Hydroxychloroquine entwickelt sich zum Gegenstand eines Krimis

Vor nicht allzu langer Zeit haben wir die Studien, die es zu diesem Zeitpunkt zur Wirksamkeit von Hydroxychloroquine in der Behandlung von COVID-19 gab, zusammengesammelt und analysiert. Das Ergebnis:

  • Hydroxychloroquine hat sich in einer Reihe kleiner Studien, in denen es u.a. gemeinsam mit Azithromycin (ein Antibiotika) verabreicht wurde, als gegen milde Erkrankungen von COVID-19 wirksames Mittel erwiesen.
  • Zwei große pseudo-klinische Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Hydroxychloroquine keinen erkennbaren Effekt auf die Genesung an COVID-19 erkrankter Patienten hat;
  • Die Anwendung von Hydroxychloroquine in niedriger Dosierung als Mittel der Prophylaxe, wie es Donald Trump wohl tut, wird von einer Reihe von Wissenschaftlern ausdrücklich empfohlen. 
  • Bislang eine klinische Studie legt den Schluss nahe, dass die Wirkung von Hydroxychloroquine und Azitromycin durch Zink-Sulfat erhöht werden kann.

Und nun hat die WHO in ihrem Solidarity Trial den Einsatz von Hydroxychloroquine vorläufig ausgesetzt.



Der wichtigste Grund, den die WHO für diese Entscheidung, die erstaunlich schnell getroffen wurde, wenn man bedenkt, wie zögerlich die WHO zu Beginn der Pandemie war, dieselbe eine Pandemie zu nennen und wie zurückhaltend die WHO in ihren Warnungen von SARS-CoV-2 war, wird wie folgt angegeben:

“an observational study published in the Lancet on 22 May found that, among 100 000 patients from multiple countries randomized to receive hydroxychloroquine, when used alone or with a macrolide, there was a higher mortality rate and an increased frequency of irregular heartbeats.”

Man könnte noch anfügen, dass sich mit Hydroxychloroquine zwei weitere Probleme verbinden:

  • Das Medikament ist billig;
  • Donald Trump hat es empfohlen;

Das soll nicht heißen, dass wir denken, die WHO würde derartig weitreichende Entscheidungen treffen, um Donald Trump eins auszuwischen und die Interessen von Leuten, die mit teureren Medikamenten Kasse zu machen hoffen, vertreten. Aber eine solche Überlegung hat durch die Entwicklung der letzten Monate Eingang in unseren Möglichkeitsraum, das, was wir für möglich halten, gefunden, das sagt ja auch schon einiges.

Wie dem auch sei, die Studie, die die WHO veranlasst hat, die eigenen Versuche mit Hydroxychloroquine einzustellen, ist auf den ersten Blick ein quantitatives Schwergewicht:

  • Titel: Hydroxychloroquine or Cloroquine with or without a macrolide traetment of COVID-19: a multinational registry analysis“.
  • Autoren: Mandeep R. Mehra, Sapan S. Desai, Frank Ruschitzka und Amit N. Patel.
  • 96.032 Patienten (nicht 100.000 wie die WHO behauptet) von sechs Kontinenten, die wegen einer COVID-19-Erkrankung zwischen dem 20. Dezember 2019 und dem 14. April 2020 in einem Krankenhaus behandelt wurden, bilden die Grundgesamtheit.
  • Für alle Patienten ist die Behandlung abgeschlossen: 10.698 (11%) der Patienten sind gestorben, 85.334 (89%) der Patienten wurden als geheilt entlassen.
  • 14.888 Patienten können der Behandlungsgruppe zugewiesen werden. Sie erhielten entweder Hydroxychloroquine oder Chloroquine oder eines von beiden und zusätzlich Azithromycin.
  • Alle Daten wurden elektronisch in ein Register übermittelt, an dem nach Angaben der Autoren 671 Krankenhäuser weltweit beteiligt sind.
  • Die Datenverarbeitung erfolgt bei dem US-Unternehmen Surgisphere, das die Datenbank unterhält und im Bereich der Analyse von medizinischen Daten seinen Umsatz generiert.
  • Für die Auswertung stand etwas mehr als ein Monat zur Verfügung. Dessen ungeachtet behaupten die vier Autoren, von denen nur ein Autor, nämlich Sapan S. Desai für die Aufbereitung der Daten zuständig ist/war, dass eine manuelle Eingabe zur Qualitätskontrolle erfolgt sein soll: “A manual data entry process is used for quality assurance and validation to ensure that key missing values are kept to a minimum.” Um diese Behauptung einmal zu qualifizieren, wenn eine Person 96.032 Datensätze manuell kontrollieren will, ein Vorgang, von dem man annehmen kann, dass er mindestens eine Minute in Anspruch nimmt, dann ist diese Person 67 Tage nonstop mit dieser Tätigkeit betraut. Zwischen Datenerhebung und der Publikation des Beitrags von Mandeep R. Mehra, Sapan S. Desai, Frank Ruschitzka und Amit N. Patel am 22. Mai im Lancet, sind aber nur 37 Tage vergangen. Es muss also ein Datenderwisch am Werk gewesen sein. Oder die Behauptung manueller Eingabe ist schlicht falsch. Hinzu kommt, dass der Beitrag peer reviewed sein soll, weshalb bestenfalls 33 Tagen zur Verfügung stehen, um die Daten manuell einzugeben.

