Framing für Arme: Wenn Dilettanten sich sozialpsychologischer Konzepte bemächtigen

Spätestens seit die ARD sich in einem Framing-Manual das hat erzählen lassen, was man wohl nur als „utter Bullshit“ bezeichnen kann, ist der Begriff des Framings in aller Munde und wie so oft zeichnet sich der Diskurs in Deutschland dadurch aus, dass viele eine Meinung und Überzeugung zum Framing haben, aber nur wenige eine Ahnung davon, was das Konzept beschreibt.

Den bislang größten Unsinn haben die Neuen Deutschen Medienmacher mit dem folgenden Tweet verbreitet:

Jeder Erstsemester in Psychologie oder Sozialpsychologie weiß, dass die Medienlacher hier eine einfache Assoziation beschreiben. Je nach Erfahrungshintergrund haben Menschen unterschiedliche Assoziationen, die sie mit Begriffen verbinden. Sie hören Zitrone und denken an den letzten Urlaub im Sudan, daran, dass jetzt bestimmt wieder so ein Knallkopf von Medienmacher versucht, sie zu framen oder daran, dass Zitronen in die Klasse der Südfrüchte gehören, Vitamin C enthalten und als heiße Zitrone gut sind, um Erkältung zu bekämpfen oder gut sein sollen.

Framing ist etwas GANZ ANDERES.

Es beginnt schon damit, dass Framing nicht Gedanken auslösen will, wie die Neuen Deutschen Medienquacksalber meinen, sondern VERHALTEN, es soll durch die Einbindung der anstehenden Verhaltensentscheidung in eine Rahmengeschichte beeinflusst werden.

Wir haben schon wiederholt Experimente von Amos Tversky und Daniel Kahneman beschrieben, den beiden Vätern des Framing, die das deutlich machen. Das bekannteste Experiment testet Entscheidungen von Probanden in Abhängigkeit von der Formulierung einer Entscheidungs-Aufgabe.

Die Situation ist folgende: Eine Epidemie ist ausgebrochen. Ein Impfstoff, der in aller Eile entwickelt wurde, verspricht, die Zahl der Opfer zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund sollen sich die Probanden für oder gegen den Einsatz des Impfstoffs entscheiden, wobei zwei Frames vorgegeben sind, ein Mortalitätsframe und ein Überlebensframe. Beide unterscheiden sich lediglich in der Art der Formulierung voneinander. Im ersten Fall sterben 75% der Geimpften, im zweiten Fall überleben 25%. Wie sich herausstellt, wird die Entscheidung, den den Impfstoff einzusetzen, häufiger im Überlebens- als im Mortalitätsframe getroffen.

Dass dem so ist, das hat nun ÜBERHAUPT nichts mit Assoziationen zu tun, von denen neue Deutsche Medienlacher glauben, sie stellten Framing dar.

Tversky und Kahneman haben die Logik hinter ihrem Ergebnis in eine Theorie verpackt, die sie „Prospect Theory“ genannt haben, und wie folgt beschrieben:

„Prospect theory distinguishes two phases in the choice process: a phase of framing and editing, followed by a phase of evaluation. The first phase consists of a preliminary analysis of the decision problem, which frames the effective acts, contingencies and outcomes. Framing is controlled by the manner in which the choice problem is presented, as well as by norms, habits and expectancies of the decision maker”.

Die Art und Weise, wie ein Entscheidungsproblem, das in VERHALTEN resultieren soll, präsentiert wird, geframed ist, trifft also auf Normen, auf Erfahrungen, Verhaltensweisen, Routinen, auf Wissen, Präferenzen und allerlei sonstige Dinge, die Kahneman und Tversky später als Heuristiken bezeichnet haben. Heuristiken stellen Shortcuts dar, derer sich Menschen in Entscheidungssituationen bedienen, um den Entscheidungsprozess kurz zu halten, den Ressourceneinsatz, also Zeit, Gehirnschmalz, Beobachtung usw. zu minimieren.

Im Hinblick auf Handlungspräferenzen greifen Tversky und Kahneman auf eine lange Reihe von Forschungsergebnissen zurück, die zeigen, dass Menschen im groben in risikofreudige (risk seeking) und Risiko vermeidende (risk avoiding) Menschen unterteilt werden können. Diejenigen, die Risiko suchen, sind seltener als diejenigen, die auf Nummer sicher gehen. Das erklärt den Unterschied im oben beschriebenen Experiment, denn der Mortalitätsframe korreliert mit Risiko, während der Überlebensframe auf Sicherheit rekurriert.

Lange Rede kurzer Sinn: Während man bei den Dilettanten, die Neue Medien machen wollen, der Ansicht sind, man müsse Menschen nur ein Stöckchen hinhalten, um sie hüpfen zu lassen, hat Forschung wieder und wieder belegt, dass Menschen keine leeren Eimer sind, sondern in ihren Gehirnen Präferenzen, Normen, Werte, Erfahrungen, Wissen und vieles mehr gespeichert haben, auf das der Versuch, sie zu framen, trifft.

Während Neue Deutsche Medienmacher offenkundig mit einer Zitrone zum säuerlichen Dope gemacht werden können, ist die Mehrzahl der Menschen diverser, komplexer, vermutlich auch intelligenter.

Ist es nicht verblüffend, dass diejenigen, die der Diversität von morgens bis abends huldigen, auch diejenigen sind, die Menschen für einfältige, leicht beeinflussbare, framebare bzw. dumme Marionetten halten, die man alle über einen Kamm scheren und nach Lust und Laune manipulieren kann?

 

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