Die pseudowissenschaftliche Fundierung von Beschimpfungen und Kampfbegriffen: Von „Modernisierungsverlierern“ und „Klimaleugnern“

von Dr. habil. Heike Diefenbach

Wir haben uns fast schon daran gewöhnt: Jeder, der mit der derzeitig politisch korrekten Weltbeschreibung nicht übereinstimmt, wird beschimpft.

Wer Gender-Studien für unproduktiv und eine Wissenschaftsparodie hält, wird kurzerhand zum „Rechten“, wenn nicht zum „Rechtsextremen“ oder zum Feind der Freiheit der Wissenschaft erklärt (so, als wären Gender-Studien Wissenschaft, was aus vielen Gründen, die die Kritiker wiederholt genannt haben, nicht der Fall ist).

Wer darauf hinweist, dass nicht Frauen, sondern tatsächlich Männer es sind, die derzeit in westlichen Gesellschaften mangelnde Anerkennung sowohl im gelebten Alltag als auch im Rechtssystem erhalten und z.B. im öffentlichen Dienst offen diskriminiert werden (wie dies durch das sog. Professorinnen-Programm geschieht), der wird zum Sexisten, zum Chauvinisten, zum Frauenfeind erklärt (auch dann, wenn er weiblich ist).

Wer darauf hinweist, dass Zuwanderung geplant und organisiert werden muss und mit hohen Kosten und Anforderungen an die gesellschaftliche Integrationskraft verbunden ist, der ist ein Xenophober, Ausländerfeind oder in Neusprech: ein Rassist.

Diese Bezeichnungen haben inzwischen aber ihre Wirkung als an Emotionen appellierende verbale Totschläger verloren. Jeder weiß, dass sie nichts über diejenigen aussagen, die mit ihnen belegt werden, aber viel über diejenigen, die sie benutzen. Es sind bloße Kampfbegriffe geworden, deren semantisches Feld sich nahezu in Beliebigkeit aufgelöst hat – abgesehen von dem einen Punkt: dass ein so Bezeichneter von dem, der ihn so bezeichnet, nicht gemocht wird und dass der, der einen anderen so bezeichnet, bei anderen erreichen möchte, dass sie ihn auch nicht mögen.

Vielleicht ist das der Grund dafür, warum wir in den letzten Jahren immer wieder Versuche beobachten, die Beschimpfungen bzw. Kampfbegriffe durch pseudowissenschaftliche Fundierung zu legitimieren und vom Offensichtlichen zu „reinigen“, nämlich der Offensichtlichkeit, dass sie sehr weitgehend inhaltsleer sind und nur benutzt werden, um die eigene Abneigung gegen andere Menschen auszudrücken. Dabei werden neue abwertende Begriffe eingeführt, die so klingen sollen, als stecke hinter ihnen irgendeine Art von wissenschaftlicher Theorie oder irgendein wissenschaftliches Konzept, die aber tatsächlich nur eine offensichtliche, aber inzwischen abgenutzte, Beschimpfung oder negativ wertende Unterstellung durch eine weniger offensichtliche ersetzen.

Das, was wir „pseudowissenschaftliche Fundierung“ von Beschimpfungen und Kampfbegriffen nennen, tritt gewöhnlich in zwei Varianten auf.

Die erste Variante ersetzt Beschimpfungen von Menschen mit anderer Meinung als „Rechtsextremen“, „Sexisten“, „Rassisten“ etc. durch die Bezeichnung der Menschen mit anderer Meinung als „Modernisierungsverlierer“. Als „Modernisierungsverlierer“ beschimpft werden auch diejenigen, die den Nepotismus und die Korruption im sogenannten establishment aufdecken, berichten, kritisieren etc. „Modernisierungsverlierer“ klingt hübsch soziologisch, verweist es doch auf eine gesellschaftliche Entwicklung, genannt „Modernisierung“, die anscheinend auf uns niederkommt wie der göttliche Wille und die diejenigen, die diese Entwicklung nicht begrüßen oder mitmachen wollen, als unfähig darstellt zu – ja, was eigentlich? Sich zu modernisieren?

Und da liegt sozusagen der Hund begraben: Was „Modernisierung“ sein soll, ist durchaus unklar. Der Duden beschreibt die Bedeutung von „Modernisierung“ – hilflos und sich deshalb in die Tautologie flüchtend – als „das Modernisieren; das Modernisiertwerden“, und auch in den Sozialwissenschaften wird der Begriff –mehr oder weniger als Synonym für „gesellschaftliche Veränderung“, wenn nicht für „gesellschaftlichen Fortschritt“ benutzt – leider, denn tatsächlich wird der Begriff „Modernisierung“ – zumindest in der Soziologie – normalerweise für die zusammenfassende Beschreibung des historischen Übergangs der westlichen Gesellschaften von Agrar- zu Industriegesellschaften benutzt. Aber selbst diesbezüglich bestehen Uneinigkeit und Unklarheiten. Beispielsweise meint Zapf, „Modernisierung“ im beschrieben Sinn qualifizieren zu müssen, indem er Agrargesellschaften als prinzipiell „einfach“ und „arm“ bezeichnet und Industriegesellschaften als prinzipiell „komplex“, „differenziert“ und „reich“ (Zapf 2008: 258), was empirisch betrachtet natürlich Unsinn ist: Die „Empires of The Silk Road“ (Beckwith 2009) in Zentralasien, von den Skythen bis zu Chinggis Khan, können sicherlich als reich, aber schwerlich als „Industriegesellschaften“ bezeichnet werden. Und im von Gerd Reinold (2000) herausgegebenen „Soziologie-Lexikon“ findet man unter dem Stichwort „Modernisierung“ gleich zu Beginn die Behauptung, „[d]ie westliche Modernisierungsforschung ha[be] sich vorwiegend mit den strukturellen und kulturellen Transformationsprozessen in Entwicklungsgesellschaften der Dritten Welt beschäftigt, …“.