Die Studie ist das, was man ein quasi-Experiment nennen könnte. Sie basiert auf Real World Data, aus abgeschlossenen Behandlungen in Krankenhäusern, wobei für jeden Patienten eine Reihe von Merkmalen bekannt erhoben wird, der Ausgang der Behandlung bekannt ist und es möglich ist, die Patienten dahingehend zu unterscheiden, ob sie mit Hydroxychloroquine oder Chloroquine behandelt wurden oder nicht. Die Einteilung in entsprechende Gruppen erlaubt dann statistische Analysen, Gruppenvergleiche, die Aufschluss darüber geben, ob die Ausprägungen einer Variable, in diesem Fall die Frage, ob ein Patient genesen oder gestorben ist, mit bestimmten Merkmalen einer anderen Variable korreliert. Im vorliegenden Fall tun sie das, wie die folgende Tabelle zeigt:
Das relevante Ergebnis findet sich in den mit “Treatment Group” überschriebenen Zeilen: In ausnahmslos allen Fällen, ob Chloroquine oder Hydroxychloroquine ob alleine oder mit Azithromycin immer scheint die Verabreichung die Sterblichkeit statistisch signifikant zu erhöhen. Mit anderen Worten: Hydroxychloroquine und Chloroquine sind keine Heilmittel, sondern Sterbehilfen. Das jedenfalls legt die Tabelle oben, deren Ergebnisse die Autoren auf Grundlage von Cox-Regressionen, wie sie sagen, bestätigen, nahe. Und deshalb schreiben sie:

“In this large multinational real-world analysis, we did not observe any benefit of hydroxychloroquine or chloroquine (when used alone or in combination with a macrolide) on in-hospital outcomes, when initiated early after diagnosis of COVID-19. Each of the drug regimens of chloroquine and hydroxychloroquine alone or in combination with a macrolide was associated with an increased hazard for clinically significant occurence of ventricular arrhytmias and increased risk of in-hospital death with COVID-19”.

Hydroxychloroquine führe zu Herzrhytmusstörungen und häufig zum Tod der COVID-19 Patienten, so die Autoren.
Und bei der WHO hat diese Arbeit ausgereicht, um die eigenen klinischen Trials mit Hydroxychloroquine auszusetzen.



Und hier fangen die Probleme an.
So richtig weiß niemand, wie die Autoren an ihre Daten gekommen sind, bzw. wo die Daten herstammen. Sagen kann man nur, woher sie nicht stammen. Der britische NHS hat keine Daten beigesteuert, denn hätte er das getan, die Autoren wären hier verzeichnet. Das sind sie aber nicht, wie wir durch eine kursorische Suche schnell in Erfahrung gebracht haben.

Auf eine Anfrage nach dem Ursprung der Daten haben die Autoren wie folgt reagiert:

“Thanks for your email inquiry. Our data sharing agreements with the various governments, countries and hospitals do not allow us to share data unfortunately. I do wish you all the very best as you continue to perform trials since that is the stance we advocate. All we have said is to cease and desist the off label and unmonitored and uncontrolled use of such therapy in hospitalized patients.“

Diese Position: Daten, die wir nicht veröffentlichen von Krankenhäusern, die wir nicht benennen, eine vollkommen ungewöhnliche und in hohem Maße verdächtige Position, vertreten die Autoren auch auf der Webseite von Surgisphere:

“The sophistication of the data retrieval requires that we link directly with the Electronic Health Records (EHRs) of our collaborating hospitals, and all information is transferred in a deidentified manner. Thus, these demands require that we work exclusively with healthcare institutions that utilize well established EHRs. As you may anticipate, this requirement allows us to only maintain collaborations with top-tier institutions that are supported by the level of data-integrity and sophistication required for such work. Naturally, this leads to the inclusion of institutions that have a tertiary care level of practice and provide quality healthcare that is relatively homogenous around the world. As with most corporations, the access to individual hospital data is strictly governed. Our data use agreements do not allow us to make this data public.”

