Kommunistische Stilblüten aus steuerfinanzierter Anstalt zur Wirtschaftsforschung

Es schreibt der Chef des DIW, der natürlich auch seinen Senf zum heutigen Brexit Day geben muss:

“Das Brexit-Drama ist auch nach dem heutigen Tag keinesfalls beendet. Die Übergangsphase, an deren Ende ein Abkommen über die künftigen Handelsbeziehungen zwischen den Briten und der EU stehen soll, beginnt. Doch die Verhandlungen werden mehr als nur knifflig sein. Abgesehen von der extrem knapp bemessenen Zeit, in der kaum ein ausgereiftes Handelsabkommen entstehen kann, sind die inhaltlichen Differenzen massiv. Die EU steht vor einem schwierigen Balanceakt: Einerseits braucht sie das Vereinigte Königreich als verlässlichen Partner, andererseits darf sie nicht zu sehr nachgeben, wenn sich Populisten und EU-Spalter kein Vorbild am Brexit nehmen sollen. Gibt es keine Einigung, könnte es nach der Übergangszeit doch noch zu einem harten Brexit kommen. Darunter würde auch die deutsche Wirtschaft leiden. Aktuelle Berechnungen des DIW Berlin zeigen zudem, dass die anhaltende Unsicherheit ebenfalls Gift für die deutsche Konjunktur ist. Seit dem Brexit-Votum im Jahr 2016 ist das Bruttoinlandsprodukt hierzulande in jedem Jahr um 0,2 Prozentpunkte weniger gewachsen, als es ohne EU-Ausstieg der Briten der Fall gewesen wäre. Während der nun beginnenden Verhandlungen eines Abkommens werden einzelne Unternehmen angesichts der Ungewissheit über die künftigen wirtschaftlichen Beziehungen auch weiterhin nur zögerlich investieren – das kostet voraussichtlich erneut 0,2 Prozentpunkte Wachstum in diesem Jahr. Eine Rezession infolge des Brexit droht in Deutschland allerdings nicht.”

Marcel Fratzscher, der das DIW wohl von einem wissenschaftlichen Institut zu einem ideologischen Shithole transoformieren will, beschwört einmal mehr die möglichen, potentiellen, wahrscheinlichen, geringen, nicht zur Rezession führenden Folgen eines Brexit, auch eines Hard Brexit. Derartige Redundanzen ist man zwischenzeitlich gewohnt und dennoch stellt sich die Frage: Warum wird diese xte Wiederholung des Ewigselben gerade heute präsentiert? Folgt das Verfallsdatum öffentlichen Sykophantentums so schnell auf das entsprechende Kriechen? Ist die Notwendigkeit, rektale Übungen an der EU vorzunehmen, so drängend, dass sie in immer kürzer werdenden Intervallen wiederholt werden müssen?

Oder gibt es eine neue Message, die, zur besseren Wirkung, mit dem alten Sermon an die Gemeinde gepredigt und von dieser geschluckt werden soll?



Nun…
Nun?
Ist es Ihnen aufgefallen?
Das Wort, das archaische Wort, das so richtig aus dem Kontext fällt, schon deshalb, weil es so deplatziert und antik ist?

Schreiben wir es in weit spationierten Lettern:

S P A L T E R

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat einen erstaunlichen Wortschatz, einen geradezu geschichtsträchtigen Wortschatz.

Spalter hat eine lange Geschichte im deutschen Kommunismus, der als Sozialismus gestartet, zuweilen zum Marxismus, gelegentlich auch zum Marxismus-Leninismus, demokratischen Kommunismus und demokratischen Sozialismus wurde und der in welcher Facette auch immer er auftritt, immer derselbe Kommunismus ist. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Varianten desselben Kommunismus bestehen im Wesentlichen im Hinblick auf die Instrumentarien aus dem Besteckkasten des Totalitarismus, die akzeptiert werden: Schlägt man ideologischen Gegnern gleich den Schädel ein, weil sie Feinde sind oder versucht man zunächst, sie zum wahren kommunistischen Glauben zu konvertieren? Versucht man das Kommunisten verhasste demokratische System von innen heraus zu zersetzen (oder durchsetzen, wie die Netzwerke in der Lex Maas) oder soll Demokratie gleich zertrümmert werden, mit einer Mischung aus Zwang, Gewalt, Bevormundung und der Überzeugungskraft kleiner Kaliber?

Derartige Fragen geben viel Anlass, um sich a) zu streiten und b) zu spalten. Wer die Klein- und Kleinstparteien der Weimarer Republik, die es in Hülle und Fülle gab, studiert, sieht sehr schnell, worüber sich Kommunisten so streiten und worüber sie sich spalten, so dass die Abspaltung den Zurückgebliebenen als Partei der Spalter gilt (oder umgekehrt).



Es ist daher wenig verwunderlich, dass sich der SPALTER in der DDR großer Beliebtheit erfreut hat. Schon in seiner kurzen Geschichte der DDR schreibt Stefan Doernberg (1965) z.B. auf Seite 76 von den Spaltern, die die Vereinigung von SPD und SED verhindern wollten. Doernberg verlegt beim Berliner Dietz Verlag, schreibt also als Kommunist über seine DDR-Geschichte. Von Westdeutschland aus, berichtet Harald Krieg (1965: 9) über die ostdeutschen Spaltereien und zitiert aus einer SED-Kampfschrift, in der die Tätigkeit der Bonner Spalter” beklagt wird, die “zur Vertiefung der deutschen Zerrissenheit” beitrage. Gerhard Riege (1980) hat den Spalter-Ball in seinem Beitrag zur DDR-Staatsbürgerkunde mit dem Titel: “Nationalität: Deutsch, Staatsangehörigkeit: DDR” aufgenommen und in einem ganzen Kapitel mit der Überschrift “Die Spalter schreien Einheit” bespielt. Nicht einmal Riege kann ein ganzes Kapitel über die vermeintlichen Spalter, die das gute Werk von Walter Ulbricht, das die SPD beseitigt hat, verhindern wollten, füllen. Muss er auch nicht, denn zwischen 1965 und 1980 hat der Begriff des Spalters in der Literatur die Bedeutung gewonnen, die er in der Folge der Gründung der DDR, der verspäteten Oktobergründung (nicht Revolution!) der DDR, die derselbigen Westdeutschlands nachgefolgt ist (Die BRD ist irgendwann zwischen Mai (Verkündung Grundgesetz: 23. Mai), Wahl zum Ersten Bundestag ( 14. August), Konstituierernde Sitzung des Bundestags (7. September), gegründet), innehatte.