Angesichts all der Vagheiten und unterschiedlichen Benutzungen des Begriffs „Modernisierung“, der im Übrigen manchmal noch einer  Wertung unterzogen wird wie bei Zapf (s.o.), kann nur festgehalten werden, dass ein „Modernisierungsverlierer“ jemand ist, der eine gesellschaftliche Veränderung nicht begrüßt, nicht mitmacht, sich ihr nicht anpasst. Man beachte, dass der Duden neben der Aktivvariante des Begriffs „Modernisierung“, nämlich „das Modernisieren“, die Passivvariante des Prozesses nennt: „das Modernisiertwerden“, was rein linguistisch betrachtet sinnvoll ist (wie bei allen Substantiven, die einen Prozess bezeichnen bzw. mit „-ung“ enden), aber in die Realität übertragen aussagt, dass jemand gesellschaftlichen Veränderungen zwangsunterworfen werden kann, entweder durch die sich verändernden Verhältnisse selbst oder durch Andere, die die Veränderung herbeiführen. Der Begriff „Modernisierungsverlierer“ knüpft direkt an die Passivvariante des Prozesses an. “Modernisierungsverlierer“ sind Opfer von „Modernisierung“ bzw. Modernisierern, Leute, die „modernisiert werden“, ohne dies zu wollen, oder „modernisiert werden“ sollen, ohne dass sie dies möchten, oder solche, die die „Modernisierung“ nicht als „gegeben“ akzeptieren wollen und sich für die Gesellschaft eine andere Entwicklung als die als „Modernisierung“ bezeichnete vorstellen oder wünschen.

Und das ist der Punkt: Es gibt Menschen, die mit einer bestimmten Entwicklung nicht einverstanden sind, aus welchen Gründen auch immer. Sie „verlieren“ nur dann, wenn sich die Entwicklung gegen ihren Willen vollzieht oder gegen ihren Willen von anderen durchgesetzt wird. Das setzt sie nicht automatisch in irgendein Unrecht. Und es erweist die in Frage stehende Entwicklung nicht automatisch als „gut“, nützlich, wünschenswert, begrüßenswert, notwendig oder sonstwie als etwas rein Positives oder Erforderliches. Es ist seltsam, wenn Befürworter und Gegner von Entwicklungen, Nutznießer von bestimmten (aber meist unbestimmte gelassenen, also nicht konkret benannten) Entwicklungen und solche, denen dieselben Entwicklungen schaden, von Sozialwissenschaftlern als „Gewinner“ und „Verlierer“ aufgefasst und bezeichnet werden. Von „Gewinnern“ und „Verlierern“ spricht man im Zusammenhang mit Gegnern in Auseinandersetzungen, nicht im Zusammenhang mit den Chancen und Gefährdungen gesellschaftlichen Zusammenhaltes durch Veränderungen. Während Sozialwissenschaftler gesellschaftliche Veränderungsprozesse und ihre Folgen beschreiben, ohne das Bild von Kampfhähnen oder anderen Typen von Kontrahenten als Leitbild zu verfolgen, von denen einige gewinnen und andere verlieren, sprechen Ideologen selbstverständlich von „Gewinnern“ und „Verlierern“ im Kampf um die Installation ihrer Ideologie in der Gesellschaft, gibt es für sie doch nur ideologischen Sieg oder ideologische Niederlage (weshalb übrigens Ideologen keine Demokraten sein können).

Wir haben auf ScienceFiles die Beliebigkeit der Rede von „Modernisierungsverlierern“ illustriert, indem wir sozusagen den Spieß umgedreht haben und sie auf diejenigen angewendet haben, die ihrerseits in angeblich wissenschaftlichen Studien weite Teile der Bevölkerung als „Modernisierungsverlierer“ bezeichnet haben. (Seitdem ist es übrigens relativ still geworden um „Modernisierungsverlierer“; Effekt oder Zufall?) Da ist eine einfache Übung, denn für jeden lassen sich aus gesellschaftlichen Veränderungen „Gewinne“ oder „Verluste“ konstruieren. Das ist eine Trivialität. Aber eine sehr unterhaltsame; man möge es mit Bezug auf eine beliebige gesellschaftliche Gruppe ausprobieren, vielleicht als Partyspiel über die Weihnachtsfeiertage.

Die zweite Variante, in der eine pseudowissenschaftliche Fundierung von Beschimpfungen und Kampfbegriffen versucht wird, mag ebenso trivial sein, ist aber m.E. weit weniger unterhaltsam, sondern eher erschreckend. Es ist diejenige, bei der auf willkürliche Weise auf medizinische oder mit Medizin assoziierte Konzepte und Begriffe aufgesetzt wird, um Menschen, die als Gegner wahrgenommen werden, als defizitär oder krank und daher als mehr oder weniger unzurechnungsfähig und daher wiederum als hilfs- oder treffender: behandlungsbedürftig darzustellen. Wir haben vorgestern von dem neuesten Beispiel für diese Variante der pseudowissenschaftliche Fundierung von Beschimpfungen und Kampfbegriffen berichtet, das Fabian Chmielewski geliefert hat, der „… als Psychotherapeut in einer Privatpraxis in Hattingen“ (Chmielewski 2019: 260) arbeitet und im „Psychotherapeutenjournal“ eine Ferndiagnose über diejenigen erstellt, die nicht an die Existenz eines menschengemachten Klimawandels glauben.

