Resozialisierung klappt bei Terroristen nicht: Das Beispiel des London Bridge Mörders

Wenn die Geschichte nicht einen so tödlichen Verlauf genommen hätte, könnte man sie als Anekdote erzählen.
Behandeln wir sie als eine Art “tödliche Anekdote”.

Am 29. November fand in der Londoner Fishmongers’ Hall eine Veranstaltung im Rahmen des Programms “Learning Together” statt.

“Learning Together” geht auf eine Initiative von Dr. Ruth Armstrong und Dr. Amy Ludlow von der Erziehungswissenschaftlichen bzw. Kriminologischen Fakultät der Universität Cambridge zurück.

In der Selbstbeschreibung des Projektes heißt es:

“Prison-based education, in the sense of bringing students from outside and within prison together to learn alongside one another, has a long British history. However, its practice in the UK over the last twenty years had declined, while the practice in the US has accelerated, through the Inside-Out programme.

With support from the Teaching and Learning Innovation Fund (TLIF) we have designed and delivered a new educational initiative called Learning Together. The design and delivery of Learning Together has been informed by criminological and educational theory – what we know about stigma, marginalisation and the role of intergroup contact in reducing prejudice, what we know about desistance (how people rebuild non-offending lives), and what we know about how people can be best supported to engage with and develop through learning.”





Die Prämisse, auf der “Learning Together” somit basiert, ist eine, die zumindest unter Kriminologen nicht unumstritten ist. Sie gehört in den weiteren Kontext der “Labeling Theory” und nimmt an, dass die Re-Sozialisierung von Kriminellen durch gesellschaftliche Hürden, Vorurteile, Voreingenommenheiten, Vorsicht, behindert wird, was wiederum die Wahrscheinlichkeit erneuter Straffälligkeit erhöht, einfach deshalb, weil die ehemaligen Kriminellen in der Gesellschaft nicht Fuß fassen können. Zu dieser Prämisse gesellt sich eine zweite: Um in einer Gesellschaft Fuß fassen zu können, ist Bildung wichtig. Bildung wirkt quasi als Bollwerk gegen Kriminalität.

Diese Hypothese basiert natürlich auf dem allgemein bekannten Bias der Strafverfolgung. Edwin H. Sutherland hat dies in seinem Buch “White Collar Crime” beschrieben, Karl-Dieter Opp hat es in seinem Buch “Soziologie der Wirtschaftskriminalität” angesprochen: Angehörige der Arbeiter- und unteren Mittelschicht finden sich leichter in Polizeilichen Kriminalstatistiken als Angehörige der Mittel- und Oberschicht. Die Gelegenheitsstrukturen sind anders. Eine Prügelei zwischen Arbeitern findet sich schnell als Körperverletzung in der Statistik. Die kleinen Bedrohungen und üblen Nachreden, die in den Netzwerken, die Steuerzahler finanzieren oder zwischen Managern in Unternehmen an der Tagesordnung sind, werden kaum erfasst. Bestechung und Bestechlichkeit, vermutlich der Boden, auf dem Politik und Verwaltung gebaut sind, finden sich kaum in der Polizeilichen Kriminalstatistik. Geht es um die Kriminalität, dann haben Arbeiter und untere Mittelschichtler es deutlich leichter, statistisch erfasst zu werden.

Wie auch immer: In Cambridge ist man der Ansicht, Straftäter seien reformierbar, könnten über Bildung auf den Pfad der straftatlosen Tugend zurückgeholt werden. Das Cambridger Programm gibt es seit 2014, in diesem Jahr sollte in London das fünfjährige Bestehen des Programms gefeiert werden, das Studenten und Insassen von HMP Grendon (also Strafgefangene, die derzeit im Gefängnis einsitzen) zusammenbringt.

An der “Learning Together” Konferenz, die in der Ankündigung als Konferenz bezeichnet wird, die Anlass zum Feiern, zur Knüpfung von Kontakten und zur Zusammenarbeit sein soll, haben Gefangene, Mitglieder von Bewährungskomitees, denen die vorzeitige Entlassung von Gefangenen obliegt, Studenten der Cambridge University, Sozialarbeiter und Kriminologen, die im Bereich der Re-Sozialisierung arbeiten, teilgenommen.

Mit von der Partie: Usman Khan.

Der Telegraph schreibt, dass Khan eingeladen worden sei, um seine Erfahrungen aus dem Gefängnis mit den Anwesenden zu teilen. In der Times wird nur davon gesprochen, dass Khan an der Morgensession teilgenommen habe.

