Rechtsextreme Schweigeminute: Essentialistischer Irrsinn feiert Feste in Deutschland

Seit wenigen Tagen ist Thomas Haller vielen ein Begriff.

Thomas Haller ist mit 55 Jahren an Krebs verstorben. Aber nicht aus diesem Grund ist er vielen ein Begriff.

Der WELT gilt er als „bekennender Neonazi“.

Der Tagesspiegel erkennt in Haller einen „verstorbenen Neonazi“.

Tag-24 spricht von einem „Ex-Neonazi“.

Dem Deutschlandfunk gilt er als Hooligan und Rechtsextremer.

Die Verdikte über den Toten sind schnell gefällt. Jeder meint zu wissen, der Mann war ein Nazi, ein Neonazi, was mehr gibt es über ihn zu sagen?

Und doch bleibt die Suche nach den schrecklichen Taten, die Haller angelastet werden können, merkwürdig ergebnislos. Niemand verweist auf vorhandene Vorstrafen. Scheinbar hat der mit 55 Jahren an Krebs verstorbene Chef von Haller Security keine. Auch seine rechtsextremen Verfehlungen sucht man vergeblich. Niemand zitiert die Aussagen, die ihn als „bekennenden Nazi“ ausweisen sollen, nicht einmal die, die ihn als solchen bezeichnen. Niemand recherchiert, was den Mann zur angeblichen „Größe der lokalen Neonazi-Szene“ gemacht hat.

Die wenigen, die ihm etwas „Rechtes“ zur Last legen, verweisen auf HooNaRa, “Hooligans, Nazis und Rassisten”, eine Gruppe, die Haller gegründet haben soll, eine Gruppe, die hauptsächlich durch Schlägereien im Hooligan-Milieu von sich Reden gemacht hat und seit 2007 als nicht mehr existent betrachtet werden muss. Haller soll sie gegründet haben. Und natürlich gibt es die „Vermutung“, dass HooNaRa mit dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Verbindung gestanden hat. Solche Vermutungen kosten nichts, wer Nazis finden will, wird durch deratig konstruierte und unbelegte Unterstellungen schnell fündig.

Dessen ungeachtet ist Thomas Haller zum einen tot und zum anderen ein „bekennender Neonazi“. Und als Letzterer ist er für Gutmenschen kein Mensch mehr. Der in Deutschland herrschende Essentialismus, der einst „dem Juden“ jede Menschlichkeit abgesprochen hat, er spricht nun ehemaligen, aktuellen oder bekennenden Neonazis, die aus ihrem Glaubensbekenntnis heraus anscheinend nichts getan haben, was man als Schaden ihres Bekenntnisses anführen könnte, jede Menschlichkeit ab.

Der Neonazi, der neue Untermensch, der neue Volksschädling.

Deutsche sind wieder einmal nicht fähig oder nicht willig, zwischen einer zugeschriebenen Eigenschaft eines Menschen und ihm als Mensch zu unterscheiden, ihn als Mensch zu respektieren. Wer die falsche Herkunft (früher) oder die falsche politische Einstellung (heute) hat, der ist vom Wesen her verderbt, ein Unmensch, eine Bestie, etwas, dem man jede Form der Menschlichkeit absprechen kann, weil er ein bekennender oder auch nicht bekennender … was auch immer war.

Angesichts der Willkür, mit der man heute in Deutschland zum Rechten oder Nazi erklärt wird, sind derart hysterische Wesenszuschreibungen nicht nur unglaubwürdig, sie sind lächerlich. In der rationalen Welt, in der Taten, nicht Einstellungen zählen, in der keine Wesenszuschreibungen gemacht werden, Menschen nicht deshalb zu Bestien erklärt werden, weil sie die falsche politische Einstellung haben, sondern deshalb, weil sie sich wie Bestien VERHALTEN, kann man sich über die hysterische Art, in der deutsche Medien über eine Schweigeminute und eine „Pyroshow“ im Stadium eines Viertligisten herfallen, nur wundern. Aber, etwas Gutes hat das ganze: Altglienecke, von dem die meisten bis vor kurzem nicht einmal wussten, dass es existiert, ist auf der Landkarte (irgendwo bei Chemnitz) aufgetaucht, nicht nur das: dass in Altglienecke Fußball gespielt wird, ist seither auch bundesweit bekannt.

