Hard Brexit, No Hard Brexit, Hard Brexit, No Hard Brexit, Hard Brexit!

Es ist da, das Gesetz mit dem Boris Johnson die Zombies, die das House of Commons zu einem Zombie Parlament gemacht haben, in die Wüste schicken will. Es sieht so aus:

Im Gegensatz zur Wahl des gestrigen Abends, die unter den Fixed-term Parliaments Act durchgeführt wurde, der für eine Neuwahl eine Zwei-Drittel-Mehrheit vorschreibt, versucht die Regierung Johnson heute mit einem einfachen Gesetz, eine vorgezogene Wahl durchzusetzen. Einfache Gesetze benötigen einfache Mehrheiten. Derzeit reichen Johnson 322 Abgeordnete, die seinen Gesetzentwurf mittragen, 288 Conservatives 10 DUPs, 19 LibDims und 5 Independents  wären also genug. Geht es nach dem Buschfunk im Vereinigten Königreich, dann hat Johnson diese Mehrheit.





Wenn er sie nicht hat, wenn es keine Neuwahl am 12. Dezember geben sollte, dann wird es spannend, denn z.B. die LibDims wollen eine Neuwahl für den 8. November durchsetzen. Warum? Weil die Chancen, das Withdrawal Agreement vor der Auflösung des Parlaments durch daseelbe zu bringen, dadurch minimiert werden.

Der Stand derzeit:

Die EU hat eine so genannte “Flextension” genehmigt, d.h. der Brexit findet spätestens am 31. Januar statt. Das soll Johnson die Möglichkeit geben, sein Withdrawal Agreement und die begleitende Implementation Bill durch das House of Commons zu bringen, in dem bekanntlich 244 Labour Abgeordnete sitzen, die nicht über die Implementation Bill entscheiden können, weil sie angeblich nicht genug Zeit hatten, sie zu lesen (etwas mehr als 100 Seiten), die aber dennoch in der Lage sind, das, was sie nicht gelesen haben und das, was Johnson aus Brüssel als sein Withdrawal Agreement mitgebracht hat, abzulehnen – ohne es gelesen zu haben.

Flextension ist eine Art “Sudden Death”-Verlängerung, d.h. wenn das Withdrawal Agreement (WA) durch das House of Commons verabschiedet wird, ist dies gleichbedeutend mit dem Brexit. Wird das WA vor dem 31. Januar vom Parlament angenommen, dann wird der Brexit vor dem 31. Januar vollzogen.

Ist damit der Hard Brexit vom Tisch?

Auf den ersten Blick sieht es so aus.

Zumal Johnson die Verlängerung aus Brüssel zwischenzeitlich akzeptiert hat.

Auf den zweiten Blick gibt es jedoch nach wie vor Möglichkeiten, von denen sich viele Brexiteers fragen, warum sie von der Regierung Johnson bislang nicht genutzt wurden.


Erste Möglichkeit: Bill of Rights

Dr. David Starkey, den man wohl als die Autorität im Vereinigten Königreich bezeichnen kann, wenn es um Verfassungsfragen geht, hat die Bill of Rights ins Spiel gebracht.

Das Vereinigte Königreich hat, wie die meisten vermutlich wissen, KEINE geschriebene Verfassung.

Aber es gibt eine Reihe von Gesetzen, die das Rückgrat des britischen politischen Systems, des britischen Parlamentarismus bilden, darunter Erskine May, in dem die Verfahrensregeln des Parlaments zusammengefasst sind und die Bill of Rights, in der u.a. steht, dass es Gerichten untersagt ist, sich in parlamentarische Angelegenheiten einzumischen. Der Rechtsspruch des Supreme Court, der die Prorogation des Parlaments durch Boris Johnson beanstandet hat, war ein solcher Eingriff und damit ein Verstoß gegen die Bill of Right. 

In Clause 9 der Bill of Rights findet man die folgende Aussage:

“Freedom of Speech.

That the Freedome of Speech and Debates or Proceedings in Parlyament ought not to be impeached or questioned in any Court or Place out of Parlyament.”

Auf Grundlage dieser Aussage argumentiert David Starkey, dass die Urteile, die gegen die Regierung ergangen sind, alle illegal seien, jederzeit angegriffen werden könnten und dass es auch möglich ist, den Benn Act mit Verweis auf die Bill of Rights aus der Welt zu schaffen.

Mit anderen Worten: Unter Verwendung der Bill of Rights wäre es der Regierung Johnson nach wie vor möglich, einen Hard Brexit zum 31. Oktober zu erwirken.


Möglichkeit 2: Civil Contingencies Act

Die zweite Möglichkeit besteht im Kern darin, eine Art “Ausnahmezustand” zu erklären, und zwar auf Grundlage des Civil Contigencies Act, Section 19. Dort heißt es:


Meaning of “emergency”
(1) In this Part “emergency” means—
(a) an event or situation which threatens serious damage to human welfare
in the United Kingdom or in a Part or region,

Subsection 2 spezifiziert, genauer, was eine Notfallsituation ist:

For the purposes of subsection (1)

(a) an event or situation threatens damage to
human welfare only if it involves, causes or may cause—
(a) loss of human life,
(b) human illness or injury,
(c) homelessness,
(d) damage to property,
(e) disruption of a supply of money, food, water, energy or fuel,
(f) disruption of a system of communication,
(g) disruption of facilities for transport, or
(h) disruption of services relating to health.


Für die beschriebenen Situationen, von denen man etliche für den Fall annehmen könnte, dass es keinen Brexit gibt, erhält die Regierung eine der Notstandsgesetzgebung in der Weimarer Republik vergleichbare Vollmacht, unabhängig vom Parlament Gesetze zu erlassen und Entscheidungen zu treffen.

Power to make emergency regulations
(1) Her Majesty may by Order in Council make emergency regulations if satisfied
that the conditions in section 21 are satisfied.
(2) A senior Minister of the Crown may make emergency regulations if satisfied—
(a) that the conditions in section 21 are satisfied, and
(b) that it would not be possible, without serious delay, to arrange for an
Order in Council under subsection (1).

Die angesprochenen Bedingungen aus Section 21 lauten: 

(2) The first condition is that an emergency has occurred, is occurring or is about to occur.
(3) The second condition is that it is necessary to make provision for the purpose of preventing, controlling or mitigating an aspect or effect of the emergency.
(4) The third condition is that the need for provision referred to in subsection (3) is urgent.


Abermals ist es leicht möglich, die genannten Bedingungen zu erfüllen, so dass auch die Erklärung eines Ausnahmezustands durch die Regierung Johnson, z.B. weil damit zu rechnen ist, dass Brexiteers am 1. November, weil sie abermals getäuscht wurden, auf die Straße gehen oder das Kommando Guy Fawkes, zur Parliament Extinction Rebellion aufgerufen hat, eine Möglichkeit darstellt, um eine weitere Verschiebung des Brexit zu umgehen und einen Hard Brexit herbeizuführen. 

Wir haben es hier betont lustig dargestellt. Die Möglichkeit ist aber real. Ebenso ist die Möglichkeit einer “Order of Council”, nach wie vor gegeben. Die entsprechende Order durch einen Minister oder den Prime Minister könnte den Brexit für den 31. Oktober schlicht und ergreifend erklären. Der entsprechende Prime Minister würde vermutlich als Trickster in die Geschichte eingehen, was zum eigentlich relevanten Punkt führt: Wie wichtig ist Johnson ein Brexit am 31. Oktober? Was ist er bereit an persönlichen Kosten, zu denen, die er sowieso schon hat, weiter auf sich zu nehmen?

Wie wichtig ist es ihm, nachdem er erreicht hat, was angeblich nicht erreichbar war, Neuverhandlungen mit der EU und ein neues Withdrawal Agreement, ein einvernehmliches Ausscheiden aus der EU zu bewerkstelligen?

Wir haben keine auf diese Fragen bislang keine Antworten.

Aber es dauert sicher nicht lange, bis die Fragen beantwortet werden.



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