Vertrauen, nein Misstrauen, in Mainstream-Medien: Ein Überblick

Fragt man die ARD, dann wird Infratest-Dimap aufgefahren, um zu belegen, dass die Deutschen der ARD vertrauen. Fragt man das ZDF, wird die Forschungsgruppe Wahlen mit der delikaten Frage betraut. Ergebnis jedes Mal: Ein großes Vertrauen in beide. 

Ist das wirklich so?

Wie ist es um das Vertrauen der Deutschen in ihre Medien bestellt?
Wir haben versucht, für Deutschland einen Überblick über die Datenlage zu gewinnen

Statista vertreibt hier eine Grafik, die die Einschätzung der Glaubwürdigkeit unterschiedlicher Informationsquellen abbildet. Öffentliche Radiosender, Tageszeitungen und öffentliche Fernsehsender liegen dabei mit mehr als 70% Glaubwürdigkeit an der Spitze. Nun sind “öffentliche Radiosender”, “Tageszeitungen” und “öffentliche Fernsehsender” breite Begriffe, hinter denen sich vieles, sehr vieles an unterschiedlichem Angebot verbirgt. Die Information ist mehr oder weniger sinnlos.



Etwas informativer ist eine Studie von PricewaterhouseCooper, PwC, die im Juli 2018 veröffentlicht wurde und damit den Makel aufweist, alt zu sein.

“Inwieweit vertrauen Sie Medien?”, lautet die sehr allgemeine Frage. Die Antwort zeichnet sich wenigstens dadurch aus, dass die Kategorien etwas diverser sind als dies bei Statista der Fall ist:

2018 war das Vertrauen in öffentlich-rechtliche Fernsehsender mit 74% am höchsten. Was allerdings damit ausgesagt ist, dass man öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern “vertraut”, Vertrauen, das im Survey von PwC direkt hinter der folgenden Frage erfragt wird: “Wenn Sie jetzt einmal an die deutschen Medien denken: Inwieweit vertrauen Sie den deutschen Medien?”, das ist eine andere Frage. Vielleicht haben die Befragten Vertrauen, dass die Nachrichten der ARD korrekt, ZDF-heute langweilig und die Vorabendserien politisch-korrekt besetzt sind. Was genau mit dem Begriff “Vertrauen” erfragt wird, ist mehr oder minder offen, aber: was auch immer es ist, es wird weniger:

Ein beachtlicher Anteil von Befragten sagt, dass sein Vertrauen in Medien in den letzten zwei Jahren “weniger geworden ist”. Ergebnisse wie dieses, in Relation zum vorhergehenden Ergebnis, lassen den Schluss zu, dass die Fragen nicht trennscharf sind, dass also Befragte, die oben als solche dargestellt sind, die öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern oder Printmedien oder was auch immer, vertrauen, zu denen gehören, die dennoch angeben, ihr Vertrauen sei in den letzten Jahren weniger geworden. Dass dem so ist, liegt zu einen daran, dass man Vertrauen hat oder nicht. Es kann nicht weniger werden, es kann nur weg sein. Man vertraut, dass ein Seil das eigene Körpergewicht trägt oder man vertraut dem Seil nicht. Es liegt zum anderen daran, dass eine Frage, die unspezifiziert nach “Vertrauen in Medien” fragt, Blödsinn ist, denn Vertrauen bezieht sich nicht auf eine Institution, sondern auf deren Tätigkeit. Man vertraut, dass Nachrichten, die von X verbreitet werden, richtig sind, man vertraut nicht X. Es mag Leute geben, die allem vertrauen, was X sagt, um sich auf diese Weise das Prüfen des Wahrheitsgehalts zu sparen. Dessen ungeachtet bezieht sich das Vertrauen auf den Wahrheitsgehalt der übermittelten Information, nicht auf den Übermittler.



Es gibt daher kein “mehr” oder “weniger” im Hinblick auf Vertrauen, wie man leicht herausfinden kann, wenn man ein Beispiel aus der realen Welt macht und den Verantwortlichen von PwC bittet, in ein Boot, dessen Fähigkeit, eine Trennung zwischen Insassen und sie umgebendes Wasser herbeizuführen in den letzten Jahren geringer geworden ist, zu steigen und damit einen Flusslauf zu überqueren. Was wird er wohl tun? Dem Boot weniger vertrauen, aber dennoch einsteigen, also letztlich darauf vertrauen, das andere Ufer zu erreichen oder wird er seinen Hintern lieber im Trockenen und außerhalb des Bootes, dessen Leistungsstärke er nicht vertraut, belassen? Die Entscheidung ist dichotom. Vertrauen auch. Man hat es, oder man hat es nicht.