Damals, das hat eine gewisse Pikanterie angesichts der Verwendung des Begriffs durch den Präsidenten eines Instituts, das sich eigentlich um die Erforschung der Marktwirtschaft kümmern soll, war der Begriff des Spalters Kern eines sorgfältig geschaffenen DDR-Mythos, in dem die Peinlichkeit der verspäteten DDR-Gründung als erzwungene Reaktion der emanzipatorischen Kräfte deutscher Arbeiter und Bauern auf die von den “Kriegstreibern und Spaltern”, damit waren schon damals die USA und Großbritannien gemeint (Frankreich hat schon damals niemand ernstgenommen), betriebene Spaltung Deutschlands verkauft werden sollte. Wenn es um die Verdrehung der Fakten geht, sind Sozialisten nicht erst seit der Erfindung des von Menschen verursachten Klimawandels Spitzenkräfte. Die “Kriegstreiber und Spalter” wurden bald zum feststehenden Ausdruck. Wilhelm Pieck, der sich zum Beispiel Ende der 1940er Jahre darüber gefreut hat, dass “[u]nsere Massenkundgebungen … größer als die der Spalter” sind, hat ihn sehr gerne benutzt (Timmermann (1999) schreibt davon). Nebenbei sieht man hier, dass die Wurzeln der #WirsindMehr-Idiotie mindestens bis in den Kommunismus der 1940er Jahre nachvollzogen werden können.

Doch zurück zu den Spaltern “angloamerikanische Kriegstreiber und Spalter” verdammt Werner Horn (1952) in seinem Epos auf den “Kampf der SED um die Festigung der DDR und den Übergang zur zweiten Etappe der Revolution”. Wer gerne als Geschichte verpackte Science Fiction liest, dem sei Horns Epitaph auf ernsthafte Wissenschaft empfohlen. Selbstverständlich ist der Kampfbegriff des Spalters in seiner Verpackung des DDR-Mythos zu schade, um den “angloamerikanischen Kriegstreiber[n]” vorbehalten zu bleiben. Deshalb, so schreibt Holtzweißig (2002) in seiner Analyse des Missbrauchs der Medien durch die SED-Propaganda, ließ die SED “keine Gelegenheit aus, Adenauer als unerbittlichen Wiedervereinigungsgegner und ‘Spalter’ Deutschlands darzustellen” (102). Appelt, Gutzeit und Poppe (2010) zeigen in ihrem Büchlein über “Die Deutsche Frage in der SBZ und DDR” wie der Anwendungsbereich der Bezeichnung “Kriegstreiber und Spalter” auf deutsche “Westpolitiker” ausgedehnt wurde und – ja – selbst die Friedrich-Ebert-Stiftung (1981) konnte nicht umhin, die Bedeutung des Schöpfungs-Mythos der DDR, die als “Spalter” Wort geworden war, als eines der zentralen Elemente der Nationalen Front der DDR zu erblicken.

In die Fußstapfen dieses Who is Who des DDR-Kommunismus tritt Marcel Fratzscher wenn er, sicher nicht ohne Absicht (denn er wird ja überlegt sprechen und nicht einfach drauflos plappern) den Begriff des Spalters revitalisiert, des Spalters, der die Harmonie ideologischer Einheitsmeinung stören und das sozialistische Paradies, das wohl EU geworden sein muss, die Begriffsverwendung durch Fratzscher legt den Schluss nahe, verhindern will.

Wehret den Anfängen ist eigentlich ein Spruch der Linken. Ob er schon in den 1960er Jahren selbstreferentielle Züge getragen hat, das wissen wir nicht. Dass er sich heute nur auf die neuen Anfänge des ewigen Kommunismus beziehen kann, den xten Versuch, einer ökonomischen Leichenfeier Leben einzuhauchen, ist offenkundig.


Appelt, Andreas H., Gutzeit, Martin & Poppe, Gerd (2010). Die Deutsche Frage in der SBZ und DDR. Berlin: Metropol.

Doernberg, Stefan (1965). Kurze Geschichte der DDR. Berlin: Dietz-Verlag.

Friedrich-Ebert-Stiftung (1981). Die Nationale Front in der DDR: ihre Rolle und Funktion. Bonn. FES.

Holtzweißig, Gunter (2002). Die schärfste Waffe der Partei: Eine Mediengeschichte der DDR. Dresden: Landeszentrale für Politische Bildung.

Horn, Werner (1952). Der Kampf der SED um die Festigung der DDR und den Übergang zu zweiten Etappe der Revolution, 1949-1952. Berlin: Dietz.

Krieg, Harald (1965). LDP und NDP in dr DDR, 1949-1958. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Riege, Gerhard (1980). Nationalität: Deutsch – Staatsangehörigkeit: DDR. Berlin: Staatsverlag der DDR.

Timmermann, Hans (1999). Die DDR: Politik und Ideologie als Instrument. Berlin: Duncker & Humblot.




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