkt zu messen. Dazu benötigt man eine Operationalisierung, die den Versuch darstellt, etwas Abstraktes konkret messbar zu machen: Innovation z.B. mit der Anzahl von Patenten, die ein Unternehmen anmeldet.
Bei Konzepten wie Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Extremismus, Postmaterialismus, Lebensfreude usw. ist es üblich, so genannte Batterien einzusetzen, das sind Aussagen oder Fragen, denen Befragte mehr oder weniger zustimmen oder die sie ablehnen können und von denen man sich erhofft, dass sie zusammengenommen für ein latentes Konzept stehen.
Schröder nutzt Aussagen und Fragen, die im Rahmen des SOEP Befragten vorgelegt werden.
Darunter:
- Wird Deutschland durch Flüchtlinge zu einem schlechteren Ort zum Leben?
- Ist es im Allgemeinen schlecht für die deutsche Wirtschaft, dass Flüchtlinge hierher kommen?
- Wird das kulturelle Leben in Deutschland im Allgemeinen durch Flüchtlinge untergraben oder bereichert?
- Schließlich die Frage: Machen Sie sich Sorgen wegen der Zuwanderung?
Generell haben Befragte die Möglichkeit, ihre Antwort auf jede der vier Fragen auf einer Skala von 1 (gar keine Zustimmung) bis 11 (volle Zustimmung) abzustufen.
Was wird mit diesen Fragen gemessen?
Hier beginnt die merkwürdige Transformation des Martin Schröder vom vielleicht Sozialforscher zum unlauteren Ideologen.
Auf Seite 4 seines Textes ist er der Meinung, die vier Fragen würden „Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen und Zuwanderung“ erfragen. Ob damit Vorbehalte erfragt werden, darüber kann man streiten. Aber das müssen wir gar nicht, denn auf Seite 11, auf der wir diese Fragen wiedertreffen, spricht Schröder davon, dass Befragte mit AfD-Präferenz diesen Fragen eher zustimmen (oder der Ansicht sind, das kulturelle Leben werde durch Flüchtlinge untergraben) und sich „konsequenterweise mehr Sorgen um Zuwanderung“ machen. Auch auf Seite 13 ist Schröder noch dieser Ansicht und zitiert sogar den Text der drei ersten Fragen, um seine Akkuratheit zu dokumentieren. Selbst auf Seite 14 ist noch von „Einstellungen zu Flüchtlingen“ die Rede.
And then it hit him.
Ein ideologischer Blitz muss das Gehirn dessen, der gerne ein Wissenschaftler wäre, getroffen und so in neuronalen Aufruhr versetzt haben, dass Schröder vergessen hat, worüber er schreibt. Dieselben „Einstellungen zu Flüchtlingen“, die auf vorausgehenden Seiten „Sorgen“ und vielleicht auch „Vorbehalte“ zum Ausdruck gebracht haben, werden nun zu „Ausländerfeindlichkeit“ (15). Und die „Ausländerfeindlichkeit“, die schon mit Blick auf die Tatsache, dass Fragen zu Flüchtlingen, also einer Teilmenge von Ausländern gestellt werden, eine wilde Assoziation ist, sie gefällt Schröder so sehr, dass er vergisst, dass er keine Ausländerfeindlichkeit, sondern legitime Sorgen, die man sich als Mensch angesichts der Veränderung seiner Umwelt machen kann, gemessen hat. Ab Seite 15 ausländerfeindet es im Text von Schröder. Befragte sind „überdurchschnittlich ausländerfeindlich“ (16), AfD-Unterstützer halten „Ausländerfeindlichkeit für weniger schlimm als sonstige Befragte“ (17) und schließlich sind AfD-Unterstützer „Ausländern gegenüber feindlich eingestellt“ (18).
Was den Einsatz von Phantasie angeregt und Schröder dazu veranlasst hat, den Boden seiner Daten für den ideologischen Freiflug zu verlassen, wir wissen es nicht. Wir wissen nur:
Schröder hat keine Ausländerfeindlichkeit gemessen. Er hat Sorgen wegen Zuwanderung und Einschätzungen über Konsequenzen von Zuwanderung erhoben.