Wie steht es also mit dem Vertrauen in deutsche Medien? Aufschluss gibt ein Projekt der Universität Mainz, das Mainzer Langzeitprojekt “Medienvertrauen”. Dass an diesem Projekt tatsächlich Wissenschaftler beteiligt sind und nicht irgendwelche Berater, wie bei PwC, bemerkt man schon daran, dass nicht die idiotische Frage nach “Vertrauen in Medien” gestellt wird, sondern die Funktion von Medien, die Vermittlung von Nachrichten im Zentrum steht, die Frage sich also darauf richtet, ob man dem, was von Medien verbreitet wird, traut, vertraut, dass es sich dabei um richtige Informationen, nicht um falsche Informationen handelt. Die Ergebnisse aus der 2019-Welle des Langzeitprojekts zeigen das folgende Bild:

Die Frage bezieht sich auf die korrekte Übermittlung von Informationen durch Medien und wie man sieht, ist es mit dem diesbezüglichen Vertrauen in Medien nicht weit her: 43% der 1.200 Befragten gaben 2019 an, Medien in Bezug auf die korrekte Verbreitung von Informationen voll und ganz oder eher zu vertrauen. Doch auch die Mainzer sind Opfer dessen, was wir als HZ-Syndrom bezeichnen, in Reminiszenz an einen deutschen Sozialforscher, der mit dem Spruch: “Wir wissen, dass die Frage nichts misst, aber wir fragen das schon seit Jahrzehnten und haben eine schöne Zeitreihe” in die Geschichte eingegangen ist. Auch die Mainzer fragen Junk, weil man diesen Junk eben schon seit Jahren fragt. Heraus kommt dann so etwas:

Das sind die Jubelergebnisse, die man bei öffentlich-rechtlichen Sendern gerne zitiert und beim Privatfernsehen weniger gerne sieht. Es sind Ergebnisse, die in ihrem Nicht-Erkenntniswert denen von PwC, die wir oben berichtet haben, in nichts nachstehen, die keinerlei Information enthalten, weil man nicht weiß, worauf sich das Vertrauen bezieht, auf Spannung beim Tatort, Langeweile bei der unsäglichen Talkshow… Dass ihre Frage, die man wohl mimetischer Isomorphie zuschreiben muss, nichts misst, hätte den Mainzern selbst auffallen müssen, berichten sie doch eine Folie weiter, die folgenden Ergebnisse:

Offensichtlich sind Mediennutzer in Deutschland nicht die Dopes, für die sie Medienforscher zu halten scheinen, nein, deutsche Mediennutzer differenzieren: Sie wissen, geht es um die AfD, dann kann man etablierten Medien, um die es in der Frage geht, nicht trauen, dass sie korrekt berichten, gleiches gilt für Flüchtlinge und den Islam. Der Anteil der Befragten, die der Berichterstattung zu den entsprechenden Themen nicht vertrauen, der durchweg höher liegt als bei der Frage nach der Vertrauenswürdigkeit des Angebots, deren Ergebnisse wir direkt zuvor dargestellt haben, zeigt einmal mehr die Unsinnigkeit, die sich mit Catch-All-Fragen wie der nach der “Vertrauenswürdigkeit eines Angebots” verbindet. Offenkundig ist die Frage, ob ein Konsument darauf vertraut, dass Informationen, die ihm präsentiert werden, korrekt sind, vom Gegenstand abhängig, davon, worauf sich die Informationen beziehen. Medien-Konsumenten in Deutschland können offenkundig differenzieren; Medienforscher nur zeitweise.



Vertrauen in Medien ist, so kann man das wichtigste Ergebnis zusammenfassen, vom Gegenstand der Berichterstattung abhängig.

Nun kann nicht jeder von uns, jede Information, die er von Medien erhält, prüfen, so dass man sich mit dem behelfen muss, was als Stereotypisierung bekannt ist – in diesem Fall eine Stereotypisierung der Nachrichten. Beziehen sich die Nachrichten von z.B. der ARD auf die AfD, dann tut man gut daran, ihnen zu misstrauen, sie zu prüfen. Melden sich die Faktenfinder der ARD zu Wort, dann muss man prüfen, was sie behaupten, denn die Faktenfinder sind eine ideologische Einrichtung, die Diskussionen zu strittigen Themen verhindern soll. Geht es um die Sportnachrichten, dann kann man öffentlich-rechtlichen Medien eher vertrauen, für Berichte zur Entwicklung der Strompreise und für Börsenberichte gilt dasselbe.