Wenn eines Menschen, der als bekennender Neonazi gilt, ohne dass man sagen könnte, was genau er bekannt hat, wenn einer, der vor mehr als einem Jahrzehnt eine Gruppe gegründet hat, deren Namen bereits zeigt, dass ihr Zweck die Provokation der Gutmenschen ist, ein gerade unter Fußballfans verbreitetes Motiv, um sich von Anzug-Trägern und denen, die Fußball zum Nebenereignis für Prosecco-Schlürfen machen wollen, zu differenzieren, gedacht wird, dann tobt die deutsche Journaille. Und „Hooliganexperten“ wie Robert Claus, fällt nichts anderes ein, als einmal mehr die Schuld bei einem traditionellen Männerbild und Machtanspruch zu suchen (doppelte Redaktionsgähnen).

Der angebliche Machtanspruch und das furchtbare traditionelle Männerbild hat dazu geführt, dass in Chemnitz eines Menschen gedacht wurde, eine Schweigeminute und ein paar warme Worte für die Angehörigen, denn selbst Thomas Haller, der nun von Medien zur Neonazi-Bestie stilisiert werden soll, ohne dass ihm offensichtlich auch nur eine strafrechtlich relevante Verfehlung zur Last gelegt werden kann, hat Angehörige, war doch tatsächlich ein Mensch, mit dem es offenkundig eine große Zahl von anderen gerne zu tun hatte. Ob das Erschrecken vieler Linker auf den Neid zurückgeführt werden muss, dass ihnen kaum jemand eine Träne nachweinen würde, geschweige denn, ihrer mit einer Schweigeminute zu gedenken, ist eine Frage, die sich aufdrängt. Keine Frage ist es, dass die derzeitige linke Gesinnungsdiktatur eine entmenschlichte Form angenommen hat, in der der essentialistische Fehlschluss zur Normalität erhoben wird und die in ihrer Kälte an den Stalinismus erinnert, wie in Max Eastman, ein guter Freund von Lenin, beschrieben hat: er beschreibt den Stalinismus als unbarmherzig, barbarisch, ungerecht, unmoralisch, antidemokratisch, als eine Staatsform, die keinerlei Bedenken daran zulässt, im Recht zu sein, und keinerlei Hoffnung für diejenigen lässt, denen die falsche Gesinnung attestiert wird.

Ein Merkmal von Menschen, das in allen Religionen vorzufinden ist, ist die Fähigkeit zu Empathie oder zum Mitleid. Niemand von uns stirbt gerne, na ja, fast niemand. Mit Tod konfrontiert, äußern Politiker häufig die Floskel der Gedanken, die bei den Angehörigen seien. Das gilt aber offenkundig nur für bestimmte Tote und bestimmte Angehörige, und ist entsprechend überhaupt nichts wert, denn es enthält keinerlei menschliche Regung. Die Unfähigkeit zur Trauer, die auf der linken Seite des politischen Spektrums vorhanden ist, die Unfähigkeit, in einer Schweigeminute etwas anderes als eine politische Kundgebung zu sehen, legt die Antwort auf die Frage, wo hier eigentlich die Bestien sind, mehr oder minder nahe.

Die psychische Notdurft, die offenkundig die Gutmenschen-Hysterie antreibt, hat nunmehr dafür gesorgt, dass jede Fan-Szene, die nach einer Möglichkeit sucht, der Anzugs-Kultur im Club, die man gemeinhin zum Kotzen findet, Beine zu machen, weiß, wie es geht. Eine Schweigeminute reicht, um ein Ausmaß an Hysterie freizusetzen, das man in keiner Weise mehr als normal empfinden kann oder frei nach Henryk Broder: Deutschland ist ein Irrenhaus, könnte man es überdachen, wäre es eine geschlossene Anstalt.

Ein relativ sachlicher Beitrag findet sich hier.

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