Man hätte das auch viel kürzer machen können und schreiben: Wir haben tolle Daten aber wir erfinden eine Reihe blödsinniger Gründe, um Euch Zugang zu den Daten zu verweigern. Zugang zu den Daten wäre indes dringend geboten, denn Wissenschaftler aus Australien haben herausgefunden, dass in den Daten, die die Autoren verwenden, mehr Australier an COVID-19 gestorben sind, als es nach offizieller Zählung in Australien tatsächlich sind.

Diesen Fehler haben die Autoren zwischenzeitlich zugegeben. Angeblich sollen sich Daten eines asiatischen Krankenhauses unter die Daten australischer Krankenhäuser – woher sie auch immer stammen mögen – geschlichen haben:

““We have reviewed our Surgisphere database and discovered that a new hospital that joined the registry on April 1, and self-designated as belonging to the Australasia continental designation,” the spokesman said. “In reviewing the data from each of the hospitals in the registry, we noted that this hospital had a nearly 100% composition of Asian race and a relatively high use of chloroquine compared to non-use in Australia. This hospital should have more appropriately been assigned to the Asian continental designation.”

Das reicht eigentlich, um diese Studie als Junk in den Müll zu werfen. Wie unsere Berechnung oben gezeigt hat, ist es zeitlich unmöglich, die behauptete manuelle Prüfung der einzelnen Daten durchzuführen, sollte es wider aller Logik doch irgendwie gelungen sein und die beschriebene Fehlklassifikation von Daten ist dennoch möglich, dann kann man den Datensatz getrost in den Eimer werfen, denn dass dieser Fehler nicht der einzige sein wird, kann man behaupten, ohne Gefahr zu laufen, widerlegt zu werden.

Ein weiteres Problem verbindet sich mit dieser Tabelle aus den ergänzenden Materialien:

Das Problem mit dieser Tabelle: Sie wurde ausgetauscht. Die ursprüngliche Tabelle sah so aus:

Wer die Daten miteinander vergleich, z.B. die Daten für die “Raucher”, wird feststellen, dass sie erheblich voneinander abweichen. Die zweite Tabelle stellt Daten dar, die man erhält, wenn man versucht, Abweichungen, die es in den Daten gibt und die dazu führen, dass z.B. Raucher in den einzelnen Kontinenten sehr unterschiedlich verteilt sind, zu glätten, so dass die Anteile einander mehr oder weniger entsprechen. Ein Nutzer des Statistical Modelling Blogs der University of Columbia hat herausgefunden, was hier gemacht wurde:

Hat er Recht mit seiner Rekonstruktion, dann kann man die Behandlungsgruppe nicht mit der Kontrollgruppe vergleichen.

Das sind nur einige der Ungereimtheiten, Fehler und Seltsamkeiten, die bislang für die Studie von Mehra et al. berichtet werden. Wer Lust hat, sich einen Überblick über das ganze Ausmaß des Elends zu machen, der kann das hier tun. Wir brechen an dieser Stelle ab und stellen fest, dass die Studie von Mehra et al. das Papier nicht wert ist, auf dem wir sie ausgedruckt haben. Bleibt zu erklären, wieso die WHO bei der erstbesten Gelegenheit ihre klinischen Trials zu Hydroxychloroquine einstellt. Eigentlich sollte die WHO über Mitarbeiter verfügen, die die Kompetenz aufweisen, die beschrieben Fehler der Studie von Mehra et al. zu entdecken. Entweder diese Kompetenz ist nicht vorhanden, was erschreckend wäre oder bei der WHO verfolgt man eine Agenda, die es notwendig macht, Hydroxychloroquine, das nicht ansatzweise die Nebenwirkungen hat, die für Chloroquine berichtet werden, zu diskreditieren.
Es ist ein weiteres unschönes Kapitel zu einer Organisation, die man besser heute als morgen auflösen würde.



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