Schröder hat auch keine AfD-Unterstützer erhoben. Er hat Personen mit einer Präferenz für die AfD erhoben, denn im SOEP wird danach gefragt, welcher Partei man „zuneigt“, nicht danach, welche Partei man unterstützt. Schröder sollte daraus lernen, dass man als Nachwuchsforscher nicht immer den Labeln im Datensatz glauben soll, sondern die Fragebogen (rechts) lesen muss.
Zwischen der Angabe, einer Partei zuzuneigen und der Unterstützung oder Wahl der entsprechenden Partei, besteht ein himmelweiter Unterschied, wie die entsprechende Forschung zeigt, die man als Politikwissenschaftler kennt und als jemand, der die entsprechenden Fragen nutzen will, kennen sollte, um sich nicht als Dilettant herauszustellen. Ebenso besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen Einstellungen und Verhalten.
Auch nach rund 100 Jahren Einstellungsforschung ist es nicht gelungen, den Graben zwischen dem, was Befragte als ihre Einstellung angeben und dem, was sie tatsächlich tun, zu überbrücken. Befragte bezeichnen sich als loyale Kunden von VW, geben dem Auto von VW, das sie derzeit fahren, die beste Bewertung, sagen von sich, sie würden VW mögen und gehen dann hin und kaufen einen Nissan. Andere sagen von sich, sie würden zur Bundestagswahl gehen und die AfD wählen und gehen dann einfach nicht wählen, sehr zum Ärger der Wahlforscher.
Man könnte die Liste der entsprechenden Ärgernisse im täglichen Leben eines Sozialforschers problemlos verlängern und käme letztlich zu der Frage, was man mit rein deskriptivem Krempel, wie dem, den Schröder abgeliefert hat, eigentlich aussagen kann.
Man kann wenig bis gar nichts damit aussagen. Man kann es für kurze Zeit in die Schlagzeilen der Ideologen schaffen, die immer auf der Suche nach Denunziationsmaterial sind, aber man kann es mit Junk, wie dem, den Schröder verbreitet, nicht in wissenschaftliche Kreise schaffen, denn dort will man als Sozialforscher erklären, nicht denunzieren. Dort legt man erheblichen Wert darauf, den Befragten nicht Dinge in den Mund zu legen, die sie nicht gesagt haben. Dort ist man mit Sicherheit nicht bereit, Befragte, die einem Interviewer vertraut haben und ihm gegenüber ehrliche Angaben gemacht haben, nachträglich in den Hintern zu treten und sie ohne Grund und aus reiner Lust als Ausländerfeinde zu denunzieren.
Schröder hat keine Ausländerfeindlichkeit gemessen, um das noch einmal zu wiederholen, sondern legitime Sorgen, die sich manche machen und Konsequenzen, die sie befürchten.
Aber selbst wenn er Ausländerfeindlichkeit gemessen hätte, so müsste man fragen: Und jetzt? Nun wissen wir, dass 517 Befragte im Datensatz von Schröder, die der AfD zuneigen, sich im Ausmaß ihrer Ausländerfeindlichkeit (auf einer Skala von 1 bis 11, bei der die Extremkategorie weitgehend unbesetzt ist) höhere Werte erreichen als 23.822 andere Befragte im Durchschnitt. Derartiger Blödsinn ist zwar bestens dazu geeignet, die seichten Gehirne von Mainstream-Journalisten zu überrennen, aber er sagt eben gar nichts über die Wirklichkeit aus, denn die Wirklichkeit ist komplexer als es die künstliche Dichotomie von Schröder zu fassen vermag. Anders formuliert: Wiederholte man dasselbe Verfahren für Personen mit einer Parteineigung für die CDU und stellte diesen wieder alle anderen Befragten gegenüber, so käme das selbe dabei heraus. Diese Wette halten wir!
Schröders Junk ist somit weder reliabel noch valide, die Messung ist nicht wiederholbar, und er hat nicht gemessen, was er behauptet, gemessen zu haben ABER selbst wenn er gemessen hätte, was er behauptet, gemessen zu haben, dann müsste man abschließend konstatieren, dass eine Welt, in der es eine Meldung ist, dass es in einem Datensatz 517 Personen mit höheren Durchschnittswerten bei vermeintlichen Maßen für Ausländerfeindlichkeit gibt, eine Welt ist, in der Hysterie offensichtlich zur Normalität geworden ist oder in der politische Denunziation zum Mittel geworden ist, seine eigene Karriere befördern zu wollen. In Marburg ist man wohl noch nicht bei der Erkenntnis angekommen, dass ideologische Mätzchen ein denkbar schlechtes Mittel sind, um sich anzudienen. Sie sind im Gegenteil ein gutes Mittel, um sich nach Gebrauch durch die ideologische Manipulationsmaschinerie in der Gosse und unter denen wiederzufinden, die in vorausgehenden Andienversuchen auf der Strecke geblieben sind.