Was aber tun, wenn man vor diesem Hintergrund ein umfassendes Maß dafür erhalten will, wie sehr Mediennutzer den Informationen, die die von ihnen genutzten Medien verbreiten, vertrauen. Einfach: Man fragt danach, ob Mediennutzer den meisten Informationen, die ihnen Medien bereitstellen, vertrauen. Das Reuters Institute for the Study of Journalism an der University of Oxford hat das gerade wieder getan und heute im neuesten Digital News Report veröffentlicht. Wir haben ihn bereits gelesen und können unseren Lesern daher mitteilen, dass dann, wenn man fragt, wie viele Medienkonsumenten denken, man könne den meisten Nachrichten vertrauen, die Medien bereitstellen, 45% der 2011 in Deutschland Befragten der Ansicht sind, dass sie das können. Der aktuelle Digital News Report des Reuters Institute basiert auf den Antworten von mehr als 80.000 Befragten in 40 Ländern. Ergo kann man Deutschland in ein internationales Feld einordnen und feststellen, dass Deutschland zu den Ländern gehört, in denen noch vergleichsweise viele Befragte, nämlich besagte 45%, der Ansicht sind, sie könnten den meisten Nachrichten, die Medien verbreiten, vertrauen. Der entsprechende Anteil beträgt im Vereinigten Königreich gerade noch 28%.

Schlechte Nachrichten gibt es für die Journalisten-Darsteller in Deutschland, deren Fähigkeiten und Ausbildung nicht ausreichen, um als Journalist zu arbeiten und die deshalb Information mit Haltung ersetzen wollen. Die Toleranz für diese journalistischen Fehlbesetzungen, ein Beispiel hatten wir gerade, die Unfähigkeit durch die Verbreitung von Ideologie kompensieren wollen, ist gerade in Deutschland so gut wie nicht vorhanden: 80% der in Deutschland befragten Medienkonsumenten wollen objektiv informiert werden. Offenkundig legen die entsprechenden Medienkonsumenten mehr Wert darauf, Informationen zu erhalten, die es ihnen erlauben, sich ein eigenes Urteil zu bilden als darauf, von irgendwelchen Feld-, Wald- und Wiesenjournalisten, denen ein religiöser Kultführer aufgetragen hat, Medienkonsumenten zu missionieren, belehrt zu werden.

Und wie steht es nun um das Vertrauen, der befragten Deutschen in Nachrichten, die von Medien verbreitet werden? Es sinkt. Seit 2019 ist es um 2% gesunken, auf nunmehr die berichteten 45%. Wenn es um die Übermittlung von Nachrichten geht, dann trauen 59% der befragten Deutschen, den Medien, die sie selbst vorzugsweise nutzen. Und wenn es darum geht, welchen Medien man am ehesten eine korrekte Übermittlung von Nachrichten zutraut, dann stehen ARD-Tagesschau (70%) und ZDF-Heute (68%) an der Spitze, gefolgt von der jeweiligen Lokalzeitung, die die Befragten lesen (64%), der ZEIT (60%) und der Süddeutschen Zeitung (60%). t-online und BILD sind die Schmuddelmedien der Deutschen, wie sich daran zeigt, dass nur 40% bzw. 20% der Befragten, den Nachrichten, die beide berichten, trauen.

Wer dieses Ergebnis mit Blick auf ARD und ZDF bedrückend findet, dem sei gesagt, dass die Musik nicht mehr bei Fragen nach Vertrauen spielt, sofern die Musik dort jemals gespielt hat, sondern beim tatsächlichen Verhalten. Tatsächliches Nutzerverhalten ergibt ein völlig anderes Bild. Im Offlinebereich finden sich nur 55% unter den in Deutschland Befragten, die die Tagesschau mindestens einmal wöchentlich konsumieren, für ZDF-heute sind es nur 47%. Online spielen ARD eine ZDF noch geringere Rolle. Die ARD erreicht mit der Tagesschau noch 15% Befragte, das ZDF ganze 7%. Damit bleibt das Online-Angebot des ZDF sogar hinter dem der ZEIT zurück, das immerhin 10% erreicht. Spiegel-Online, von Freund und Feind gleichermaßen gelesen, führt die Rangliste mit 17% an, neue Formate wie Tichy’s Einblick sind mit 4% bereits so weit verbreitet, dass sie vom Reuters Institut dargestellt werden. Der Wandel geht voran, denn mit 70% ist das Internet für ebenso viele Befragte Nachrichtenquelle wie das Fernsehen. Times are a changin… 

Was heißt das nun für das Vertrauen in ARD und ZDF, das weiter verbreitet ist, als die Nutzung beider Sender? Nun, hier wird offensichtlich in vielen Fällen Tradition, keine Einschätzung auf Grundlage von Beobachtung oder Nutzung gemessen. Dass das Vertrauen in ARD und ZDF mit dem Alter der Befragten zunimmt, legt diese Interpretation nahe. Man hat ARD und ZDF über Jahrzehnte konsumiert, eine traditionelle Bindung an beide aufgebaut, die bestehen bleibt, auch wenn man sie nicht mehr so häufig nutzt, diese Tradition an Kinder weitergegeben, die öffentlich-rechtliche Sender zwar nicht nutzen, nie genutzt haben, aber von ihren Eltern wissen, dass beide eigentlich vertrauenswürdig sein sollen. Eine Einschätzung auf Zuruf, nicht aufgrund eigener Anschauung. ARD und ZDF leben im Moment (auch) vom Vertrauen derer, die sie gar nicht nutzen.


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