Er betrachtet sie als Menschen, die sich in „…Verleugnung der Realität“ befinden, die „… gegen das eigene langfristige Interesse und gegen die eigene Rationalität [handeln] (Chmielewski 2019: 254), die ihre „Angst vor unserer [!?] Vernichtung“ (Chmielewski 2019: 255) bzw. vor ihrer eigenen Sterblichkeit (Chmielewski 2019: 255) (was genau, bleibt bei Chmielewski unklar; es ist jedenfalls irgendwie existenziell) zu „nicht-adaptive[m] Verhalten“ (Chmielewski 2019: 255) führt, was bei Chmielewski keineswegs die psychologische Adaption zum Zweck des Wohlergehens dieser Menschen bezeichnen soll, sondern um eine „Adaption“ ihrer Rede und ihres Verhaltens an die Variante der „Wahrheit“, der Chmielewski das Wort redet, an die er anscheinend selbst glaubt oder glauben möchte und die er als offizielle Version der Wahrheit öffentlich durchgesetzt sehen möchte. So schlägt er z.B. vor:

„Letztlich müssen wir bei Menschen im Vermeidungs-Modus ein Schuldempfinden (im Sinne existenzieller Verantwortung) aufbauen – auch dafür, nichts über den Klimawandel und seine Verursachung zu wissen …” (Chmielewski 2019: 257).

Kein Satz im gesamten Text von Chmielewski schlägt so sehr auf ihn zurück wie der letzte Halbsatz im Zitat: Chmielewski ist der Erste, der ein Schuldempfinden dafür entwickeln müsste, dass er sich trotz erbärmlich mangelhaften Wissens über die Faktenlage zum angeblich von Menschen erzeugten Klimawandel nicht scheut, mit der Inbrunst der Überzeugung zu repetieren, was er aufgeschnappt hat, und Menschen zu pathologisieren, die – anders als er selbst – lieber selbst denken, recherchieren, sich ein Urteil bilden, als irgendwelche Parolen, die gerade wie die arme Sau durchs Dorf getrieben werden, nachzuplappern und als einzig überhaupt vorstellbare „Wahrheit“ fraglos zu akzeptieren.

Aber es kommt noch schlimmer:

Der Psychotherapeut Chmielewski betätigt sich nicht nur unhinterfragt als Multiplikator für fake news; er hat auch keine Schwierigkeiten damit, sich selbst zum Handlanger zu degradieren, indem er sich bereit erklärt, sich zum Instrument im Rahmen von Umerziehungsversuchen zu machen, die die psychische Gesundheit von Menschen auf systematische Weise beschädigen sollen, u.a. durch Einimpfen von „Schuldempfinden“ für Dinge, an denen sie nicht nur keine „Schuld“ haben, sondern die – jedenfalls im behaupteten Ausmaß – gar nicht existieren. (Die Wahl des Wortes „Schuld“ durch einen Psychotherapeuten ist allein schon einigermaßen verdächtig.)

Ist Chmielewski ein Opportunist, der sich einen Job in einem zukünftig zu errichtenden Umerziehungslager oder auch nur im Rahmen von „Kritik und Selbstkritik“-Happenings nach sozialistischer Manier verspricht? Vielleicht. Aber mein Eindruck ist eher der, dass Chmielewski erhebliche eigene mentale Probleme hat, die u.a. Ausdruck in faschistischen Zügen finden, faschistisch im Sinne einer nach dem Führerprinzip organisierten, antidemokratischen Ideologie. Wie sonst lässt sich interpretieren, dass Chmielewski, ohne seine eigenen Überzeugungen, seine eigenes Urteilsvermögen zu reflektieren, die Unterwerfung Aller unter eine rein ideologisch begründete Heilsidee, die (mindestens) eine bestimmte Gruppe von Verwaltungspersonal mit globalem Führungsanspruch, genannt: Vereinte Nationen, zu ihren eigenen Zwecken propagiert, fordert, neben der keine anderen Überzeugungen bestehen dürfen, und er so weit geht zu überlegen, mit welchen psychologischen Tricks diesen anderen Überzeugungen Abhilfe geschaffen werden kann. Es ist schlichtweg nicht möglich, in diesem Zusammenhang nicht an das falsche Bewusstsein des Karl Marx (die doppeldeutige Formulierung ist hier absichtlich gewählt) zu denken, an George Orwells „1984“ oder an Robert Jay Liptons Bericht über „Thought Reform and the Psychology of Totalism“ (1989[1961]) zu denken.

Chmielewski schottet sich gegen solche unliebsamen Einbrüche der Realität in seinen Weltentwurf verbal ab dadurch, dass er sie als „Verschwörungstheorien“ (Chmielewski 2019: 254) bezeichnet, so als gäbe es ein Natur- oder soziales Gesetz, nach dem Theorien über die Existenz von Verschwörungen – ja, sogar Belege für ihre Existenz – prinzipiell nicht in der Realität zutreffend sein könnten.