In einer Demokratie ist es darüber hinaus normal, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Meinungen und Einstellungen haben. Insofern hat Forschung zu Einstellungen keinerlei Neuigkeits- und sonstigen Wert, sie ist einfach nur langweilig und überflüssig, denn dass Deutsche in ihrem Denken auch nach Jahren der öffentlich-rechtlichen Belästigung nicht gleichgeschaltet sind, das wissen wir bereits.
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Auf der Seite 1 und auf der Seite 18 schreibt Autor Schröder sogar noch von »Wählern« der AfD. Von Wählern ist aber im SOEP erst recht nicht die Rede. Das Magazin Telepolis verwendet diese und eine andere Studie dann als Grundlage für einen Artikel über AfD-Wähler. Schlechte Studien führen also auch noch zur Desinformation.
Ja, gesehen. Aber auf Seite 1 beziehen sich die Wähler auf Lengfelds Text aus der KfZSS, den wir nicht kennen, und auf Seite 18 ist unklar, welcher Stellenwert den “AfD-Wählern” hier zukommt. Dass sich die Dementia in den Medien auf diesen Text stürzt, daran habe ich keinen Zweifel. Und daran, dass dort die Unterscheidung zwischen Parteineigung, Parteiunterstützung und Wahl einer Partei unbekannt ist, habe ich auch keinen Zweifel.
Holger Lengfeld hat an denselben Daten geforscht und kann im SOEP auch keine Wähler untersucht haben. Zitate:
»Der empirische Ertrag dieses Beitrags besteht darin, beide Thesen mit möglichst neuen, den höchsten Standards der Umfrageforschung entsprechenden Daten zu prüfen. Wir verwenden das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), Welle 33 (2016) und greifen dabei auf einen neu im SOEP verwendeten Indikator zur Messung von Einstellungen gegenüber Flüchtlingen zurück (Abschnitte 4 und 5).«
»Das zentrale Konstrukt ist die Parteiidentifikation. Wir vergleichen Personen, die sich mit der AfD identifizieren, mit Personen, die sich mit anderen Parteien identifizieren. Dabei müssen wir notwendigerweise Personen ausschließen, die sich mit keiner Partei identifizieren. Unsere um weitere fehlende Werte bereinigte Nettostichprobe umfasst 8447 Personen. Davon haben 460 Personen angegeben, zur AfD zu neigen, was einem Anteil von 5,5 Prozent (ungewichtet) aller Personen mit Parteiidentifikation entspricht.«
https://www.degruyter.com/view/j/zfsoz.2018.47.issue-3/zfsoz-2018-1012/zfsoz-2018-1012.xml
Oh, tut mir leid: Es gibt zwei Studien von Autor Holger Lengfeld. Ich bezog mich auf die aktuellere.
Das passt ins Bild dieser angeblichen Forscher, die halt irgendwelche Daten, mit denen irgendwas erhoben wurden, dazu ge- oder missbrauchen wollen, ihre Phantasie auszuleben, um ideologischen Kriege zu führen. Zwischen der Parteiidentifikation (Campbell, Converse, Miller & Stokes) und ihrer deutschen Adaption als Parteineigung besteht übrigens auch ein erheblicher Unterschied …
Tatsächlich hätte ich alle vier Fragen oben mit Ja beantwortet. Da bin ich wohl ein Ausländerfeind. Wollen wir mal hoffen, dass meine Freunde mit anderen Nationalitäten das nicht mitbekommen. 🙂
Nun, dann sind wir schon zwei …
Allerdings sei angemerkt, daß die 3. Frage nicht wirklich mit “ja” oder “nein” beantwortet werden kann, sondern daß man (aus)wählen muß, welcher These man zuneigt.
Unbestritten gibt es die ein oder andere Bereicherung, im großen und ganzen aber geht die Entwicklung wohl doch eher zum Untergraben der existierenden Kultur.
