SPD, Medienbeteiligungen und Zensur: Kommt zusammen, was zusammengehört?

Roland Tichy, der Herausgeber von Tichys Einblick, hat einen Beitrag gelöscht.

Nicht freiwillig oder weil darin Fehler nachgewiesen worden wären, sondern quasi als pre-emptive strike, um einer Unterlassungsklage zuvor zu kommen. Ob Tichy auch eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, ob eine Unterlassungserklärung von einem Anwalt, der den SPD-Vorstand oder den SPD-Schatzmeister vertritt, angestrengt wurde, ist unklar, anders formuliert: Die Hintergründe sind so schattig, wie die Hintermänner mancher Zeitungen es sind.

Und genau darum ging es im Beitrag von Tichy, um die Hintermänner, die politischen Hintermänner, die Tichy steuernd auf die Inhalte eines Großteils der deutschen Presselandschaft Einfluss nehmen sieht.

Die SPD, das wissen immer noch zu wenige, ist eigentlich gar keine Partei. Die SPD ist eine Art Geldsammelstelle. Die SPD in ihrer Facette als Partei schwimmt im Geld der Steuerzahler. Und wenn sie nicht im Geld der Steuerzahler schwimmen würde, dann wären da immer noch die Medienbeteiligungen, die die SPD über ihr Unternehmen dd.vg hält.

Wir haben uns schon vor Jahren die Mühe gemacht, die Medienbeteiligungen der SPD zusammenzustellen. Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich hatte dankenswerter Weise schon viel Vorarbeit geleistet, freilich ohne, dass damit irgendeine Konsequenz verbunden gewesen wäre. Wir haben zusammengesucht, zusammengestellt und aufbereitet. Das Ergebnis, immerhin 412 Seiten mit Medienbeteiligungen der SPD, wie sie im Jahr 2016 gegeben waren, findet sich hier.

Die stattliche Liste, die schon 2016 zusammengekommen ist, wirft natürlich die Frage auf, ob es lauter ist, wenn die Gefahr quasi maximiert wird, dass eine Partei ihre politische Ideologie über eine Vielzahl von Medienbeteiligungen verbreiten kann, ohne dass dies den Lesern, Hörern oder Zuschauern bewusst ist, denn auf der Leipziger Volkszeitung steht immer noch „unabhängig“, obwohl die Postille zu Madsack gehört und die SPD an Madsack mit 23,1% über die dd.vg beteiligt ist.

23,1% sind, wie Ökonomen sagen, ein großer, aber kein beherrschender Einfluss (Juristen haben das übernommen), wenngleich, abermals als Maximierung von Risiko, es durchaus vorstellbar ist, dass eine Regierungspartei politische Gefallen gegen eine entsprechende Berichterstattung in Zeitungen, die sowieso schon SPD-lastig sind, verkauft. Ob die SPD das tut, ist unklar. Warum sich die SPD, die eine lautere Partei, eine ehrliche Partei sein will, dem Risiko aussetzt, dass rationale und deshalb für manche böse Zungen wie wir darauf hinweisen, dass die Verquickung von politischen Parteien und angeblich unabhängigen Medien etwas Unappetitliches aufzuweisen hat, das einen penetranten Gestank von politischer Korruption verbreitet, das ist eine Frage, die die Politiker der SPD beantworten können. Vielleicht fragt sie einmal jemand.

Die Beteiligung von Parteien an Medien ist nicht zum ersten Mal im Rampenlicht. Schon 2006 und 2008 gab es erhebliche Debatten über die Zulässigkeit von Medienbeteiligungen an privaten Medienunternehmen, damals vornehmlich privaten Rundfunkanstalten, die der Zweite Senat des Bundesverfassungsgericht dann 2008 für rechtens erklärt hat. Beim Bundesverfassungsgericht ist man der Auffassung, dass ein absolutes Beteiligungsverbot von Parteien an Medienunternehmen unnötig sei, da eine Einschränkung der Meinungsvielfalt durch diese Beteiligungen nicht erfolge.

Nun ist das Bundesverfassungsgericht ein politisches Gericht. 50% der Richter werden von Parteien ernannt bzw. ausgeklüngelt. Wäre das Bundesverfassungsgericht ein ernstzunehmendes Gericht, die mit Hilfe von Parteien ins Verfassungsgericht gelangten Richter hätten die eigene Befangenheit erklärt und die verbleibenden Berufsrichter urteilen lassen. Sie haben es nicht getan. Das sagt eigentlich alles, was man über das Bundesverfassungsgericht wissen muss.

Malte Cordes hat in einem wichtigen Beitrag aus dem Jahre 2009 „Medienbeteiligungen politischer Parteien – zugleich eine Besprechung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 2008 – 2 BvF 4/03“ umfangreiche Kritik am Urteil des Bundesverfassungsgerichts geübt, das den Parteien so gelegen gekommen ist. Wir zitieren das Fazit eines viel zu wenig verbreiteten Beitrags in der Zeitschrift für Parlamentsfragen:

„Aufgrund einer strukturellen Inkompatibilität der demokratiestaatlichen Funktionen von Parteien und Medien sind jedenfalls solche Medienbeteiligungen politischer Parteien verfassungsrechtlich unzulässig, durch die eine Partei auf ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Überdies ist – entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts – auch ein Ausschluss geringfügiger mittelbarer und unmittelbarer Beteiligungen angezeigt, sofern eine Bagatellgrenze nicht unterschritten wird und die redaktionelle Arbeit objektiv einem politischen Einflusspotenzial ausgesetzt ist“.

Die Frage, ob Medienbeteiligungen von Parteien zulässig sind, hängt somit für Cordes davon ab, welcher tatsächliche (objektive) Einfluss auf die Berichterstattung in Medien von Parteien als Unternehmensbeteiligten ausgeht.

Tichy hat nun in seinem Beitrag darauf hingewiesen, dass durch die Schaffung zentraler Strukturen, wie sie das Redaktionsnetzwerk darstellt, mit dem Madsack nicht nur die eigenen, sondern weitere kleine Zeitungen quer durch Deutschland mit dem Mantel, also den überregionalen und internationalen (politischen) Nachrichten versorgt, ein weiteres Stück Unabhängigkeit und damit in der Definition des Bundesverfassungsgerichts „Medienvielfalt“ verloren gegangen ist. Auch das haben wir im Juni 2018 bereits vorweggenommen, als wir von der Gleichschaltung der Printmedien geschrieben und das Bundeskartellamt im Tiefschlaf beobachtet haben.

Da die SPD an Madsack mit 23,1% über die dd.vg beteiligt ist und Madsack über das Redaktionsnetzwerk mehr Zeitungen beliefert als die, an denen die SPD über Madsack beteiligt ist, ist es an der Zeit, die Frage, welchen Einfluss die SPD auf die Berichterstattung in Medien landauf landab hat, neu zu stellen und zu untersuchen, ob die Kriterien für die Annahme, dass ein mittelbarer oder unmittelbarer beherrschender Einfluss gegeben ist, erfüllt sind. Wer, welche Partei, welcher Bundestagsabgeordnete findet sich wohl bereit, einen solchen Normenkontrollantrag beim – ausgerechnet: Bundesverfassungsgericht zu stellen?

Davon abgesehen ist es natürlich mit keinem Prinzip der Demokratie zu vereinbaren, dass eine Partei an zahllosen Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehsendern beteiligt ist. Die Gefahr, sich dem Vorwurf politischer Korruption auszusetzen, sollte das eigentlich verbieten. Dass sich die SPD trotz dieser Gefahr nicht von ihren Medienbeteiligungen trennen mag, diese womöglich noch ausbaut, lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass die Parteiführung es billigend in Kauf nimmt, einigen, manchen, vielen [Zutreffendes unterstreichen] wie ein korrupter Haufen von Möchtegern-Manipulateuren zu erscheinen.

Derartige Kosten nimmt ein rationaler Akteur nur in Kauf, wenn der Nutzen die Kosten übersteigt.

Worin auch immer dieser Nutzen bestehen mag, Wählerstimmen gehören nicht dazu. Die SPD geht in Richtung 10%, ist zu dem geschrumpft, was man in der Parteiforschung eine Interessenpartei nennt. Das ist die gute Nachricht: Falls die SPD versucht, über ihre Medienbeteiligungen ihre Wählerschaft zu vergrößern, dann ist dieses Unternehmen krachend gescheitert.

Was die Antwort auf die Frage, warum die SPD die Gefahr in Kauf nimmt, wie ein korrupter Haufen von Möchtegern-Manipulateuren zu erscheinen, noch interessanter macht.

Übrigens haben sich diejenigen, die dafür sorgen wollten, dass Tichys Text in der Versenkung verschwindet, einen Bärendienst erwiesen. Kaum ein Text wurde so häufig an unterschiedlichen Stellen außerhalb von Archive.org gepostet, wie der Text, den man bei Tichy mittlerweile nicht mehr lesen kann.

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