Schnelles Internet hilft der AfD? Was für ein Junk!

Wir haben das Wissenschaftszentrum-Berlin bereits in Witz-Zentrum Berlin umbenannt, vielleicht wäre Junk Zentrum Berlin angemessener.

“Schnelles Internet hilft populistischen Parteien”. Das ist die Überschrift der Pressemitteilung vom 19. Februar 2020 des WZB. Darin enthalten sind folgende bemerkenswerte Zeilen:

“Die Ergebnisse der Studie machen deutlich: Es gibt einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Ausbau der Breitbandkommunikation und dem Erfolg der beiden Parteien. Neben anderen Faktoren helfen schnelles Internet, ein leichterer Zugang zu sozialen Medien und die damit verbundenen geschlossenen Echokammern den beiden populistischen Parteien maßgeblich, neue Wählerinnen und Wähler zu erreichen und zu mobilisieren, vor allem junge Leute.”

Dass es einen KAUSALEN Zusammenhang zwischen “dem Ausbau der Breitbandkommunikation und dem Erfolg” der AfD (die beiden Parteien sind die AfD und die italienische Fünfsterne Bewegung) geben soll, das ist eine vollmundige Behauptung. Dass ein solcher “Ausbau der Breitbandkommunikation” dabei hilft, leichter Zugang zu sozialen Medien zu erhalten und in “geschlossene Echokammern” mündet, das ist eine nicht minder weitreichende Behauptung. Allein um diese behaupteten Zusammenhänge zu prüfen, benötigt man umfangreiche Informationen. Ob die Autoren sie haben?



Die Autoren, das sind Max Schaub vom WZB-Berlin und Davide Morisi vom “Collegio Carlo Alberto”. Sie haben einen Beitrag geschrieben, der Grundlage dieser Pressemeldung ist: “Voter Mobilization in the Echo Chamber: Broadband Internet and the Rise of Populism in Europe”. Das European Journal of Political Research hat diesen Text tatsächlich gedruckt. Nun denn.

Fangen wir damit an aufzuzählen, was die beiden Autoren, die Wissenschaftler sein wollen, alles nicht gemessen haben.

  • Sie haben nicht gemessen, ob das Internet von Parteien zur Mobilisierung von Wählern genutzt werden kann.
  • Sie haben nicht gemessen, ob ein schnelles Internet mit einer erhöhten Nutzung von sozialen Medien einhergeht.
  • Sie haben nicht gemessen, welche Art der Internetnutzung diejenigen, die ein schnelles Internet zur Verfügung haben, an den Tag legen, im Vergleich zu denen, die kein schnelles Internet zur Verfügung haben.
  • Sie haben nicht gemessen, was Nutzer, die ein schnelles Internet haben, im Internet damit so anstellen.
  • Und natürlich haben sie nicht gemessen, ob Internetnutzer durch schnellen Zugang eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, in Echozimmern zu enden.
  • Echozimmer als solche haben sie überhaupt nicht gemessen. Echozimmer finden sich ausschließlich in der Phantasie der Autoren. Sie sind, wie ein Mitglied der ScienceFiles-Redaktion gerade sagt: “erfundener Shit”.

Kurz: Sie haben überhaupt nichts von den Behauptungen gemessen, die sie vollmundig aufstellen. Offenkundig geht es Schaub und Morisi nicht darum, wissenschaftliche Erkenntnis zu sammeln, sondern darum, Stimmung zu machen. Aber dazu kommen wir noch.

Was haben die beiden Nachwuchs-Wissenschaftsanwärter überhaupt gemessen?