In der Vorstellungswelt von Chmielewski gibt es offensichtlich ein solches Gesetz. Und es gibt ein weiteres Gesetz, das besagt, dass nicht Chmielewski, sondern immer nur Andere, insbesondere solche Anderen, die seine Meinungen nicht teilen, Unrecht haben können. Jedenfalls spricht Chmielewski an keiner Stelle in seinem Text die Möglichkeit an, dass es sich bei Menschen, die nicht an die Existenz eines menschengemachten Klimawandel (oder eine nennenswerte Relevanz desselben, falls er existieren sollte,) glauben, um Menschen handeln könnte, die einfach weniger naiv oder psychologisch labil sind als er selbst und deshalb weniger beeinflussbar von dem, was von interessierter Seite als Wahrheit durchgesetzt werden soll. Selbst dann, wenn er schreibt

„Sicherlich spielen auf der Seite mancher Entscheidungsträger finanzielle Interessen eine wichtige Rolle: Es gibt Menschen, die willentlich das Wohl der Vielen ihrer individuellen materiellen Bereicherung opfern” (Chmielewski 2019: 254),

kommt Chmielewski nicht auf die Idee, dass genau dies eine Begründung dafür liefert, warum „manche[…] Entscheidungsträger“ ein Interesse daran haben (könnten), eine Klimahysterie zu schaffen, und dass er selbst zu den Vielen gehören könnte, deren materielles und mentales Wohlergehen diese „Entscheidungsträger“ für ihre eigenen Interessen opfern.

Es kann deshalb schwerlich anders denn als Selbstdiagnose aufgefasst werden, wenn Chmielewski schreibt:

„Würden wir rational auf die Bedrohung durch den Klimawandel reagieren, würden wir die wissenschaftlichen Erkenntnisse wie in anderen Bereichen ernst nehmen“ (Chmielewski 2019: 255).

Das, was er hier schreibt, kann natürlich nicht das sein, was er meint, denn es macht keinen Sinn zu formulieren, dass eine rationale Reaktion auf „den“ Klimawandel darin bestehen würde, „die wissenschaftliche Erkenntnisse wie in anderen Bereichen [?!] ernst zu nehmen“. Korrekt müsste ein Zusammenhang genau umgekehrt hergestellt werden: Rationale Menschen nehmen zuerst wissenschaftliche Erkenntnisse in einem Bereich zur Kenntnis, so gut es ihnen möglich ist bzw. ihnen diese Erkenntnisse zugänglich sind, und überlegen danach, ob in diesem Bereich überhaupt ein Problem besteht, und falls ja, ob das Problem so groß oder relevant ist, dass es Handlungsbedarf rechtfertigt. Nur irrationale Menschen setzen die Existenz „des“ Klimawandels voraus, glauben unhinterfragt, dass das Problem tatsächlich bestehe und behaupten dann gleich auch noch, dass Handlungsbedarf angesichts dieses Problems bestehe.

In jedem Fall würde sich Chmielewski, würde er rational auf die Aufstellung von Behauptungen reagieren, daran machen, deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, sich über Belege für die Wahrheit der Behauptungen und Belege für die Unwahrheit der Behauptungen informieren. Wer dies nicht tut, von dem kann man beim besten Willen nicht behaupten, er verhalte sich rational. Er ist vielmehr ein „… hilflose[r] Spielball …“ (Chmielewski 2019: 255) in den Händen jedes noch so ungeschickt agierenden Manipulateurs und Verbreiters von fake news. Chmielewski ist sich dessen anscheinend nicht im Ansatz bewusst, aber es würde vermutlich auch keinen Unterschied bei ihm machen, wenn er eine größere Bewußtheit hätte, denn nach Chmielewski gilt:

„Diese Wahrnehmung von sich selbst als hilflosem Spielball motiviert nicht zu einer aktiven Verhaltensänderung“ (Chmielewski 2019: 255).

Falls die Motivation zur Verhaltensänderung doch gegeben wäre, wäre sie aber sicherlich nicht allen möglich, u.a. aufgrund mangelnder Fähigkeit zum rationalen Denken. Im Fall von Chmielewski ist seine Irrationalität nahezu in jedem Satz seines Textes dokumentiert, insbesondere mit Bezug auf unhaltbare, von Chmielewski anscheinend für sakrosankt bzw. unbezweifelbar gehaltene, aber faktisch unbegründete, Prämissen und mit Bezug auf seine Wortwahl in Verbindung mit diesen Prämissen. So bezeichnet er Menschen, die nicht an die Existenz eines menschengemachten Klimawandels (oder seine Relevanz) glauben, als „Verleugn[er[ der Apokalypse“ (Chmielewski 2019: 253). Schon die – inzwischen bei denen, die man aus umgekehrter Sicht Klimahysteriker nennen muss, übliche – Bezeichnung „Klimaleugner“ befriedigt Chmielewski nicht mehr. Es müssen schon Leugner einer „Apokalypse“ sein, auf die er die eigene Leugnung der vernichtenden Befundlage zum angeblichen menschengemachten Klimawandel verschieben muss, woran man deutlich erkennen kann, wie stark der psychische Druck ist, den Chmielewski empfinden muss, kann er seine affektive Beziehung zur Vorstellung von einem menschengemachten Klimawandel (bzw. dessen Relevanz) doch durch nichts anderes rechtfertigen als durch eine andere bloße Existenz-Behauptung, nämlich der Behauptung, dass ein „… breiter Konsens seriöser Forschung … vor dem Szenario einer bedrohlichen und vielleicht bald nicht mehr abzuwendenden Spirale des menschengemachten Klimawandels … [warne]“ (Chmielewski 2019: 253).

Wie groß die Probleme sind, die Chmielewski damit hat, sich als kritikfähiger Erwachsener, als mit Urteilsvermögen ausgestatteter Bürger in einer demokratischen Gesellschaft zu verorten, zeigt bereits dieser erste [!] Absatz in seinem Text, der von der Naivität und Unfähigkeit von Chmielewski zum logischen Denken (sowie der peer reviewer, die Solches anscheinend unwidersprochen für druckfähig erklärt haben, oder hat das „Psychotherapeutenjournal“ etwa kein peer review-Verfahren?) zeugt:

  1. Behauptungen müssen nicht zutreffen, nur, weil es angeblich einen „Konsens“ über sie gibt, auch nicht, wenn der „Konsens“ zwischen Leuten besteht, die man selbst mag oder wertschätzt – vielleicht einfach, weil sie das sagen, was man selbst hören möchte.
  1. Behauptungen müssen nicht zutreffen, nur, weil sie auf dem beruhen, was man selbst als „seriöse“ Forschung zu beurteilen können glaubt. „Seriöse“ Forschung kann durchaus Falsches produzieren; es gibt keine Garantie dafür, dass methodisch „saubere“ Forschung Richtiges, geschweige denn: Relevantes, produziert. Nicht umsonst geben Falsifikationsversuche (und nicht Verifikationen) den Maßstab für den wissenschaftlichen Bewährungsgrad von Hypothesen ab!
  1. Was Chmielewski als „seriöse“ Forschung auffasst, kann angesichts der Tatsache, dass er den Forschungsprozess, der zu Ergebnissen geführt hat, die Chmielewski als Tatsachen akzeptiert, gar nicht kennt, geschweige denn: in seiner Qualität beurteilen kann, nur bedeuten, dass er als „seriös“ bewertet, was seiner – im Übrigen unbegründeten – Überzeugung entspricht, während alles, was ihr nicht entspricht, Ergebnis unseriöser Forschung sein muss.
  1. Konsens kann nur zwischen Menschen bestehen, nicht zwischen „Forschung“ als Institution, und Menschen machen Fehler, auch dann, wenn sie sich einig darüber sind, dass der Fehler keiner sei. Zusammengenommen mit den zuvor genannten Punkten, insbesondere der mentalen Abhängigkeit Chmielewskis von dem, was er als „Konsens“ ansieht, und dem Anschluss an das, was „Ärzte“ und „Psychologen“ in Form des „Marburger Bund[es]“ und „Psychologists for Future“ in Übereinstimmung mit den eigenen materiellen Interessen behaupten (Chmielewski 2019: 253), scheint der Verdacht begründet, dass es sich bei Chmielewski um eine autoritäre Persönlichkeit handelt, die Orientierung an dem sucht, was Institutionen als solche vorgeben, besonders, wenn sie ein materielles Auskommen zu versprechen scheinen, nicht an dem, was Menschen erarbeiten, was sie kontrovers diskutieren.

Ungeachtet dessen kann sich jemand, der sein Sein und Sollen an Institutionen und insbesondere Berufsverbänden ausrichten will, kein „Rosinen-Picken“ erlauben. Wenn Chmielewski die „American Psychological Association“ (APA) mit ins Boot holen will, weil sie „… bereits 2008 eine Task Force zum Thema „Klimawandel“ ins Leben gerufen [habe]“ (Chmielewski 2019: 253), täte er gut daran, auch dem sogenannten Goldwater Rule der APA zu folgen, nach dem es ein unethisches Verhalten ist, wenn ein Psychotherapeut Ferndiagnosen stellt, also Diagnosen stellt, ohne die Personen, über die er seine Meinung als Psychotherapeut abgibt, überhaupt untersucht zu haben (s. https://www.theguardian.com/commentisfree/2016/nov/30/diagnosed-donald-trump-goldwater-rule-mental-health) (Wir Anderen dürfen spekulieren… )

  1. Ein Konsens kann nicht über ein „Szenario“ bestehen, sondern nur über Tatsachenaussagen. Es ist deshalb nicht sinnvoll, wenn man die Existenz von Schneewittchen und der bösen Königin in der realen Welt behaupten will, nur weil beim Vorlesen von „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ ein einmütiger Konsens bei den Kindern in der Vorlesestunde über das „Szenario“ herrscht, nach dem Schneewittchen wunderschön war und die eifersüchtige Königin sie deshalb umbringen lassen wollte.
  2. Als „Spiralen“ bezeichnet man normalerweise sich selbst verstärkende Effekte. Es ist im Prinzip möglich, dass Chmielewski sich hierüber im Klaren gewesen ist, aber Anhaltspunkte dafür lassen sich nicht finden. Falls es ihm tatsächlich klar gewesen ist, fragt man sich, warum er es unterlassen hat, die „Spirale“ für den unbedarften – und sogar apokalypsenleugnenden – Leser (wie mich) kurz zu beschreiben – und nebenbei anzufügen, durch welche natürlichen Prozesse der sich selbst verstärkende Prozess des menschengemachten Klimawandels sich verstärkt, abschwächt oder aufgehoben wird; dies alles muss selbstverständlich Berücksichtigung finden, wenn man das „Szenario“ einer Apokalypse würdigen will.

