Vom Ausweiden der Tat: Attentat-Opportunismus nach Halle

Wir hatten nicht vor, etwas zu Stephan Balliet, dem Mörder von Halle zu schreiben. Wir tun es doch, weil das Ausmaß an Niedertracht, Heuchelei und blankem Opportunismus, das mit KEINER politischen Kultur in Einklang zu bringen ist, alles Erträgliche übersteigt.

Kaum etwas bringt Politiker in Deutschland so sehr in Wallung, fast schon in Extase, wie ein rechtsextremer, antisemitischer Anschlag, besser noch, ein Anschlag mit Opfern, Toten, Verletzten, keines davon Jude, ein Maler, eine 40 Jahre alte Frau, ein Ehepaar aus Landsberg. In solchen Fällen sind die Opfer schnell vergessen, es gibt wichtigeres zu tun, es gilt, den Anschlag politisch auszuweiden, ihn zu nutzen, um den politischen Gegner zu schädigen und das zu tun, was man immer schon tun wollte: Kontrolle erhöhen, Gesetze verschärfen, Überwachung verstärken, Freiheitsrechte noch weiter einschränken, man nennt das dann: „die Sicherheit erhöhen“.

Die Heuchelei ist schon hier nicht mehr zu überbieten. Nach jedem Anschlag der letzten Jahre wurde die Sicherheit erhöht, wurden Freiheitsrechte eingeschränkt. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurde geschaffen, die Meinungsfreiheit verstümmelt, Bundestrojaner entwickelt, Gesetze, Regelungen, Kontrolle. Und? Hat das Stephan Balliet davon abgehalten, in Halle zwei Menschen zu ermorden und zwei weitere zu verletzen?

Nein.

Aber das interessiert die Politiker, die nun aus ihrer sonst vorherrschenden Lethargie durch die Gunst des Attentats-Augenblicks geweckt wurden, nicht. Sie müssen diese Gunst nutzen. Wie? So wie immer, denn auch wenn sie nicht lethargisch sind, so sind die meisten deutschen Politiker doch in erster Linie eines: phantasielos.





Stufe 1 des Projekts der Phantasielosen besteht darin, ein Agens zu erfinden, eines, das frei flottiert und über Sprache funktioniert. Dieser mythologische Glaube speist sich zweifellos aus ihrer Überzeugung, mit den öffentlich-rechtlichen und anderen Mainstreammedien ein Werkzeug an der Hand zu haben, das es ihnen erlaubt, die Bevölkerung zu beeinflussen. Diesen Irrtum übertragen sie nunmehr auf ihren politischen Gegner, der, weil Gegner, für alle Verderbtheit der Welt verantwortlich gemacht werden muss.

Die Mythologie geht wie folgt:

Die AfD, die es als solche nicht gibt, es gibt nur AfD-Politiker, aber die Mythologie funktioniert nur, wenn man die AfD als Ganzes in Sippenhaft nehmen kann, diese AfD als Ganzes, so die üblichen Verdächtigen aus CSU und SPD, die sich erstaunlich einig sind, wenn es darum geht, die schrumpfende Wählerunterstützung dadurch zu bekämpfen, dass man die Partei, die dafür hauptsächlich verantwortlich ist, in Sippenhaft nimmt, die üblichen Verdächtigen, die Stegners und Söders, diese AfD ist Ausgangspunkt eines Agens. Das Agens, es flottiert frei. Es ist ein böses Agens. Eines, das durch Sprache ausgelöst wird, AfD-Sprache, keine andere. Wenn also die AfD, etwas sagt, z.B. dass es Zweifel am menschengemachten Klimwandel gibt, die Bundesregierung keinen Plan hat und außerdem die Ressourcen, die für Flüchtlinge verbraucht werden, für die eigene Bevölkerung nicht mehr zur Verfügung stehen, dann flottiert dieses Etwas im Raum und sucht sich einen natürlich rechtsextremen Idioten, dem es sich mitteilen kann. Stephan Balliet ist ein solcher Idiot, der gebannt, dem Agens lauscht, das ihm ins Ohr flüstert. Nun ist unser Agens ein bösartiges Agens, das auf dem Weg von der AfD zu Balliet sein eigentliches Wesen zeigt. Deshalb flüstert es Balliet ins Ohr: Besorge Dir eine Waffe, fahre nach Halle, verübe einen Anschlag auf eine Synagoge, verbreite Dein Video im Internet und schreib‘ ein Manifest.