Damit sind wir schnell durch (wir berichten nur die Daten für Deutschland – die Daten für Italien sind nicht umfangreicher):

  • Den Anteil der Haushalte, die in Deutschland Zugang zu schnellem Internet haben. Schnelles Internet ist dann gegeben, wenn die Verbindung 6Mbits/Sekunde schnell ist. Der Anteil liegt auf Gemeindeebene vor.
  • Die Wahlabsicht von 1.929 Befragten, die zwischen März 2016 und May 2017 im Rahmen der German Longitudinal Election Study (GLES) befragt wurden. Obwohl die Daten also im Verlauf vorliegen, benutzen die Autoren nur einen einzigen Zeitpunkt und wollen darauf ausgerechnet einen kausalen Zusammenhang begründen;
  • Die Häufigkeit der wöchentlichen Internetnutzung;
  • Soziodemographische Variablen: Alter, Geschlecht, Bildung usw.;

Das also sind die Zutaten, die angerührt werden, um einen “kausalen Zusammenhang zwischen der Verbreitung von schnellem Internetzugang und dem Wahlerfolg der AfD” herstellen zu können. Irrer geht es fast nicht mehr. Schaub und Morisi wollen also ihren Lesern erzählen, dass dann, wenn ein im Rahmen der GLES Befragter in einem Gebiet wohnt, in dem es möglich ist, einen Breitband-Anschluss installieren zu lassen und dieser Befragte häufig im Internet ist, wie häufig auch immer, die Wahlwahrscheinlichkeit für die AfD steigt, nein, die Wahl der AfD eine KAUSALE Konsequenz darstellt, auch dann, wenn er vorher ein Linker war.

Wow.

Die Tabelle,  mit der die Behauptung einer Kausalität legitimiert werden soll, sieht so aus:

Die Koeffizienten, die hier nicht einmal benannt werden, sind Exp(Bs), die als prozentuale Veränderungen interpretiert werden können. Der Wert von 0.099 in Spalte 1, der neben “internet poltical news” steht, gibt z.B. an, dass die Wahrscheinlichkeit, die AfD zu wählen, mit der Häufigkeit, mit der wöchentlich das Internet für politischen Zwecken genutzt wird (also z.B. den Spiegel Online lesen) im Vergleich zur Wahrscheinlichkeit, die SPD zu wählen, um 10% steigt. Was genau die Befragten Online so machen, das hat Schaub und Morisi nicht interessiert, so wenig wie sie irgendetwas anderes, was ihre wirre Behauptung, dass schnelles Internet kausal für die Wahl der AfD sein könnte, gefährden könnte, interessiert zu haben scheint.

Wenn wir den Blick unserer Leser einmal auf die unterste Zeile der Tabelle lenken dürfen. Dort steht ein Wert für R2 bzw. Pseudo R2. Dieser Wert gibt an, wie gut das Modell die Daten abbildet. Die Modelle von Schaub und Morisi bilden die Daten überhaupt nicht ab. R2 bzw. Pseudo R2 von 0.029, 0.055 bzw. 0.062 ist so ziemlich das schlechteste, was man mit einem Modell produzieren kann: Die Erklärkraft der Modelle variiert zwischen 2,9% und 6,2%, d.h. 93,8% der Varianz bleiben im besten der Modelle unerklärt. Das ist unterirdisch. Darauf die Behauptung einer Kausalität gründen zu wollen, ist frech.



Was auch auffällt, ist die Tatsache, dass keinerlei Koeefizienten für z.B. soziodemographische Variablen angegeben werden, so wie die Autoren es geradezu peinlich vermeiden, auch nur zu einem Ergebnis eine andere Angabe für die Fallzahl zu machen, als die 1.913, die sich in den Modellen für Deutschland findet. Wir haben einmal kurz nachgerechnet. In Umfragen hat man ungefähr und wohlwollend gerechnet 15% Befragte, die keine Angabe zu ihrer Wahlabsicht machen. Es sind in den letzten Jahren eher mehr geworden, aber was soll’s. 1.913 Befragte -15% ergibt 1.626 Befragte, die eine Antwort zu ihrer Wahlabsicht gegeben haben. Wahlumfragen vor der Bundestagswahl 2017 haben in der Regel zwischen 10% und 12% Anteil für die AfD ergeben. Nehmen wir die 12% dann ergeben sich 195 Befragte, auf denen die behauptete Kausalität basiert, von der Schaub und Morisi fabulieren.

