Ist Gauland Hitlers Reinkarnation?

In ihrer stetigen Suche nach kompromittierendem Material gegen die AfD sind die deutschen Medien einmal mehr fündig geworden (wie sie glauben). Ein anonymer Twitter-Nutzer, der Geschichte studiert zu haben behauptet, eine Behauptung, die der Tagesspiegel (und der Deutschlandfunk fehlt natürlich auch nicht) gerne an seine Leser, zum Nachweis der Qualifikation des Anonymen weitergibt, hat eine „Parallele“ wie die Tagesspiegler schreiben, gefunden, eine zwischen einem Beitrag, den Alexander Gauland in der FAZ veröffentlicht hat und einer Rede, die Adolf Hitler im November des Jahres 1933 als dann schon umfassend ermächtigter Reichskanzler vor Siemens-Arbeitern in Berlin gehalten hat.

Die Rede, die eher zu den obskuren Reden gehört, muss man erst einmal kennen, oder finden … Wie dem auch sei, ein Anonymer hat sie gefunden (mit oder ohne Google) und will „Parallelen“ zwischen Hitlers und Gaulands Äußerungen entdeckt haben.

Im Bemühen, zu diskreditieren, bleibt man in Deutschland selten allein. Ist die Lampe der Denunziation erst einmal gezündet, dann schwirren die Mücken …

Jonas Müller-Töwe (wie gewöhnlich bei Doppelnamen, sind wir doppelt misstrauisch), ein Politik-Redakteur beim „Nachrichtenportal t-online“, habe geprüft, was der anonyme Twitterer behauptet hat, so der Tagesspiegel. Als Ergebnis der Prüfung ist Müller-Töwe zu der erstaunlichen Erkenntnis gelangt, dass die „Struktur des Arguments und der Aufbau der Textpassage von Gauland auffällig Hitlers Rede“ ähnele.

Wie er zu dieser Erkenntnis gelangt ist, sagt der Mann mit den zwei Nachnamen nicht. Statt dessen verweist er auf die „Struktur des Arguments“.

Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass das Wort „Struktur“ immer dann auftaucht, wenn man seine Ahnungslosigkeit in vermeintlich wohlklingende Begriffe packen will oder wenn man sagen will, dass etwas ähnlich sei, aber nicht weiß, warum es das sein soll? Struktur ist schön schwammig, kann vieles sein, ein Muster, ein fester Rahmen, eine Maserung, ein Idealtypus, ein Modell, das Zusammenhänge beschreibt ….

In Verbindung mit Argument ist jedoch die Bedeutung klar: „Struktur des Arguments“ kann sich nur auf den logischen Aufbau einer Argumentation beziehen.

Stellen wir doch zunächst die Corpora Delicti einander gegenüber.

GAULAND:
„(…) Diese globalisierte Klasse sitzt in den international agierenden Unternehmen, in Organisationen wie der UN, in den Medien, Start-ups, Universitäten, NGOs, Stiftungen, in den Parteien und ihren Apparaten, und weil sie die Informationen kontrolliert, gibt sie kulturell und politisch den Takt vor. Ihre Mitglieder leben fast ausschließlich in Großstädten, sprechen fließend Englisch, und wenn sie zum Jobwechsel von Berlin nach London oder Singapur ziehen, finden sie überall ähnliche Appartements, Häuser, Restaurants, Geschäfte und Privatschulen. Dieses Milieu bleibt sozial unter sich, ist aber kulturell „bunt“.Das hat zur Folge, dass die Bindung dieser neuen Elite an ihr jeweiliges Heimatland schwach ist. In einer abgehobenen Parallelgesellschaft fühlen sie sich als Weltbürger. Der Regen, der in ihren Heimatländern fällt, macht sie nicht nass. Sie träumen von der one world und der Weltrepublik. Da dieses Milieu ,sexy’ ist, hat es auch auf Teile der Gesellschaft großen Einfluss, denen der Zutritt dorthin versperrt bleibt.Der globalistischen Klasse gegenüber stehen zwei heterogene Gruppen, die in der AfD eine Allianz eingegangen sind: zum einen die bürgerliche Mittelschicht, zu der auch der wirtschaftliche Mittelstand gehört, der nicht einfach seine Unternehmen nach Indien verlagern kann, um dort besonders billig zu produzieren; zum anderen viele sogenannte einfache Menschen, deren Jobs oft miserabel bezahlt werden oder nicht mehr existieren, die ein Leben lang den Buckel krumm gemacht haben und heute von einer schäbigen Rente leben müssen. Das sind zugleich diejenigen, für die Heimat noch immer ein Wert an sich ist und die als Erste ihre Heimat verlieren, weil es ihr Milieu ist, in das die Einwanderer strömen. Sie können nicht einfach wegziehen und woanders Golf spielen.“
HITLER:
„(…) Der Völkerstreit und der Haß untereinander, er wird gepflegt von ganz bestimmten Interessenten. Es ist ein kleine wurzellose internationale Clique, die die Völker gegeneinander hetzt, die nicht will, daß sie zur Ruhe kommen. Es sind das die Menschen, die überall und nirgends zuhause sind, sondern die heute in Berlin leben, morgen genauso in Brüssel sein können, übermorgen in Paris und dann wieder in Prag oder Wien oder in London, und die sich überall zu Hause fühlen.“ (Zuruf aus dem Publikum: „Juden!“) „Es sind die einzigen, die wirklich als internationale Elemente anzusprechen sind, weil sie überall ihre Geschäfte betätigen können, aber das Volk kann ihnen gar nicht nachfolgen, das Volk ist ja gekettet an seinen Boden, ist gekettet an seine Heimat, ist gebunden an die Lebensmöglichkeiten seines Staates, der Nation. Das Volk kann ihnen nicht nachgehen. Der Bauer, der ist auf seinem Boden festgelegt. Der Arbeiter er hängt an seinem Werk. Wenn es zugrunde geht, wo wird ihm geholfen? Was heißt heute internationale Solidarität? Alles Theorie in einer Zeit, in der überall die Not schreit und die Völker schwer kämpfen müssen um ihr Dasein. Nicht die intellektuellen Schichten haben mir den Mut gegeben, dieses gigantische Werk zu beginnen. Sondern, das kann ich sagen, diesen Mut habe ich nur gefaßt, weil ich zwei Schichten kannte, den Bauer und den deutschen Arbeiter.“ (Jubel) (…)