Ganz selbstverständlich mit Unterstützung einiger selbsternannter politischen Eliten, die diesem Land jegliche Kultur (und damit Existenz) absprechen …
Und damit sind wir schon drei.
Vergessen zu erwähnen: ich kann in DE gar nicht wählen, da ich Ausländer bin, bzw. im Ausland wohne und einen ausländischen Pass habe.
Nein, hier schon der vierte! 😀
Wäre Herr Schröder Soziologe, dann würde er soziologisch denken.
Würde er soziologisch denken, würde er versuchen, ein soziales Phänomen zu erklären.
Würde er soziologisch denken, aber nicht in die “höheren Regionen” der Erklärung sozialer Phänomene vorgedrungen sein, sondern in der beschreibenden Analyse von Kreuztabellen verharren, würde er zumindest solche Beschreibungen vornehmen, die sozioloigisch relevant sind.
Eine solche deskriptive Bestandsaufnahme von soziologischem Wert (weil gesellschaftlich relevant) wäre es, den Anteil von Befragten – gleich welcher Partei”nähe” – zu errechnen, die enormen demographischen Bewegungen wie einer unkontrollierten Zuwanderung von Menschen (als Flüchtlinge oder als was auch immer) vollkommen naiv wie die Kindlein gegenüberstehen und keinen Gedanken an die Lebenschancen der Zuwanderer ebenso wie der Autochthonen und an absehbare gesellschaftliche Folgen unkontrollierter Zuwanderung, insbesondere angesichts mangelnder Integrationsmöglichkeiten, verschwenden.
Wenn ein großer Teil einer Bevölkerung ihrer eigenen Zukunft und der von Leuten, die sie angeblich so gerne (im Land) haben, vollkommen naiv gegenübersteht und sich verhält wie die Lemminge, die hinlaufen, wohin man ihnen zu laufen sagt, weil das halt irgendwie “gut” sei, dann ist das m.E. ein sehr wichtiges Datum, das alle, die sich noch irgendwie verantwortlich fühlen für die Lebenschancen von Menschen in Deutschland (und anderswo), schleunigst zur Kenntnis nehmen sollten; Ausbildung von Problembewußtsein und Verantwortungsgefühl wäre angesichts eines großen Teils von Naivlingen in der Bevölkerung dringend erforderlich.
Aber Herr Schröder ist offensichtlich kein Soziologe.
Er ist jemand, der gruppenbezogenen Hass (gegen Leute, die die AfD nicht von vornherein verteufeln oder gegen Leute, die sich ernsthaft nach den Folgen von unkontrollierter Zuwanderung fragen, vermutlich beides) auslebt und sich hinter Daten versteckt, von denen er meint, sie gäben seinen unausgesprochenen Stereotypen und Vorurteilen der Art “Wenn jemand sich angesichts unkontrollierter Zuwanderung Sorgen um die Zukunft einer Gesellschaft macht, ist das ganz schlimm, aber ich weiß nicht warum” irgendeine Legitimität.
Sehr traurig, dass solche Leute an Instituten für SOZIOLOGIE angesiedelt werden, und sehr traurig, dass man an manchen Unis dabei zusieht, wie sie ihr Anstellungsverhältnis dazu missbrauchen, um ihre eigenen Stereotype und Vorurteile auszuleben und persönlich Unbewältigtes abzuarbeiten!
Aber naja, sehr viele Unis haben ja auch dabei zugesehen, wie ideologische Kader wie z.B. “Gleichstellungsbeauftragte” an ihren angeblich wissenschaftlichen Institutionen etabliert wurden, und viele Unis waren bereit, sich zu prostituieren und “Gender Studies” einzurichten und Geld zu nehmen für Stellen im Zuge des Professorinnenprogramms.
Was will man angesichts der inzwischen üblichen Veralberung von Wissenschaft erwarten?
Groben Unfug, was sonst?!
Es ist ja so, dass schon seit Jahren der Begriff “Ausländerfeindlichkeit” genau so weitreichend und undifferenziert zur Herabsetzung und Beleidigung des politischen Gegners benutzt wird. Praktisch niemand ist ausländerfeindlich. Mit dem Terminus Feindschaft, soll nur eine maßlose Aggression und Unfähigkeit zum rationalen Denken unterstellt werden. Dabei gibt es fast immer vielfältige rationale Gründe für eine räumlich und zeitlich begrenzte Ablehnung von Personen mit bestimmten Merkmalen. Deshalb stehen z.B. Raucher oft draußen.
Aus den erschröcklichen Erkenntnissen dieser Studie da ließe sich doch sicherlich auch herleiten, daß die Ausländerfeindlichkeit unter den Deutschen noch viel ausgeprägter und die Zahl der ausländerfeindlichen Deutschen weitaus höher ist, wenn wir uns noch die Dunkelziffer hinzu rechnen, wo all jene zu finden sind, die eine Afd deshalb nicht gewählt haben, weil sie vor sich selbst nicht als tendentiell rechtsradikal gelten wollten, aber insgeheim schon längst total ausländerfeindlich sind, da sie immer die Straßenseite wechseln, nur weil ihnen 14 junge ausländisch aussehende Männer entgegen kommen oder einen bis oben hin überfüllten und neulich erst, trotz Geburtenschwunds, mit extra Kinderwagenstellplätzen ausgebauten Bus erst gar nicht betreten, weil 90 Prozent der Fahrgäste ganz offensichtlich Ausländer sind, wozwischen sie sich in erster Linie aus Gründen der Ausländlerfeindlichkeit nicht hineinzwängen möchten.
Leider ist dies nicht die einzige Studie (zum Thema Flucht/Migration/Vielfältige Gesellschaft/Rechtspopulismus und -radikalismus), die in den letzten Jahren politische Aussagen mit nicht ganz sauberer Forschung verbindet. Man könnte sich ja über die „Schwachstellen“ der fraglichen Studien amüsieren, wären sie nicht auch gefährlich.
1. lernt eine Generation von Studenten, dass man unter „Ausländerfeindlichkeit“ und andere Begrifflichkeiten packen kann, was einem gefällt. Sprich: Man lernt nicht unbedingt, Umfragen sauber zu konzipieren und deren Ergebnisse sachlich zu interpretieren.
2. konsumieren Leser und User meist nur den schockierenden Titel und die Kurzmeldung mit prägnantem Inhalt, 99 % gucken nicht selber in die Studie.
3.entwickeln diejenigen Kommentatoren, die auch schon in den Pressemeldungen und kleinen Medienberichten zur Studie „Unzulänglichkeiten“ erkennen, eine generelle Abwehrhaltung gegenüber Experten und Untersuchungen/Umfragen und glauben gar nichts mehr.
Am 20.09. erscheint übrigens Herrn Prof. Martin Schröters „erstes populärwissenschaftliches Buch „Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig von Krisen reden“.
Hier also die Ankündigung von seiner Website:
„Ich weiß … dass fast alles besser wird, klingt zu gut, um wahr zu sein. Das dachte ich jedenfalls, bevor ich zu diesem Thema recherchierte. Doch das Ergebnis war verblüffend: Es stimmt, und mittlerweile kann ich es mit objektiven Daten und repräsentativen Umfragen beweisen.
Oder hätten Sie gedacht, dass kaum jemand in Deutschland unzufrieden ist? Auf einer Skala von 0-10 bewerten nur 7 Prozent der Deutschen ihre Lebenszufriedenheit mit weniger als 5 Punkten. Hätten Sie gedacht, dass kaum jemand in Deutschland sich für arm hält? Auch das stimmt: Nur 10 Prozent aller Deutschen bezeichnen ihre wirtschaftliche Situation als schlecht oder sehr schlecht. Können Sie glauben, dass Familien in Deutschland immer mehr Zeit miteinander verbringen? Dass kaum jemand einsam ist? Dass die Wahrscheinlichkeit, Terror- oder Gewaltopfer zu werden, noch nie so gering war? Dass die Luft- und Wasserqualität in Deutschland unvergleichlich besser ist als in der Vergangenheit? Objektive Daten zeigen genau das!
Aber nicht nur in Deutschland, auch in der Welt wird das Leben in fast jeder Hinsicht besser:
Verglichen mit den 50er Jahren ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, in einem Krieg umzukommen, um 90 Prozent gesunken. Noch Anfang der 1980er Jahre lebten über 40 Prozent der Menschheit in extremer Armut, selbst im Jahr 2000 waren es noch circa 30 Prozent, heute ist es nur noch einer von zehn. Mittlerweile sind zwei Drittel aller Länder der Welt demokratisch. Langfristig mehr als je zuvor. 98 Prozent aller Menschen haben heute einen höheren IQ als jemand mit durchschnittlicher Intelligenz vor 100 Jahren. Wenn Sie all das kaum glauben können und mehr darüber erfahren wollen, wie sich Lebensqualität verändert hat, wenn Sie auch wissen wollen, warum uns all das nicht klar ist, dann könnte Sie mein neues Buch interessieren.“ Benevento Bücher.
Ach, ich sehe schon die begeisterten Berichte in Frankfurter Rundschau und Süddeutscher Zeitung vor mir („Marburger Soziologie-Professor verordnet der Welt Optimismus/Es ging den Menschen noch nie so gut“), und DIE ZEIT macht bestimmt ein Interview, darauf möchte ich fast wetten. Sie mag Risikoforscher, die nachweisen, dass der Besuch eines Weihnachtsmarktes ungefährlicher ist als Fensterputzen im 2. Stock.
Mit ausgewählten Statistiken, vertrauenswürdig oder nicht, kann man eben fast alles in der Welt beweisen. Vielleicht sogar, dass es noch nie so wenig Migration gab wie derzeit und in den kommenden Jahrzehnten.
Das verwundert mich nicht, dass Herr Schröder ein solches Buch verfasst hat, denn wie gesagt: er ist ja kein Soziologe, sondern betrachtet es offensichtlich als seine Aufgabe, öffentlich finanziert die Verhältnisse zu BEWERTEN und gut oder schlecht zu schreiben, ganz nach Belieben, das wiederum von der Ideologie abhängt.
So frage ich mich z.B., ob Herr Schäfer in den Reigen seiner allgemeinen Wohlfühl-Bestandsaufnahme Größen aufgenommen hat wie z.B. die Höhe der Ausgaben von Privathaushalten für Energie oder die Entwicklung der Steuerlast oder die Entwicklung der linksextrem motivierten Straftaten. Die Lebenserfahrung lässt mich orakeln, dass das nicht der Fall ist.
ABER:
Mit Statistiken kann man NICHT alles in der Welt beweisen, auch nicht “fast” alles. So einfach ist das nicht. Wäre das einfach, dann hätte Herr Schröder seinen Daten, in denen das Ausmaß abgelegt ist, in dem sich Leute Sorgen im Zusammenhang mit unkontrollierter Massenzuwanderung machen, nicht brutale Gewalt antun müssen und behaupten müssen, etwas ganz anderes, nämlich Ausländerfeindlichkeit, sei gemessen worden.
Und dass “eine Generation von Studenten [lernt], dass man unter „Ausländerfeindlichkeit“ und andere Begrifflichkeiten packen kann, was einem gefällt. Sprich: Man lernt nicht unbedingt, Umfragen sauber zu konzipieren und deren Ergebnisse sachlich zu interpretieren”
halte ich für eine Untertreibung, die auch dem besten British understatement Konkurrenz machen kann:
Ich persönlich habe den Eindruck, dass das Problem dort beginnt, wo eine ganze Generation nicht mehr richtig sprechen lernt, also nicht mehr lernt, das semantische Feld eines Begriffs zu erkennen oder zu akzeptieren, frei nach dem Motto: “Ich benutze das Wort halt so – warum nicht?!”
Das entspricht der “Logik” derer, die daran interessiert sind, Deutungen zu setzen, statt sich mit anderen zu verständigen. Deshalb gilt für sie sprachlich “anything goes” (das weiß ich, seitdem ich Studenten in einer Statistikprüfung aufgefordert habe, eine Regressionsgerade einzuzeichnen, und daraufhin die allerschönsten Kurven erhalten habe), aber natürlich nur bei ihnen selbst und den Bewohnern derselben echo chamber, nicht bei anderen, die z.B. “Negerküsse”, geschweige denn “Mohrenköpfe” am Süßwarenstand kaufen wollen, auch, wenn das sicherstellt, dass sie bei der Transaktion die Ware bekommen, was sie haben wollen.
Mir scheint, im Augenblick wird im Westen ein besinnungsloses Taumeln durch einen ideologisch vermessenen Raum zelebriert, der auf einer gänzlich anderen Ebene als der real erfahrbaren Welt, die wir de facto bewohnen, liegt.