Wenn man nun in Rechnung stellt, dass die Behauptung, es gebe einen kausalen Zusammenhang zwischen einem schnellen Zugang zum Internet (Breitband) und der Wahl der AfD mit Daten belegt werden soll die der TÜV Rheinland zur Verfügung stellt und die die Autoren selbst wie folgt beschreiben:” “The figures provided a measure of the proportion of households in a municipality with access to internet speeds of 6 Mbits/second and above …” (8), dann weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll oder ob man anfangen muss, von Betrug zu sprechen.

Wenn wir den Autoren sehr weit entgegen kommen, dann gibt es maximal Daten für 195 AfD-Wähler. Deutschland hat 11.014 Gemeinden, d.h. die Kausalität von Schaub und Morisi, die sie so vollmundig verkünden, basiert auf Daten für maximal 1.8% der deutschen Gemeinden. Das ist Frechheit, die an Unverschämtheit grenzt (und in dieser Rechung wäre jede der 195-Gemeinden mit genau einem AfD-Wähler repräsentiert).

Aber es kommt noch besser. In dem ergänzenden Material, dem sogenannten Online-Appendix, zu ihrem Beitrag, also dem, was in der Regel niemand liest, dem, was im gedruckten Heft der Zeitschrift dann fehlt, findet sich die folgende ausführliche Tabelle zu den Ergebnissen, die im Text mit der oben abgebildeten Tabelle präsentiert werden:

Was die Autoren im Text verschweigen, zeigt sich hier in einer Dramatik, den den Betrugsverdacht nährt: Modelle, in denen die Konstante (constant) einen signifikanten Zusammenhang mit der abhängigen Variablen hat, sind das, was man gemeinhin als Junk bezeichnet, denn lädt die Konstante signifikant in einem Modell, dann bedeutet dies, dass alles, was nicht im Modell ist, die abhängige Variable (Wahl der AfD) erklärt. Für Modell 3 oben stellt sich die komplett-Katastrophe ein, denn die Konstante erklärt mehr als jede Variable im Modell, d.h. alles, was nicht im Modell ist, erklärt mehr als jede Variable, die im Modell ist. Nimmt man die unterirdischen Werte für R2 bzw. Pseudo R2 hinzu, dann muss man feststellen, dass hier ein absolutes Nichts gemessen wurde. Und wem das noch nicht reicht, der sei darauf verwiesen, dass in den Modellen 2 und 3 Frauen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, die AfD zu wählen als Männer. Wie wir alle wissen, ist die AfD eine Frauenpartei. Junk as Junk can be.

Aber damit immer noch nicht genug.

Die Autoren haben doch der Tatsache, dass mit der GLES eine Längsschnittstudie vorliegt, Rechnung getragen. In Endnote 2 versteckt findet sich der folgende Hinweis:

“In Section G in the Online Appendix we replicate the analysis using data from a post-election crosssection survey collected after the 2017 general elections. This survey, however, does not allow us to apply our IV strategy due to its clustered sampling design.”

Man fragt sich, warum die Ergebnisse nicht präsentiert wurden. Die Antwort sieht so aus:

Plötzlich ist der für die FDP berechnete Koeffizient höher als die beiden für die AfD berechneten. Außerdem ist das Ergebnis für Frauen nunmehr umgekehrt als oben. Besser kann man es nicht dokumentieren, dass man Junk gemessen hat als mit diesem Scheitern des Versuchs, die eigenen Ergebnisse zu replizieren. Damit ist auch erklärt, warum die Abbildung im “Anhang”, der separat zum Beitrag gesucht und aufgerufen werden muss und in der gedruckten Form natürlich fehlt, versteckt wurde. Langsam tendieren wir dazu, hier von Betrug zu sprechen.