Chmielewski erweist sich aufgrund der genannten Punkte als jemand, der dem, was andere ihm erzählen, hoffnungslos ausgeliefert ist (immerhin mit Recht; er ist in der Sache offensichtlich nicht urteilsfähig, schon, weil er nicht weiß, wie Wissenschaft funktioniert; s.o.). Und so ist es ihm – als Psychotherapeuten! –auch nicht möglich, die „demonstrierenden Jugendlichen“ (Chmielewski 2019: ), z.B. bei den „Fridays for Future“, als auf schäbige Weise missbrauchte, mit überzogenen Angstgefühlen indoktrinierte, hysterisierte Kinder (und „Jugendlichen“) zu sehen, die – weitere – Spielbälle in den Händen „einiger Entscheidungsträger“ mit eigenen Interessen sind. Im Gegenteil, Chmielewski gelingt es aufgrund seiner eigenen, völlig unhaltbaren, Prämissen, missbrauchte, hysterisierte Kinder (die sie aufgrund alternativer Prämissen sind) für psychisch „existenziell gesund“ zu erklären:

„Da wir es bei der Auseinandersetzung mit dem menschengemachten Klimawandel mit einer (noch) änderbaren Situation zu tun haben, ist hier ein aktivistisches Vorgehen in Richtung dieses Ziels funktional. Wir können unser Überleben (und das unserer Urenkel) noch sichern durch zeitnahes kämpferisches Wirken im Sinne des Fight-Systems. Die Gruppe der demonstrierenden Jugendlichen wäre vor diesem Hintergrund als existenziell gesund zu bezeichnen” (Chmielewski 2019: 256).

Dummerweise findet bei den Kindern aber gar keine „Auseinandersetzung mit dem menschengemachten Klimawandel“ statt, sondern sie haben die Behauptung seiner Existenz (und Relevanz) sozusagen mit Stumpf und Stiel gefressen (weil sie systematisch damit gefüttert wurden) und sich daher in einem der Realität in keiner Weise angemessenen Ausmaß in Hysterie hineingesteigert. Mag sein, dass bestimmte Psychotherapeuten dies „existenziell gesund“ finden, aber m.E. ist es sowohl sozial als auch psychologisch höchst bedauerlich, wenn nicht schlichtweg „krank“.

Dabei könnte Chmielewski zur Sache, von der er nichts weiß und anscheinend auch nichts wissen will – er könnte sonst leicht eigene Recherchen durchführen und würde dann u.a. auf die wirklich erhellenden YouTube-Videos von Tony Heller (excuse the pun!) stoßen –, einfach schweigen. Er tut es aber nicht. Warum nicht? Warum muss Chmielewski seine private Meinung zum menschengemachten Klimawandel gegen Kritik zu immunisieren versuchen? Warum muss er diejenigen, die nicht – wie er – unkritisch als Wahrheit akzeptieren, was ihnen mit großem finanziellen und medialen Aufwand als solche dargestellt wird, zu diskreditieren versuchen wie im folgenden Absatz:

„Ein großer Teil der Bevölkerung scheint sich nicht angemessen für die drohende Zerstörung der Welt, wie wir sie kennen, zu interessieren und hat – wie es Brick und van der Linden (2018) formulieren – nur ein lethargisches „Gähnen“ für die Apokalypse übrig“ (Chmielewski 2019: 253).

Na, so etwas! Warum nur? Warum erkennt der „große Teil der Bevölkerung“ nicht das als Wahrheit an, was Institutionen mit viel Geld inszenieren und dem Chmielewski so uneingeschränkt auf den Leim gegangen ist? Kann für Chmielewski nicht sein, was nicht sein darf!? Das würde ein großes Fragezeichen hinter seine psychologische Stabilität setzen.

Und dann wird Chmielewski persönlich und beleidigend:

„Noch fragwürdiger erscheint die Motivation von Personen zu sein, die die  menschliche Verursachung des Klimawandels als Lüge abweisen – teils mit erstaunlicher Aggressivität und unter Bezugnahme auf unhaltbare Verschwörungstheorien“ (Chmielewski 2019: 253-254).“

Es wäre schön, wenn Chmielewski selbst das ein oder andere „fragwürdig“ erscheinen würde, z.B. warum er selbst psychisch so stark in der Defensive ist, dass er Menschen mit anderer Meinung niedrige Motivation unterstellt, warum er sie „lethargisch“ findet, nur, weil sie auf fake news oder Übertreibungen nicht so hysterisch reagieren wie er selbst, warum er Gegenrede als „Aggressivität“ empfindet – es müsste korrekt „Aggression“ heißen, weil „Aggressivität“ keine Handlung sein kann, sondern nur ein latentes Konstrukt ist, von dem man vermuten kann, dass es hinter einer Handlung, die als „Aggression“ empfunden wird, steht; das sollte jemand, der Psychologie studiert hat, wissen –, und wenn er es schon tut, woher die „Aggressivität“ der Anderen wohl kommt – wo er selbst doch der Sanftmütigste, Kompromissbereiteste, Verständnisvollste ist, der Anderen all die Ängste und Niedrigkeiten problemlos unterstellt, die er (damit) aus der eigenen Psyche zu exorzieren versucht – und dies alles nur, weil ihre Überzeugungen nicht mit seinen eigenen übereinstimmten!?

