Warten auf den großen Blackout – Dunkeldeutschland

Gut eine Million Briten waren am Freitag, den 9. August, für rund eine Stunde ohne Strom. Aufgrund der Uhrzeit saßen sie nicht wirklich im Dunkeln, hatten aber genug Zeit, um sich ein Bild davon zu machen, wie ein Leben ohne Strom aussieht. Betroffen vom Stromausfall waren Teile von Yorkshire, Südostengland, Teile von London, der Midlands und ein wenig Nord-Wales.

Die Ursache des Stromausfalls war schnell gefunden und mit Little Barford und Hornsea Offshore Windpark benannt.

Little Barford ist eine von RWE betriebene Anlage, die vornehmlich Methan zur Stromerzeugung nutzt. Hornsea Offshore Windpark ist wie der Name schon sagt, eine der alternativen Möglichkeiten, Energie zu erzeugen. Hornsea kommt in drei Phasen, die bis 2025 erstellt sein sollen. Seit Beginn 2019 trägt Phase 1 zum „National Grid“, dem Stromnetz des Vereinigten Königreichs bei. Um 16:58 Uhr am gestrigen Tag ist Little Barford ausgefallen. Rund 700 MegaWatt Strom fehlten dadurch im National Grid, genug für rund eine Million Haushalte. Zwei Minuten später haben Teile von Hornsea Offshore Windpark die Stromlieferungen eingestellt, wodurch ungefähr dieselbe Größenordnung an Strom verloren gegangen ist.

Als Ergebnis des Ausfalls von zwei Stromgeneratoren ist die Frequenz im Netz, die um die 50hz betragen muss, unter 48,9hz gefallen. Diese „Netzschwankung“ ist zu groß, um alle Endabnehmer zu versorgen. Folglich wurden Teile des Netzes abgeschaltet. Der Stromausfall in Teilen Britanniens war also weniger ein Ausfall als ein Abschalten.






Was für Deutschland an der britischen Erfahrung interessant ist: Die Ursache für den Stromausfall sind erneuerbare Energien. In den letzten Tages war es auf der Insel so windig, dass die Menge an Strom aus alternativen Quellen sehr hoch war. Als Konsequenz daraus sind Stromgeneratoren, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, vom Netz genommen worden, was wiederum die Trägheit erhöht hat. Die Trägheit ist insofern von Bedeutung als sie letztlich ein Maß dafür ist, wie gut der Ausfall eines oder mehrerer Stromgeneratoren verkraftet werden kann. Was bei der Stromerzeugung aus Gas oder Kohle leicht moderiert werden kann, in dem man die Output-Menge erhöht, ist mit alternativen Energien nicht machbar. Sie produzieren oder sie produzieren nicht. Man kann sie nicht auf halber Kraft fahren lassen, um eine Notreserve zurückzuhalten, falls ein anderer Stromgenerator ausfällt.

Seit gestern wissen wir in Britannien, dass der Ausfall von einem Stromerzeuger, wie dem mit Erdgas betriebenen Kraftwerk in Little Barford das National Grid an die Grenze der Belastbarkeit führt, und seit gestern wissen wir, dass es keine gute Idee ist, ausgerechnet auf erneuerbare Energien als verlässlichen Strombeiträger zu vertrauen. Der Ausfall von Little Barford wäre noch zu verkraften gewesen. Die Solidaritätsbekundung von Teilen des Hornsea Windparks mit Little Barford dagegen nicht.

Vor allem bei Ofgem, der britische Aufsichtsbehörde, interessiert man sich derzeit brennend, für einen detaillierten Bericht, aus dem dann hoffentlich die Schlussfolgerung gezogen wird, den Ausbau der Stromerzeugung aus Kernenergie, der bereits beschlossen ist, zu beschleunigen, um die Stabilität des Stromnetzes zu gewährleisten.

Die kleine Episode kann als Warnung für Länder wie Deutschland dienen, die ihr Wohl und Wehe intensiv an die Nutzung erneuerbarer Energien knüpfen. Deutschland musste in diesem Jahr bereits mehrmals und kurzfristig Atomstrom vornehmlich aus Frankreich zukaufen, um einen Blackout zu vermeiden. Auf Dauer wird er sich aber nicht vermeiden lassen, wenn der Ausbau unzuverlässiger Methoden der Energieerzeugung wie Windkraft und Solarenergie weiter vorangetrieben wird. Dann ist der Blackout, der dauerhafte Blackout nur eine Frage der Zeit, ein Schluss, zu dem man beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe auch gekommen zu sein scheint. Dessen Präsident Christoph Unger rät den Deutschen in einem Interview mit der Welt, sich auf den Blackout vorzubereiten:

“Unger: Der Ausfall von Strom ist für uns die zentrale Herausforderung. Strom ist unser Lebenselixier. Unsere Abhängigkeit von Strom nimmt stetig zu. Das verbessert unsere Lebensqualität, macht uns aber auch verwundbarer.

WELT: Ein bundesweiter Blackout wäre die größte Katastrophe?

Unger: Nach 24 Stunden ohne Strom hätten wir katastrophale Verhältnisse. Das sagen nicht nur wir, sondern auch der des Deutschen Bundestags. Im weltweiten Vergleich ist unsere Stromversorgung zwar sicher. Aber die Bundesnetzagentur muss immer häufiger eingreifen, um Netzschwankungen auszugleichen. Hinzugekommen ist die Möglichkeit, über den Cyberraum in die Stromversorgung einzugreifen. In der Ukraine ist der Strom zwei Mal ausgeschaltet worden. Auf ein solches Szenario müssen wir uns einstellen und vorbereiten.

WELT: Was ist konkret notwendig?

Unger: Das fängt ganz banal zu Hause mit Kerzen und Streichhölzern an. Aber vor allem müssen natürlich Behörden und Unternehmen Vorsorge treffen: Gibt es genug Diesel, um die Notstromaggregate laufen zu lassen? Woher kommt der Diesel, wenn nach zwei Tagen der Strom noch nicht wieder da ist, die Aggregate aber weiterlaufen müssen und Diesel aus den Tanklagern nur mit strombetriebenen Pumpen gefördert werden kann? Das sind Ketten, die bedacht werden müssen.”

Was bleibt uns zu sagen? Kauft Euch Kerzen. Die Bundesregierung tut alles, um die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr sie benötigen werdet, zu maximieren. Wer nicht Kerzen Vertrauen will, der kann natürlich auch umstellen, auf dezentrale Stromversorgung:



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