Fazit: Nichts von dem, was die Autoren behaupten, haben sie mit ihren Berechnungen belegt. Von Kausalität kann keine Rede sein. Eine Verbindung von Daten, die auf Haushaltsebene vorliegen (Geschwindigkeit des Internetzugangs) mit den Individualdaten des GLES findet nicht statt. Was die Befragten im Internet machen, das ist den Autoren egal. Die Behauptung, die AfD-intentionalen-Wähler würden sich dort in Echozimmern einfinden, ist eine Unterstellung, denn einen Beleg dafür bringen die Autoren nicht. Die ganze Arbeit ist Junk, ein ideologischer Versuch, einmal mehr eine Verbindung zwischen sozialen Netzwerken und der AfD zu konstruieren, die die Autoren an keiner Stelle belegen und besonders großen ideologischen Idioten Munition zu liefern:

Eine Kausalität liegt übrigens dann vor, wenn jemand die AfD wählt WEIL er einen schnellen Internetzugang hat. Kausalität ist ein Konzept, das eine zeitliche Abfolge beschreibt. Man könnte die Personalpolitik an der Spitze des WZB als kausale Ursache für dessen Niedergang ansehen. Das wäre eine prüfbare Behauptung über eine Wirkung, die auf eine bestimmte Ursache zurückgeführt werden kann. Die Wahl der AfD auf den schnellen Zugang zum Internet zurückführen zu wollen, ist dagegen nachgerade irrsinnig, schon weil damit die Behauptung einhergeht, dass erst durch das schnelle Internet die Wahl der AfD ermöglicht wurde. Das mag eine Meldung sein, die denen, die das Internet als Feindesland ansehen, weil – wie es z.B. bei ARD und ZDF der Fall, ihr Deutungsmonopol durch das Internet gefallen ist. Es wird aber dennoch nicht zur sinnvollen Aussage. Aber natürlich ist nichts so dämlich, als dass nicht in diesem Fall Joachim Huber vom Tagesspiegel darauf hereinfallen würde. Ob der Niedergang der schreibenden Zunft KAUSAL auf mangelhaften Nachwuchs zurückzuführen ist … ?

Bleibt zu fragen, wie ein Junk-Text, wie der von Schaub und Morisi den Peer Review Prozess, den es angeblich beim European Journal of Political Research gibt, unbeschadet überstehen konnte. Eine Frage, die durch die Tatsache, dass gegen methodische Standards in einer so eklatanten Weise verstoßen wird, z.B. durch die Unterschlagung von Ns, dass man an Betrug denken muss, noch dringlicher wird, aber, aber: Für jeden, der unsere derzeitige Serie zu Peer Review von Dr. habil. Heike Diefenbach verfolgt, ist die Antwort natürlich klar.




Derartige Beiträge finden Sie nur bei uns!
ScienceFiles ist ein privates Blog, das u.a. auf Grundlage der Spenden unserer Leser betrieben wird.
Unterstützen Sie unseren Fortbestand als freies Medium.
Vielen Dank!

[wpedon id=66988]



Folgen Sie uns auf TELEGRAM


Bleiben Sie mit uns in Kontakt.
Wenn Sie ScienceFiles abonnieren, erhalten Sie bei jeder Veröffentlichung eine Benachrichtigung in die Mailbox.

ScienceFiles-Abo
Loading



ScienceFiles-Shop


Folgen Sie uns auf Telegram.
Anregungen, Hinweise, Kontakt? -> Redaktion @ Sciencefiles.org
Wenn Ihnen gefällt, was Sie bei uns lesen, dann bitten wir Sie, uns zu unterstützen. ScienceFiles lebt weitgehend von Spenden. Helfen Sie uns, ScienceFiles auf eine solide finanzielle Basis zu stellen.
Wir haben drei sichere Spendenmöglichkeiten:

Donorbox

Unterstützen Sie ScienceFiles


Unsere eigene ScienceFiles-Spendenfunktion

Zum Spenden einfach klicken

Unser Spendenkonto bei Halifax:

ScienceFiles Spendenkonto: HALIFAX (Konto-Inhaber: Michael Klein):
  • IBAN: GB15 HLFX 1100 3311 0902 67
  • BIC: HLFXGB21B24

Print Friendly, PDF & Email
12 Comments

Schreibe eine Antwort zu WolfgangAntwort abbrechen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Entdecke mehr von SciFi

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen

Entdecke mehr von SciFi

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen