Die ScienceFiles Brexit-Abstimmung
Während sich deutsche Journalisten darüber echauffieren, dass in Britannien bereits im Jahre 1604 parlamentarische Regeln bekannt waren, während der Begriff des Parlamentarismus in Deutschland erst rund 250 Jahre später eine zeitlich und räumlich kurze Verbreitung gefunden hat, anstatt ihre Leser und Zuhörer mit ihren intimen Kenntnissen britischer Politik zu beeindrucken, haben sich die Kollegen von der BBC bemüht, ein wenig Licht ins Dunkel dessen zu bringen, was nun, nachdem John Bercow seinem Image als parlamentarischer Animateur, als Conferencier im Club HoC gerecht geworden ist, passieren kann. Dabei ist eine sehr nützliche Grafik herausgekommen.
Die hier:
Schön zu sehen ist in der linken Spalte, dass die Voreinstellung: Brexit am 29. März, 23.00 Uhr GMT, Gesetz ist und dann, wenn der Europäische Rat eine Verlängerung der Verhandlungen akzeptiert, durch ein neues Gesetz, das wiederum eine Mehrheit im Unterhaus finden muss, ersetzt werden muss. Dabei muss das Gesetz durch beide Häuser, ein Vorgang, der normalerweise mindestens 21 Tage in Anspruch nimmt. Hier wäre indes nur ein bestehendes Gesetz zu ergänzen, wobei abermals beide Häuser, das House of Commons und das House of Lords, zu beteiligen sind, was zum bekannten Ping Pong zwischen beiden Häusern führen kann.
Steht am Ende dieses Prozesses eine Zustimmung zur Veränderung des Austrittsdatums, dann ist der Brexit verschoben, wenn nicht, findet er am 29. März 2019, 23.00 Uhr GMT statt.
Gibt es bei der EU einen oder mehrere Mitgliedsstaaten, die ihr Veto gegen eine Verlängerung der Verhandlungen mit dem UK einlegen, dann gibt es auch keine Verlängerung der Verhandlungen. Gerüchte, die in Deutschland verbreitet werden, behaupten eine Absprache zwischen Nigel Farage und der italienischen Regierung. Ob etwas dran ist? Wer weiß.
Lehnt der Europäische Rat eine Verlängerung ab, dann – so will es die BBC – können die Abgeordneten noch einmal über den Brexit Deal von Theresa May abstimmen. Nachdem John Bercow gestern festgestellt hat, dass eine solche Abstimmung nur dann erfolgen könne, wenn substantielle Änderungen am Withdrawal Agreement vorgenommen würden, weil man Abgeordnete nicht so lange über dasselbe Gesetz oder denselben Vertrag abstimmen lassen kann, bis sie zustimmen, ist dieser Weg nur mit Mühe begehbar, setzt er doch voraus, dass in aller Eile eine substantielle Änderung am Withdrawal Agreement mit der EU vereinbart wird.
Gibt es keine Abstimmung mehr, dann erfolgt der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU am 29. März 2019 um 23.00 Uhr GMT.
Eine letzte Möglichkeit, die BBC ist der Sender, bei dem die Hoffnung, man könne den Brexit verhindern, erst dann stirbt, wenn die BBC-Finanzierung aus öffentlichen Mitteln gestrichen wird, besteht in einem Gesetz, mit dem die Abgeordneten den vor knapp zwei Jahren ausgelösten Austrittsprozess auf Grundlage von Artikel 50 beenden und damit den Brexit absagen. Wie wahrscheinlich diese Entscheidung ist, die für die Mehrzahl der Abgeordneten das Ende ihrer politischen Karriere einläuten würde?
Das sagen wir nicht, das fragen wir unsere Leser.
Was glauben Sie, wenn Sie am 30. März aufwachen, ist das Vereinigte Königreich dann noch in der EU oder ist es nicht mehr in der EU?
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Ich hoffe Sie sind gegangen, nicht weil ich was gegen die Briten haben sondern “nur” gegen die EU. Meiner Meinung nach dürfte es schwierig sein den Termin wiklich zu verlegen. Was passieren würde wenn GB noch im mit dabei wäre, das wäre wohl schon ein Erlebnis und garantiert ein Albtraum für alle Staatsangestellten. Wenn die aber in Zeitnot kommen, dann hängen Sie uns nicht im Nacken…..
Ich denke, Theresa May soll und will im Sinne und Auftrag der EU ihre Landsleute mit diesem “Fake-Brexit-Deal” über den Tisch ziehen.
Anders ist dieses Theater nicht zu erklären, auszuhalten ist es ohnehin längst nicht mehr!
Es wird sich doch zumindest ein vernünftiger EU Staatenlenker finden, der diesem Verzögerungstreiben ein Ende setzt.
Orban oder Salvini müssen da ran.
Kurzum:
Dieses “Withdrawal Agreement” (Mays Deal) ist doch in Wahrheit kein Brexit, sondern vielmehr ein Fakexit.
“Everyone should now finalise all preparations for a no-deal scenario, on the EU side we are prepared”
sagte heute Chefverhandler Barnier.
Ich denke, damit ist nun alles gesagt.
Ich versteh das ganze Geschacher nicht – und v.a. wieso irgendwer in der EU denkt, GB wäre in irgendeiner Form erpressbar. GB hat das zweitgrößte Leistungsbilanzdefizit weltweit und kann, abgesehen davon, eine IMF reserve currency *drucken*. Das ist wirtschaftlich schlicht nicht “gewinnbar”.
Die Nordirlandsituation halte ich mehr für einen zugeschobenen schwarzen Peter, aber mal ehrlich: Wer will denn GB zwingen, da entgegen des Good Friday Agreement eine Grenze zu schaffen / kontrollieren? Ich bezweilfe grundsätzlich stark, dass Völkerrecht in dem Punkt nicht nur positives Recht ist.
D.h., ich sehe da nur pseudo-Machtspiele auf Seiten der EU, da die – in dem Fall – ein Papiertiger sind, und ziemliche Schwanzlosigkeit bei den Briten. Aber vielleicht erklärt mir das ja mal jemand.
Denn Meldungen wie “in GB wird nach Brexit das Klopapier knapp” klingen jetzt nicht gerade nach “Ohne Deal wird GB zum Schmuddelkind, mit dem keiner spielen will á la Nordnkorea”.