Sicher ist dagegen, dass Usman Khan, den die deutschen Medien in ihrer idiotischen Manie als Usman K. bezeichnen, nach der Morgensession zurückgekommen ist und von der Veranstaltung aus, seine Mordtour gestartet hat, in deren Verlauf er zwei Menschen getötet und drei weitere zum Teil schwer verletzt hat, ehe er von einem Polizeibeamten erschossen wurde.

Was die Tagesschau denkt, dass man zu Usman Khan wissen müsse, ist das Folgende:

“Bei dem Messerangreifer von London handelt es sich um einen wegen Terrorismus verurteilten Ex-Häftling. Dies teilte der Chef der Britischen Anti-Terror-Polizei, Neil Basu, mit. Der 28-jährige Usman K. sei 2012 wegen Vergehen im Zusammenhang mit Terrorismus verurteilt worden. Demnach wurde er im Dezember 2018 vorzeitig zur Bewährung aus dem Gefängnis entlassen. Einem Bericht der “Times” zufolge geschah dies, nachdem er zugestimmt hatte, eine elektronische Fußfessel zu seiner Überwachung zu tragen.”

“Das Vergehen im Zusammenhang mit Terrorismus” wird wohl als Euphemismus des Jahres in die Annalen eingehen. Tatsächlich hat Khan gemeinsam mit acht anderen eine Reihe von Terroranschlägen geplant, darunter den Stock Exchange Plot. Dahinter verbirgt sich die bei Entdeckung schon im fortgeschrittenen Stadium sich befindliche Idee , mit Rohrbomben die Londoner Stock Exchange in die Luft zu jagen. 2010 wurde Khan gemeinsam mit seinen Mitverschwörern verhaftet und 2012 zu “indeterminate detention”, also zu zeitlich nicht beschränkter Inhaftierung, um die Öffentlichkeit vor ihm zu schützen, verurteilt.

2013 wurde die Strafe von einem Berufungsgericht auf 16 Jahre reduziert, von denen Khan 8 Jahre im Gefängnis verbringen sollte. Im Dezember 2018 wurde er auf Bewährung und mit der Auflage, eine elektronische Fußfessel zu tragen, aus der Haft entlassen. Im November 2019 nahm er an der oben genannten Konferenz teil, und wer weiß, vielleicht fanden sich unter den Teilnehmern auch diejenigen, die für seine vorzeitige Entlassung verantwortlich sind.

Wie auch immer, seine erfolgreiche Resozialisierung hat Khan eindrucksvoll dokumentiert. Nach der Morgensession, die ihn wohl gelangweilt hat, hat er seine eigene Session veranstaltet: Zwei Tote und drei Verletzte sind das Ergebnis davon. Khan selbst wurde erschossen, was den Versuchen, ihn zu resozialisieren, endgültig ein Ende bereitet hat.

Usman Khan war der britischen Polizei bestens bekannt, und er war kein Leichtgewicht.

Usman Khan is pictured second from the right in a surveillance image released by police in 2012

Er galt gemeinsam mit Nazam Hussein als Kopf der neun Verschwörer, die 2010 festgenommen wurden. Er war das, was man wohl einen überzeugten Islamisten nennen kann, und er hat seinen Islamismus und seinen Hass auf die Ungläubigen, für die er die Bezeichnungen “Kuffar” und “Dogs” hatte, bei keinem geringeren als Anjem Chowdhury, einem der bekanntesten Hassprediger Britannien und im Umfeld der Terrororganisation al-Muhajiroun gelernt. Das ist der Stoff, aus dem Personen, die sich für gebildet halten, Resozialisierung machen, die Grundlage, auf der Richter in Berufungsgerichten der Ansicht sind, es gehe keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit von Personen wie Khan aus. Es ist der Stoff, der selbst Wissenschaftler nicht daran zweifeln lässt, dass ihr Konzept der Re-Sozialisierung nicht umfassend anwendbar ist, falls es überhaupt anwendbar ist.

Zwei Menschen aus der Masse der Londoner haben die Zuversicht von Gutmenschen mit dem Leben bezahlt, eine Zuversicht, die den Vorfall als Freak Event abtun und unbeirrt fortfahren wird, denn die Vorstellung, dass manche Menschen eben schlicht und ergreifend Kriminelle sind, die dann, wenn es die Gelegenheit zulässt, Straftaten ausführen werden, und durch nichts zu einem Besseren bekehrt werden können, die ist Gutmenschen scheinbar fremd. Sie kann ihnen fremd sein, denn die Kosten ihrer Fehleinschätzungen, die tragen regelmäßig Andere.

Labour steht im Vereinigten Königreich für eine Politik der offenen Grenzen, ein last stand seit gestern.



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