Und wozu dient es Chmielewski psychologisch, z.B. bestimmte Annahmen über Korruption und Vorteilsnahme – leider enthält uns Chmielewski vor, was genau er meint – als „Verschwörungstheorien“ zu titulieren? Meint er, mit dieser Art von apotropäischer Magie die bedrohliche gesellschaftliche Realität abwenden zu können, von der die Spirale der Korruption und Inszenierung einer „alternativen“ Realität („Lüge“ ist für Chmielewski offensichtlich ein böses, ihn verletzendes, Wort, das vermieden werden muss) nur ein kleiner Teil ist? Für Chmielewski muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass er explizit von „unhaltbaren Verschwörungstheorien“ (Chmielewski 2019: 254) spricht, so dass deutlich wird, dass er auch die Möglichkeit der haltbaren „Verschwörungstheorie“ kennt; vielleicht ist er ja doch schon der ein oder anderen haltbaren „Verschwörungstheorie“ in der Realität begegnet!?

Spricht dies alles nicht dafür, dass sich Chmielewski durch die Inszenierung des menschengemachten Klimawandels der eigenen Sterblichkeit und damit der eigenen Irrelevanz im Kosmos bewusst geworden ist – seltsam; ich kenne eigentlich niemanden, der nicht schon einmal über die eigene Sterblichkeit und den eigenen Tod nachgedacht hätte –, und ihm dies nun so große Angst macht, dass er sie nicht bewältigen kann, ohne die eigenen Ängste auf anderen Menschen zu projizieren?

Scheut er „naturgemäß[!] und zurecht[sowieso!]“ (Chmielewski 2019: 256) davor zurück, sich selbst „eine bestimmte Sichtweise aufzudrängen“, z.B. diejenige, nach der er gemeinsam mit Kindern, Hobbydemonstranten und einer Reihe besonders naiver Erwachsenen ein Häuflein hysterischer – vielleicht auch opportunistischer – Persönlichkeiten darstellt, dem eine Menge seltsam real im Leben verankerter Menschen gegenübersteht, die angesichts der Apokalypsen-Hysteriker und ihrer nach außen projizierten persönlichen Probleme und Ängste „[g]ähnen“ müssen?

Der Text von Chmielewski ist eine einzige Offenbarung seiner eigenen psychischen Verfassung. So kommt er offensichtlich auch nicht damit zurecht, dass Psychotherapeuten normalerweise „… versuchen, ihre eigenen Werte aus der Therapie möglichst herauszuhalten, um Patienten selbstbestimmte Entscheidungen zu ermöglichen. Ausnahmen sind allerdings dann zu machen, wenn es um akute Eigen- oder Fremdgefährdung geht“ (Chmielewski 2019: 254), und schon fühlt sich Chmielewski von der ärgerlichen Forderung der Selbstbeschränkung entbunden. Er maßt sich an, zu entscheiden, wann „Eigen- oder Fremdgefährdung“ besteht und wann sie „akut“ ist, nämlich dann, wenn er sich oder seine Überzeugungen gefährdet fühlt; hier begegnen wir wieder seiner angstbesetzten Beziehung zur eigenen Verletzlich- und Sterblichkeit. Und bezeichnenderweise präsentiert er gleichzeitig die narzisstische Hybris, die durch die eigene Nichtigkeit (spätestens mit dem Ableben) nachhaltig (!) bedroht ist, denn wie, bitte, kommt der junge Mann zu der Vermutung, dass „Patienten“ – also Kranke, nicht etwa „Beratung-Suchende“ oder gar „Kunden“– ihre Selbstbestimmung ruckzuck dadurch verlieren würden, dass der Herr (oder die Dame) Psychotherapeut kraft „Amtes“ die eigenen Werte als verbindlichen Maßstab verkündet!?

Wer jemals einen Band mit Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe gelesen hat, hat gute Chancen, sich bei der Darstellung Chmielewskis seiner eigenen Befindlichkeiten an die Protagonisten dieser Geschichten erinnert zu fühlen, von denen kaum jemals klar wird, wann oder inwieweit sie in der Realität handeln, wann sie in einer Traumwelt ihr Handeln bloß vorstellen, wann sie in einer verlorenen Halbwelt zwischen Realität und Traum wandeln, und ob sie es ernst meinen, wenn ihnen der Verdacht kommt, sie seien dem Wahnsinn nahe. Mich jedenfalls hat Chmielewskis Text an diese Protagonisten erinnert, die den Blick eines Glasauges nicht ertragen können („Das Schwatzende Herz“) oder besessen sind von der Vorstellung der Zähne einer „Berenice“, Protagonisten, die sich so weit in Idiosynkrasien verstrickt haben, dass sie nur noch losen Kontakt zur sozialen Umwelt herstellen können (noch weniger: aufrechterhalten können). Und was die Angst vor dem Tod betrifft und die Vergeblichkeit eines Handelns, das aus Angst erfolgt, habe ich unwillkürlich an die „Die Maske des Roten Todes“ von Poe denken müssen … 

Insofern diese Parallelen zutreffend sind und man zustimmt, dass es ganz und gar keine harmlose Verirrung ist, wenn Psychotherapeuten u.a. die Umerziehung vom Menschen durch das Einimpfen von Schuldgefühlen fordern, stellt Chmielewski eine akute Fremdgefährdung – zumindest für den rationalen Teil der Bevölkerung – dar, so dass ihm eine „[s]elbstbestimm[te]“ Berufsausübung als Psychotherapeut untersagt werden müsste, was leicht in Einklang mit seinen eigenen Forderungen wie oben zitiert gebracht werden kann. Aber soweit wollen wir nicht gehen, denn glücklicherweise zählen wir zu den Menschen, die nicht bereit sind, das Wohl des Individuums, auch das von Chmielewski, den Interessen von Vielen zu opfern (obwohl es erschreckenderweise ja Menschen gibt, die reale Individuen bloß vorgestellten, nicht oder noch nicht existierenden Kollektiven zu opfern bereit sind; s. Chmielewski 2019: 254).

Aber natürlich würde Chmielewski dies alles von sich weisen. Nur andere Menschen zeichnen sich durch mangelnde Bewusstheit über die Realität und die eigenen Motive für ihr Handeln aus, nicht er selbst – und ihm ist nicht einmal bewusst, dass ihn dies für die meisten Leser seines Textes als eher nicht ernstzunehmen markieren dürfte.

Das ist aber ohnehin nicht der Punkt. Ich mag Recht haben oder Unrecht mit meiner Analyse der Chmielewskischen Befindlichkeit. Der entscheidende Punkt ist nicht, wie „existenziell“ oder sonstwie gesund oder krank Chmielewski ist, sondern der entscheidende Punkt ist, dass es problemlos möglich ist, das pseudowissenschaftliche rhetorische Inventar, dessen sich Chmielewski bedient, um seine persönliche Meinung als Wahrheit durchzusetzen und anderen Menschen Defizite anzudichten und ihnen „Behandlung“ anzudrohen, gegen ihn selbst oder beliebige andere Personen zu richten. Wir befinden uns im Reich der Willkür, die mit Wissenschaft nichts, aber auch gar nichts, zu tun hat, auch, wenn die Willkür in Floskeln gekleidet wird, die wissenschaftliche Konzepte verbal imitieren sollen.

Und deshalb ist die pseudowissenschaftliche Fundierung von Beschimpfungen und Kampfbegriffen durch soziologisch oder psychologisch oder auch nur psychoanalytisch klingende Worte zum Scheitern verurteilt. Genau wie die direkten Beschimpfungen und Unterstellungen – als „Rechtsextremer“, als „Sexist“, als „Rassist“ etc. – ist die pseudowissenschaftlich getarnte Beschimpfung – als „Modernisierungsverlierer“, als „Klimaleugner“ etc.– willkürlich interpretierbar und willkürlich anwendbar, auch oder besonders gegen diejenigen, die sie selbst zuerst an Andere gerichtet haben. Und sie sagt nichts über den Adressaten aus, aber etwas über den Sender, und sei es nur, dass er entweder parodiert oder so wenig als Mensch und so sehr als Träger einer sozialen Identität funktioniert, dass er ernsthaft glaubt, er könne Menschen mit anderen Überzeugungen von diesen Überzeugungen abbringen, indem er sie „kraft Position“ als irgendwie falsch, defizitär, krank etc. bezeichnet.

Die Botschaft, die gesendet werden soll, ist nun einmal nicht immer, vermutlich nicht einmal normalerweise, die Botschaft, die bei anderen ankommt; das „Trichtermodell“ der Kommunikation war und ist falsch. Ein guter Soziologe weiß das. Ein guter Psychotherapeut sollte es auch wissen. Und er selbst sollte der erste sein, den er einer tiefen, existenziellen Analyse unterzieht – auch, wenn er zu diesem Zweck zuerst die Angst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit bewältigen muss.

Da dieses „Szenario“ wenig realistisch erscheint, müssen wir vermutlich dem folgen, was Chmielewski selbst empfiehlt:

„Wir sollten uns für die Thematik sensibilisieren und Patienten, bei denen Deutungen der Klimakrise eine verursachende oder aufrechterhaltende (Teil-)Rolle bei ihrer psychischen Problematik spielen könnte, hier ernst nehmen“ (Chmielewski 2019: 259).

Ja, wir müssen versuchen, psychologisch existenziell Bedrohte und Klimahysteriker samt ihrer psychischen Problematik ernst zu nehmen. Ich für meinen Teil habe es versucht. Ich bin kläglich gescheitert; vielleicht, weil ich Soziologin bin …!?


Literatur:

Beckwith, Christopher I., 2009 : Empires of the Silk Road: A History of Central Eurasia from the Bronze Age to the Present. Princeton, NJ: Princeton University Press.

Chmielewski, Fabian, 2019: Die Verleugnung der Apokalypse – der Umgang mit der Klimakrise aus der Perspektive der Existenziellen Psychotherapie. Psychotherapeutenjournal 3/2019: 253-260.

Lipton, Robert Jay, 1989[1961]: Thought Reform and the Psychology of Totalism. Chapel Hill: University of North Carolina.

Reinhold, Gerd (Hrsg.), 2000: Soziologie-Lexikon. München: R. Oldenbourg.

Zapf, Wolfgang, Entwicklung und Sozialstruktur moderner Gesellschaften. S. 257-272 in: Korte, Hermann & Schäfers, Bernhard (Hrsg.): Einführung in Hauptbegriffe der Soziologie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.



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