Sounds like crap?

Ist crap – monumentaler Blödsinn, aber monumentaler Blödsinn, der dennoch verbreitet wird. Durch Politiker. Durch Medien. Durch all diejenigen, die die Gunst der Stunde, die ihnen ein Einzeltäter verschafft hat, dadurch nutzen wollen, dass sie auf den Gräbern der Toten einen irren Totentanz vollführen.

Aber war es überhaupt ein Einzeltäter? Der Anschlag wäre um ein Vielfaches besser zu instrumentalisieren und für die eigenen Zwecke einsetzbar, wenn man Stephan Balliet, der dummerweise nicht nur Einzeltäter ist, sondern auch noch darauf besteht, einer zu sein, zu einem gedungenen Mörder, einem Täter mit Hintermännern, einem Clanmitglied, einem Täter aus einschlägigen Täterkreisen machen könnte.



Stufe 2 ist erreicht.

Stufe 2 schlägt sich bei der Tagesschau dann im Versuch nieder, Zuschauer um den Verstand zu schreiben, den Verstand, der bei der Tagesschau wohl nur noch als Spurenelement gelegentlich nachgewiesen werden kann:

„Zwar handelte der Todesschütze von Halle allein, doch kann man ihn wirklich einen Einzeltäter nennen? Wie der Attentäter von Christchurch streamte der 27-Jährige seine Tat für eine sich immer weiter radikalisierende rechte Szene. In seinem Video nutzt er die Sprache einer rechtsorientierten Online-Subkultur, die sich in anonymen Plattformen und Gameforen vernetzt und gegenseitig aufstachelt.“

Postmoderne Spinner zeichnen sich dadurch aus, dass sie denken, ihre Gelehrtheit, ihr intellektueller Tiefgang würde sich darin niederschlagen, dass sie das Offensichtliche in Frage stellt. Kann ein Einzeltäter, einer, der alleine gehandelt hat, als Einzeltäter bezeichnet werden oder ist es nicht vielmehr so, dass auch Täter, die alleine handeln, eigentlich in Gruppen töten?

Derartige Belege für ein Gehirn, das seine Tätigkeit vor langer Zeit bereits eingestellt hat, falls es sie je aufgenommen hat, findet man bei Postmodernen in vielen Facetten. Sie stehen im Regen und fragen sich, ob ihr Zustand kompletter Durchnässung auf den Regen zurückzuführen ist oder nicht vielmehr Ergebnis ihrer Unterdrückung durch das Patriarchat.

Wer einmal vom Wahnsinn erfasst ist, ist wahnsinnig, auch als Postmoderner.

Aber ein derartiges Säen von Zweifel am Offenkundigen, das angestrengt wird, um bei denen, die nicht denken, aber fühlen, und das ganz tief, wie sie meinen, wenngleich sie „tief“ nicht fühlen, Eindruck zu machen, hat natürlich einen Zweck, es soll den Weg bereiten, um den politischen Nutzen, den die Attentats-Opportunisten für sich schaffen wollen, auch zu schaffen.

Der Zweifel am Einzeltätertum des Einzeltäters soll als Vorwand genutzt werden, um einmal mehr das verhasste Internet, das als Kontrollinstanz für Lügen, die man früher mit dem offiziellen Stempel der angeblichen Wahrheit so leicht verbreiten konnte, ins Visier nehmen, reglementieren, beschränken, kontrollieren zu können. Natürlich sind die Gamer, die sich nunmehr im Fadenkreuz der Attentat-Opportunisten sehen, nur der Vorwand, ist die behauptete Online-Subkultur nur der Sündenbock, der benötigt wird, um das Internet für ALLE NUTZER zu beschränken, um ALLE NUTZER zu kontrollieren, um ALLE NUTZER zu überwachen, um ALLEN NUTZERN weiter Freiheiten zu stehlen.

