Kognitive Ausfälle links der Mitte: Psychologie des kenntnislos Überzeugten

Welche Psychologie steht hinter Personen, die mit der Inbrunst des Kenntnisreichen Verdikte über Subjekte und Objekte verbreiten, von denen sie keinerlei Ahnung haben?

Wer öffentlich Positionen vertritt, die er nicht kennt, kann seine vermeintliche Überzeugung nicht auf Wissen stützen, er muss folglich eine affektive Bindung, bar jeder inhaltlichen Kenntnis zum jeweiligen Objekt oder Subjekt aufgenommen haben. Mag er Subjekt oder Objekt, dann ist die Bindung eine positive. Mag er Subjekt oder Objekt nicht, dann ist die Bindung eine negative.

Indes, eine öffentlich vollzogene affektive Zuordnung oder Abgrenzung dient offenkundig noch einem anderen Zweck, nämlich dem der Anbiederung an das, was der entsprechende Anbiederer als die Mehrheitsmeinung identifiziert zu haben glaubt oder als die Meinung, die in seinem sozialen Umfeld mit der größten sozialen Anerkennung verbunden ist.

Motiv hinter der affektiven Zuordnung oder Abgrenzung ist also stets das Verlangen nach sozialer Anerkennung.

Soziale Anerkennung wird normalerweise über Leistung erreicht. Personen, die den Beruf eines Arztes ergreifen, können sich einer Form kollektiver sozialer Anerkennung sicher sein, so lange sie sich nicht als Pfuscher erweisen. Die Voraussetzung dafür, den Beruf eines Arztes zu ergreifen, ist ein erfolgreich absolviertes Studium und der erfolgreiche Transfer des erworbenen Wissens in die Praxis täglicher Anwendung. In derselben Weise funktioniert der Erwerb sozialer Anerkennung für einen Klempner, der eine Lehre durchlaufen hat und nach seinem Meisterbrief auf eigenen Füßen steht, ein eigenes Unternehmen betreibt.

Grundlage sozialer Anerkennung ist, man kann es nicht oft genug sagen: eine individuell zurechenbare Leistung. Soziale Anerkennung wird in der Regel innerhalb einer sozialen Gruppe als Währung gehandelt. Nur wenige, Mahatma Ghandi oder der Dalai Lama, schaffen es, soziale Anerkennung auch außerhalb ihrer Eigengruppe zu erhalten.

Unter einer Leistung wird gemeinhin ein intersubjektiv nachvollziehbares Handlungsergebnis verstanden, dessen Erbringung mit Anstrengung verbunden war und das in der Realität einen Unterschied gemacht hat. Je mehr Anstrengung in die Erbringung einer Leistung investiert wird, desto mehr soziale Anerkennung kann die Leistung einbringen.

Wer in wenigen Minuten Rubik’s Cube lösen und dabei noch zwei Kegel jonglieren kann, dem ist eine kurzfristige Anerkennung sicher, wenngleich die entsprechende Anerkennung so flüchtig ist, wie der Zirkus der Prominenten, die heute aufgebaut werden und morgen vergessen sind.

Wer in der Lage ist, einen Wasserrohrbruch zu beseitigen, dem ist die soziale Anerkennung seiner Kollegen und der vom Wasserrohrbruch betroffenen Kunden sicher. Würden Sie diesen Klempner ihren Bekannten empfehlen? Im Marketing ist dieser Zusammenhang zwischen Leistung und sozialer Anerkennung bekannt.

Wer in der Lage ist, einen Beitrag zur Lösung eines wichtigen Problems zu bringen, z.B. durch die Erfindung eines Impfstoffes gegen Malaria, dem ist soziale Anerkennung innerhalb seiner Zunft und außerhalb bei all denen sicher, die seinen Namen im Zusammenhang mit dem Impfstoff hören, von dem sie profitieren.

Soziale Anerkennung ohne Leistung ist nicht denkbar.

Und dennoch gibt es eine Vielzahl von Personen, die versuchen, soziale Anerkennung ohne Leistung zu erhalten.

In der Regel fassen wir diese Personen als solche auf, die mit dem Versuch, eine personale Identität zu bilden, gescheitert sind. Denn um eine personale Identität zu bilden, ist abermals Leistung, etwas, auf das man stolz sein kann, notwendig. Abermals muss die Leistung als solche durch andere identifizierbar sein, denn die Bildung einer personalen Identität muss glaubwürdig sein, um zu klappen, folglich müssen andere die Inszenierung personaler Identität akzeptieren, was einen Grund zur Akzeptanz voraussetzt. Abermals: Ein Grund für Akzeptanz ist eine identifizierbare und individuell zurechenbare Leistung.

Was tut jemand, der keine ihm zurechenbare Leistung vorzuweisen hat, der bislang in seinen Versuchen, eine personale Identität zu bilden, gescheitert ist?

