Spiel mir das Lied vom Tod der 250.000 Anderen: Die neue Leichtfertigkeit um COVID-19

Alexander Kekulé, Mikrobiologe von der Universität Halle, fordert die Schließung von Schulen und Kindergärten, bundesweit, jetzt. Nur so lässt sich nach seiner Ansicht, ein COVID-19-Flächenbrand vermeiden.

Experten vom Lehrerverband, so liest man beim ZDF, Experten in was auch immer, finden eine solche Schließung sei überzogen, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, von dem viele zwar wissen, dass er schwul ist, aber kaum jemand weiß, dass er an der Fernuniversität Hagen einen Master of Arts in Politikwissenschaft erworben hat, findet die Forderung von Kekulé unangemessen.



Und:

“Kassenarztchef Andreas Gassen mahnte unterdessen in der “Neuen Osnabrücker Zeitung” zu “realistischer Gelassenheit”. Die Lage in Deutschland sei mit der in Italien, wo es bereits 197 Coronavirus-Tote gibt, nicht vergleichbar. Rufe nach bundesweiten Schulschließungen und dem Verbot von Großveranstaltungen lehnte er als “hysterische Überreaktion” ab: “Wir können doch nicht das öffentliche Leben stilllegen, und die Leute sitzen alle zu Hause und verfolgen vor dem Fernseher gebannt den Corona-Liveticker, obwohl es nur sehr wenige Menschen gibt, die sich mit einem relativ milden Virus angesteckt haben”, sagte er.

Der Mann muss es wissen. Er ist Orthopäde und Unfallchirurg. Eher ein Mann für’s Grobe also.

Warum leisten sich Gesellschaften wie die deutsche Wissenschaftler, Virologen, wie Alexander Kekulé, die sich jahrzehntelang mit Infektionskrankheiten und deren Übertragung befassen, wenn jeder dahergelaufene Wald- und Wiesen-Experte alles, was andere sich in Jahren von Studium und Lernen angeeignet haben, vom Tisch wischen und seinen uninformierten Sermon predigen kann:



Zunächst ein paar Fakten, die die Frage, ob man zu Maßnahmen greifen muss, wie sie in China angewendet wurden, um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 zu stoppen oder zu behindern, leichter in der Beantwortung machen.

Ein Infizierter infiziert zwischen 2 und 6 anderen Menschen. Mit der Infektion beginnt eine Entwicklung, die sich bis zu einem Monat hinziehen kann:

  • zwischen 3.5 und 5.1 Tage vergehen zwischen Infektion und ersten Symptomen;
  • zwischen 4.6 und 6.6 Tage vergehen zwischen den ersten Symptomen und einer stationären Aufnahme ins Krankenhaus;
  • zwischen 8 und 17.3 Tage vergehen zwischen der Aufnahme und der Entlassung als geheilt bzw. zwischen 8.7 und 14.9 Tage zwischen der stationären Aufnahme und dem Tod des Patienten;
  • Zwischen Inkubation und Heilung bzw. Tod vergehen somit zwischen 16.1 und 29 Tage.

Deutschland ist in der Tat NOCH nicht mit Italien zu vergleichen, denn Deutschland hinkt der italienischen Entwicklung hinterher. Nach unserer Berechnung ist Deutschland im Hinblick auf COVID-19 ungefähr auf dem Stand, auf dem Italien vor knapp 8-10 Tagen war. Die folgende Abbildung zeigt den aktuellen Stand der Entwicklung.

Die aktuellen Fallzahlen sehen wie folgt aus:

Was an den deutschen Zahlen bemerkenswert ist, ist die Tatsache, dass schon zu einem recht frühen Zeitpunkt und trotz nicht flächendeckender Tests, viele Infizierte registriert sind. Das lässt Schlimmes befürchten, vor allem vor dem Hintergrund einer brandneuen Studie, die von der Fuhan University in China kommt. Yi Li, Meng Liang, Xianhong Yin, Xiaoyu Liu, Meng Hao, Zixin Hu, Yi Wang und Li Jin haben untersucht, wie sich die Entwicklung von COVID-19 außerhalb von China beschreiben lässt. Das Ergebnis ist ernüchternd.

In die Analyse sind Infizierte außerhalb von China eingegangen, die bis zum 28. Februar 2020 erfasst waren. Das waren 4.691 an COVID-19 Erkrankte in 51 Ländern. In gut 7 Tagen ist die Zahl auf nunmehr 23.160 an COVID-19 Erkrankte in 98 Ländern angestiegen. Die Autoren haben nun auf Grundlage der vorhandenen Daten ein Modell entwickelt, das die Verbreitung von COVID-19, wie sie sich in den Daten zeigt, abbildet. Das Modell, mit dem die Autoren aufwarten, erklärt die vorhandenen Daten mit einer Akkuratheit von 99,1% und auf Basis der Annahme, dass zu Beginn der Pandemie 34 Patienten, bei denen SARS-CoV-2 nicht entdeckt wurde, COVID-19 außerhalb von China verbreitet haben.