Wer daran zweifelt, der möge sich fragen, wann es jemals ein Gesetz gegeben hat, das so konkret formuliert war, dass es sich nur auf eine bestimmte „Online-Subkultur“ hat anwenden lassen. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist so allgemein formuliert, dass selbst diejenigen, die sich für gute Linke halten, zu seinem Opfer werden. Freiheitsraub, wenn er in Gesetzen formuliert wird, differenziert nicht zwischen Nutzern. Er gilt umfassend. Das ist sein Zweck. Er soll umfassend gelten, weil er der Kontrolle dient.

Und natürlich können die Attentat-Opportunisten sich darauf verlassen, von den üblichen „Experten“ bei ihrem Vorhaben unterstützt zu werden. Wie so oft, ist Julia Ebner vom obskuren Institute for Strategic Dialogue in London, einem der Kostgänger von George Soros, bei der Hand, um von furchtbaren Vernetzungen unter Rechtsextremen in der Gamer Szene zu berichten. Wer nun denkt, Ebner berichte harte Fakten, Zahlen, Ereignisse, Konsequenzen, der irrt. Ob etwas relevant ist, wie viele Gamer in angeblichen rechtsextremen Zirkeln miteinander verbunden sind, das spielt keine Rolle. Es geht darum, den Verdacht zu säen und zu nähren, dass die Gamerszene durch und durch verderbt sei, unterlaufen von Rechten, dass sie reguliert, reglementiert, kontrolliert werden müsse. Wie es sich tatsächlich verhält, das interessiert bei denen, die den Attentat-Opportunisten zur Hand eilen, die quasi sekundäre Attentat-Opportunisten sind, niemanden. Die Kontrolle, die durchgesetzt werden soll, ist umfassend. Da stören Fakten nur.





Alles funktioniert auf der Basis einer Mythologie, einer Fiktion der Realität, die mit ein paar Realitätsinseln im Meer der Lügen verbunden wird. Weil Stephan Balliet einen Streamingdienst von Gamern, Twicht, den viele in Deutschland gar nicht kennen, missbraucht hat, um das Live-Video von seinen Morden im Internet zu verteilen, weil das Video dort von rund 22.000 Nutzern gesehen und von einigen auch geteilt wurde, deshalb wird nun die Gamer-Szene als Ganzes unter Generalverdacht gestellt. Einmal mehr: Es geht darum, das Internet zu kontrollieren. Und wie ließe sich das besser durchsetzen, als dadurch, den Mord an zwei Menschen und die Verletzung weiterer zweier Menschen, den ein Einzeltäter zu verantworten hat, zu etwas mythologisch Bombastischem zu verklären, einer Konspiration geheimer Mächte, die im Internet lauern, sich in Gamer-Netzwerken organisieren, Subkulturen bilden, den Umsturz planen.

Absurditäten werden erfunden, um aus einem Häuflein von angeblich vernetzten Rechtsextremisten eine Staatskrise zu basteln, die Szene wird zu einer monströsen Gefahr aufgebauscht, ausgerechnet von denen, die kein Problem damit haben, ehemalige Angehörige des Islamischen Staat in Mannschaftsstärke nach Deutschland zu importieren, dann als Flüchtlinge etikettiert. Angesichts der Bedrohungsszenarien, die die Attentat-Opportunisten zimmern, fragt man sich, wieso die gut organisierte, hervorragend vernetzte und brandgefährliche Szene es nur schafft, im Anschluss an Attentate durch Flüchtlinge, wie das Lkw-Attentat, das gerade in Limburg glimpflich abgegangen ist, und das durch Halle komfortabel dem Vergessen anheim gestellt werden konnte, einen Einzeltäter auf die Beine zu stellen, der zudem nicht einmal in der Lage ist, sein Ziel zu erreichen und stattdessen willkürlich Menschen erschießt, so dass er nichts anderes ist als ein hundsgewöhnlicher Mörder, kein besonderer ideologischer Gotteskrieger?

Seltsamerweise gilt Stephan Balliet den Attentat-Opportunisten nicht als hundsgewöhnlicher Mörder. Sie wollen ihn zu etwas anderem stilisieren, ihm den ideologischen Heldenstatus des Rechtsextremisten und Antisemiten, den er in seiner Szene, sofern es sie in der Weise, wie sie in den offiziellen Nachrichten dargestellt wird, überhaupt gibt, aufgrund von Erfolglosigkeit sicher nicht erhalten hätte, denn wenn die Online-Subkultur, wie man bei ARD und ZDF und den anderen lesen kann, aus aufgestachelten und aggressiven und antisemitischen und rechtsextremen Mordwilligen besteht, dann sind sie sicher nicht damit zufrieden, dass ein Maler und eine 40-jährige Frau getötet wurden.

Da sind sie wieder, die Opfer, die in der politischen Ausweidung des Attentats so gar keine Rolle mehr spielen. Sie sind Statisten im politischen Alltag, werden schnell begraben oder dem Vergessen anheim gestellt, denn es geht um mehr, es geht um die wichtige Erzählung der unglaublichen Gefahr, die der Rechtsextremismus in der Gamer-Szene und damit natürlich das Internet darstellen. Es geht um Kontrolle, für deren Umsetzung Politiker keinen Anstand, keine Pietät, keine Logik kennen, für deren Umsetzung ihnen keine Absurdität zu groß ist.

Wie gut, dass diejenigen, die sich für „intellektuelle Elite“ halten, für politische Führer, eine Negativauswahl der Bevölkerung darstellen, wie man schnell sieht, wenn man willkürliche Äußerungen von Bürgern betrachtet, die allesamt intelligenter sind, als das, was Politiker und Personen, von denen man sich fragt, ob sie mit Falten in der Stirn geboren wurden, mit angestrengter Stimme voller selbstzugeschriebener Wichtigkeit, erzählen wollen.

Es ist eben Fakt, dass ein Täter, der alleine handelt, alleine handelt. In der Logik ist dies als Satz des ausgeschlossenen Dritten bekannt. Ein Politiker der blöd ist, kann also nicht klug sein.

Es ist eben Fakt, dass der Missbrauch eines Gaming-Streaming-Dienstes durch einen Einzeltäter keinerlei Hinweis darauf liefert, dass der Einzeltäter in der Gaming-Szene vernetzt war, zumal der Account von Stephan Balliet genau zweimal benutzt wurde, einmal, um zu testen, einmal, um seine Mordtaten live zu verbreiten.

Es ist eben Fakt, dass die Horrorszenarien, die die Experten, die schnell wieder – wie Springteufelchen – aus ihren Kisten geholt werden, damit sie eben diese Horrorszenarien verbreiten, in einem eklatanten Widerspruch dazu stehen, dass die angeblich organisierte, vernetzte und zahlenmäßig so große Szene, die es erlaubt, von einer Online-Subkultur zu reden, hoffnungslos ins Hintertreffen gerät, wenn das, was sie als Attentat vorzuweisen hat, mit dem verglichen wird, was man als islamistischen Terror bezeichnet. Islamisten spielen offenkundig weniger und handeln mehr.

Und schließlich ist es ein Fakt, dass eine Korrelation keine Kausalität darstellt, aber das ist wohl jenseits dessen, was der gemeine Politiker, der journalistische Mahner und Bedenkenträger und der Experte für alles, was man ihm aufträgt, begreifen können. Überlassen wir daher das Wort denen, die intelligenter sind, als die gerade Genannten:

Weil es unter den Lesern Spekulationen über die Person von Stephan Balliet gibt. Damit wir alle wissen, von wem wir reden:



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