Früher hat ein solcher Jemand versucht, eben eine Leistung zu erbringen. Heute gibt es das massenhafte Angebot, ohne Leistung, einfach durch Anbiederung an Vorgegebenes und somit über den Umweg einer sozialen Identität „etwas vorzustellen“.

Es fasziniert uns seit längerer Zeit, dass Journalisten über Studien berichten, von denen sie keine Ahnung haben. Weil sie keine Ahnung haben, muten sie ihren Konsumenten Allgemeinplätze und Floskeln, Abstrakta wie „menschenfeindliche Einstellungen“ oder „Sexismus“ zu und hoffen auf eine Solidarisierung über den transportierten affektiven Gehalt. Denn natürlich will niemand der „menschenfeindlichen Einstellung“ schuldig sein oder des „Sexismus“, wenngleich viele gar nicht wissen, was denn eine menschenfeindliche Einstellung oder Sexismus in täglicher Handlung bedeuten soll, geschweige denn, dass sie wissen, was in den Studien von denen berichtet wird, als solche gemessen wurde.

Und so fasziniert es uns weiter, dass sich Konsumenten von medialen Informationen bar jeder Kenntnis und rein auf der Nullinformation, die ihnen in Abstrakta und affektiv geladenen Ismen geboten wird, mit dem entsprechenden Bericht, Journalisten oder der zugrunde liegenden Forschung identifizieren.

Die Junk-Studie, die derzeit als Mitte-Studie durch die Medien gezerrt wird, ist dafür ein gutes Beispiel. Sie hält keinerlei wissenschaftlichem Kriterium stand, wie wir gezeigt haben. Berichte über die Studie bleiben in der Regel auf einer abstrakten Ebene, auf der bejammert wird, dass eine gewisse Anzahl von Befragten, die der Einfachheit halber und gegen jede wissenschaftliche Lauterkeit als „Anteil der Deutschen“ ausgegeben werden, sich eines  „Abstrakta“ schuldig gemacht hat: der Abwertung asylsuchender Menschen, der Abwertung von Muslimen usw.

Diese Information, die keinerlei tatsächlichen Bedeutungsgehalt trägt, spricht diejenigen an, die sich zuordnen wollen, die soziale Identität durch Zugehörigkeit zu der Gruppe erreichen wollen, die sie anderen Gruppen als moralisch überlegen ansehen. Derart leere Informationen sprechen einzig auf der affektiven Ebene an und setzen daher eine Person voraus, die ihr Denken zu Gunsten von Fühlen, Einfühlen, Mitfühlen aufgegeben hat und die ihren ganzen Wert daraus entnimmt, dass sie sich über andere echauffiert, andere, die nicht so erleuchtet sind, dass sie der Lektüre von Allgemeinplätzen moralische Selbsterleuchtung entnehmen können. Andere, die sich nach Ansicht von Forschern der „Abwertung von Asylsuchenden“ schuldig gemacht haben.

Als Folge kann man Legionen von Kenntnislosen dabei bewundern, wie sie ihre Unkenntnis zur Grundlage moralischer Feldzüge machen, in deren Verlauf wahre Schlachten der freien Vorurteils-Assoziation geschlagen werden, bei denen die Feinde bekämpft werden, die Grundlage der eigenen sozialen Identitätsbildung sind. Lokale Scharmützel im freien Assoziieren, kurze Gefechte der moralischen Erregung werden geschlagen und stets gewonnen, denn die Auseinandersetzung erfolgt auf Basis des Wissens, zwar in kognitiver Unkenntnis verblieben zu sein, aber dennoch in moralischer Überlegenheit zu schwelgen.

Massengesellschaften haben denen, die zu einer eigenen Leistung nicht fähig sind, immer Auswege aus ihrem Dilemma über die Rolle von Mitläufern und Claqueuren geboten. Und deshalb sind wir nicht die ersten, die solche Zusammenhänge beschreiben. Wir haben sie lediglich aktualisiert und auf das, was angeblich Moderne sein soll, angewendet. Die psychologische Not, die Grundlage dafür ist, dass Menschen, die angeblich des Denkens fähig sind, bar jeder inhaltlichen Kenntnis und rein auf Grund einer affektiven Zuordnung zum Reiz-Reaktions-Depp werden, dem man nicht einmal einen Knochen in „Menschenfeindlichkeit“ hinhalten muss, denn es reicht, von dessen Existenz zu erzählen, um sie zum affektiven Schäumen zu bringen, ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst.

In den Studien zur autoritären Persönlichkeit von Adorno, Frenkel-Brunswick, Levinson und Sanford die 1950 erstmals veröffentlicht wurden, wird sie schon beschrieben und was viele nicht wissen, weil sie affektiv, nicht kognitiv funktionieren, weil sie Adorno et al. als Linke für sich reklamieren, ohne der Allgemeinheit der beschriebenen Syndrome Rechnung zu tragen, ab Seite 303 der deutschen Ausgabe von 1999 finden sich Charakterisierungen u.a. der Syndrome der Vorurteilsvollen. Darunter „Der Spinner“, dem wir den nächsten Post widmen.


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