Wer sich dafür interessiert, wo die 34 Patienten herkommen, dem sei der kurze Text zur Lektüre empfohlen. Für alle, die der englischen Sprache nicht mächtig sind: Des Rätsels Lösung besteht darin, dass die Daten zu Beginn der Ausbreitung eine Verteilung zeigen, die erst dann erklärt werden kann, wenn angenommen wird, dass 34 verschiedene Ausgangspunkte, also 34 Patienten für die weltweite Verbreitung von COVID-19 verantwortlich sind. Ab der Einführung der 34 Brückenköpfe des Virus in unterschiedlichen Regionen und Ländern, folgt die Verbreitung von COVID-19 einem exponentiellen Verlauf.

Dass Epidemien und Pandemien einen bestimmten, mathematisch vorhersagbaren Verlauf nehmen, ist lange bekannt, Virologen wie Alexander Kekulé wissen das. Deshalb sind sie so alarmiert. Politiker und Orthopäden wissen das in der Regel nicht, obwohl sie es wissen könnten, aber dazu müssten sie sich weiterbilden und das ist nicht jedermanns Sache. Die folgende Abbildung zeigt das Modell der Autoren aus China zur Vorhersage der Entwicklung von COVID-19 außerhalb von China.

Jeder Statistiker, der eine Anpassung seines Modells an die Daten mit einer solchen Güte erreicht, bricht in Euphorie aus. Das Modell der chinesischen Forscher beschreibt die Daten fast vollständig. Die Abweichung beträgt 0,9%. Die Euphorie über die Güte des Modells hat ihre Schattenseite dann, wenn die Bedeutung dieser Berechnung in Worte gefasst wird:

“Currently the number of diagnoses at Febuary 28 is 4,691. We predict that the number of diagnoses outside China will expand exponentially with the rate of 10 folds every 19 days without strong intervention.”

Wenn keine drakonischen Maßnahmen, vergleichbar denen, die in China getroffen wurden, in Europa umgesetzt werden, die Schließung von Kindergärten und Schulen wäre nur ein Anfang, dann erwarten die Forscher, dass sich die Anzahl der Infizierten alle 19 Tage VERZEHNFACHT.

Die Daten der Forscher reichen bis zum 28. Februar. Seither sind 7 Tage vergangen. Die Zahl der Infizierten beträgt aktuell 23.160, also bereits das 5fache der Ausgangsdaten. Wir haben kurz mit dem Modell der chinesischen Forscher gerechnet, es sagt zwischen 20.875 und 23.073 Erkrankte für Tag 7 auf dem Weg zur Verzehnfachung vorher. Wir zählen derzeit 23.160 Erkrankte. Das Modell ist spot-on.

Es wäre an der Zeit, dass Politdarsteller und öffentlichkeitsgeile Selbstdarsteller langsam den Mund halten und sich nicht mehr über Dinge äußern, von denen sie nichts verstehen. Eine Epidemie ist ein Prozess, der irgendwann beginnt und sich in der Regel mit mathematisch beschreibbaren Gesetzmäßigkeiten entwickelt, zumeist mit exponentiellem Wachstum. COVID-19 folgt diesem Muster. Wenn keine drakonischen Maßnahmen umgesetzt werden, dann wird sich die Fallzahl in Deutschland wie folgt von gestern aus gesehen, entwickeln:

6. März: 718
25. März: 7180
11. April: 71800
30. April: 718000
19. Mai: 7180000

Eine Studie aus dem Vereinigten Königreich kommt zu dem Schluss, dass der Höhepunkt der COVID-19 Epidemie nach rund 126 bis 147 Tagen erreicht ist. Ausgehend vom 6. März wäre der Höhepunkt um den 4. Juli erreicht. Ohne Maßnahmen, die denen, die in China getroffen wurden, vergleichbar sind, reicht diese Zeit, um den größten Teil der Bevölkerung in Deutschland an COVID-19 erkranken zu lassen.

Aber das sind natürlich alles nur Rechenspielchen und außerdem ist COVID-19 nur eine Grippe. Seid gelassen und verfallt nicht in Panik, denn das Virus ruf eine milde Erkrankung hervor, mit nur 3,4% Toten (wie die WHO sagt) unter den Infizierten, also lediglich 254.320 bis zum 19. Mai für Deutschland alleine, wenn die Zahl der WHO und die Berechnungen aus China stimmen, und vergesst bis Juni nicht, dass u.a. wir die Entwicklung bereits im März für den Fall, dass keine intensiven Maßnahmen getroffen werden, um die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu behindern, vorhergesagt haben.

Ständig aktualisierte Informationen zu Forschung zu SARS-CoV-2 und zu aktuellen Ereignissen, findet sich u.a. hier:




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