Die Struktur des Arguments ist in beiden Fällen eine Implikation. Implikationen sind die häufigsten unter den Argumenten. Selbst der anonyme Twitter-Nutzer hat sich einer Implikation schuldig gemacht, wenn er schreibt, dass ihn der Beitrag von Gauland an eine Rede von Hitler erinnert habe: Wenn Gauland das so sagt, dann erinnert das an Hitler, der das so ähnlich gesagt hat. Das ist eine Implikation.

Müller-Töwe, der Mann, dem ein Nachname nicht genug ist, ist offensichtlich in seiner Verwendung des Begriffs „Struktur des Arguments“ ebenso unsicher, wie in der Wahl eines Nachnamens.

Er kann mit „Struktur des Arguments“ kaum die logische Struktur der Implikation meinen, denn Implikationen benutzen wir alle, jeden Tag mehrmals. Demnach wären wir, hätte Müller-Töwe vom Nachrichtenportal t-Online Recht, alle und ständig „Hitler“.

So dumm ist nicht einmal Müller-Töwe, wie wir hoffen. Also muss er mit „Struktur des Arguments“ den Inhalt meinen. Im Bemühen, gelehrt zu erscheinen, hat er sich eben im Begriff vergriffen. Was er sagen will ist, dass ihn das, was Gauland gesagt hat, an Hitler erinnert. Das ist sein gutes Recht. Manche, denen man Tintenkleckse vor die Nase hält, die ein normaler Mensch als Tintenkleckse identifiziert, sind in der Lage, ganze Landschaften, Gebirge oder ihren Nachbarn zu erkennen.

Im Hinblick auf Gauland und Hitler steht und fällt die Behauptung von Müller-Töwe also mit der Frage, ob sie intersubjektiv nachvollziehbar ist, auch außerhalb seiner Vorstellungswelt gilt.

Rekonstruieren wir also die inhaltliche „Struktur“ der Aussagen.

Hitlers Ausgangspunkt ist das „Aufeinanderhetzen der Völker“. Die Völker werden nach seiner Ansicht durch heimatlose Menschen aufgehetzt, die in Berlin, Brüssel, London oder Paris sein können. Sie sind mit ihren Geschäften nicht ortsgebunden. Das Volk ist aber an den Boden gekettet. „Der Arbeiter“ ist von seinem Arbeitsort abhängig, der Bauer von seinem Acker. Weitere Ausführungen macht Hitler dazu nicht.

Gauland stellt eine globalisierte Klasse von Individuen, die in Unternehmen, NGOs, Medien, Universitäten, Parteien usw. tätig sind, dem wirtschaftlichen Mittelstand und den „sogenannten einfachen Menschen“ gegenüber. Erstere kontrollieren bei Gauland die Information, geben politisch und kulturell den Takt vor. Sie leben in Großstädten und bleiben dort weitgehend unter sich. Letztere können ihre Produktion nicht einfach verlagern oder müssen nach einem Erwerbsleben von einer mageren Rente in Deutschland leben. Weil erstere Informationen kontrollieren und den Takt vorgeben, schaffen sie für letztere Externalitäten, denen sich Letztere nicht entziehen können, Erstere schon.

Die verdichtete Struktur bei Hitler und Gauland:

Hitler:

  • Wurzellose internationale Clique, die Völker gegeneinander aufhetzt.
  • Kann ihre Geschäfte überall erledigen;
  • Ist mobil und heimatlos.
  • Ihnen stehen Arbeiter und Bauern gegenüber, die an Boden und Heimat gekettet sind.

Gauland

  • Globalisierte Klasse steht wirtschaftlichem Mittelstand und Arbeitern gegenüber.
  • Globalisierte Klasse lebt in Großstädten, kontrolliert Information, gibt Takt vor.
  • Globalisierte Klasse ist exklusiv.
  • Globalisierte Klasse lebt in ideologischem Traumland.
  • Globalisierte Klasse verwirklicht ihre Phantasien und schafft Externalitäten für wirtschaftlichen Mittelstand und Arbeiter.
  • Die Externalitäten sind für den wirtschaftlichen Mittelstand und die Arbeiter negativ, sie leiden unter der Phantasie der globalisierten Klasse bzw. haben deshalb Nachteile: Sie können Produktion nicht verlagern, leben von kleiner Rente trotz lebenslanger Maloche, sind mit der Zuwanderung konfrontiert, die die globalisierte Klasse losgetreten hat, um ihre ideologische Vision zu verwirklichen.

Das sind nun zwei vollkommen unterschiedliche Aussagen.

Während bei Hitler die „wurzellose internationale Clique“ friedliebende Völker gegeneinander aufhetzt, beschreibt Gauland das, was man früher als Internationalisierung (oder auch Globalisierung) bezeichnet hat, jenen Prozess, der Gewinner und Verlierer hat, wie die meisten, die sich in diesem Feld äußern, behaupten.

Die Aussage von Gauland ist eine, die man bei Gewerkschaften finden kann, die gegen Internationale Konzerne zu Felde ziehen, die ihre Produktion in Niedriglohnländer verlagern und ihre Produktionsstätten in Deutschland schließen. Sie nutzen ihre internationale Mobilität aus, um für sich Vorteile zu erwirtschaften und lassen Arbeitslosigkeit bei denen, die nicht mobil sind, zurück, so steht es in unzähligen Pamphleten von Gewerkschaften, die sich gegen Kapitalisten richten.

Die Aussage von Gauland kann man auch bei Grünen und der LINKEn finden, die gegen angeblich Steuerflüchtige agitieren und sich ereifern, dass angeblich Reiche ihr Geld vor dem Fiskus auf den Seychellen oder den Cayman Islands in Sicherheit bringen. Die Reichen nutzen ihre Mobilität und lassen die Armen, die in Deutschland an das Finanzamt gekettet sind, weil sie kein Konto auf den Cayman Inseln haben, alleine Steuern zahlen.

Man findet die Aussage, wie sie Gauland macht, in inverser Weise auch bei denen, die sich für besonders gute Menschen halten und gegen Rassismus agitieren, denn sie verlautbaren regelmäßig, dass diejenigen, die nicht mobil sind und zuhause bleiben, denen gegenüber die mobil sind und wandern, negativ eingestellt sind, während große Organisationen, wie die UN oder die linke Internationale oder die Lebensretter im Mittelmeer, die mobilen aufsammeln und im stationären Bereich des Aufnahmelandes abliefern, und dort Externalitäten verursachen, die ihnen wiederum egal sind.

Man kann die Aussage von Gauland in vieler Weise anwenden und kommt zumeist zu dem Schluss, dass man es mit einer Sicht auf die Welt zu tun hat, die man eher bei Linken als bei Rechten (Alain de Benoist lassen wir unberücksichtigt) vermutet hätte.

Zusammenfassend:

Während Hitler behauptet, eine a) internationale Clique wolle Krieg anzetteln, von denen sie b) nicht betroffen sei, sagt Gauland, dass es eine Klasse von Individuen gibt, die a) in einer ideologischen internationalisierten Traumwelt lebt, in der sie b) Traumentscheidungen treffen, die c) in der realen Welt zu Konsequenzen führen, die nicht d) die Traumlandbewohner, sondern die Menschen in der realen Welt zu tragen haben.

Natürlich kann man eine Gemeinsamkeit zwischen beiden Aussagen konstruieren, die darin besteht, dass ein Gruppe von Menschen etwas zu ihrem ideologischen oder persönlichen Nutzen durchsetzen will, das eine andere Gruppe von Menschen schädigt. Aber wenn man auf dieser allgemeinen Grundlage eine Gemeinsamkeit konstruieren will, dann hat dies zur Konsequenz, dass auch Gewerkschaftsfunktionäre, LINKE, die Grünen und viele mehr, die sich dahingehend äußern, dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen ihre größere Mobilität ausnutzen, um sich Vorteile zu verschaffen, (Unternehmen, Kapitalisten, Linke Ideologen …), Parallelen zu Hitler aufweisen. Das macht die Sinnlosigkeit des Denunziationsversuches und die Trivialität der entsprechenden Behauptung sehr deutlich.

Man kann natürlich auch zugeben, dass es alleine darum gegangen ist, Gauland zu diskreditieren, zu denunzieren und damit eingestehen, dass man zu den bösartigen unter den Zeitgenossen gehört.

Eine andere Alternative gibt es unseres Wissens nach nicht.

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