Gute Intention – schlechte Folgen: Wie das Recht auf Bildung Ungleichheit erhöht
Früher waren es die Pfadfinder, deren gute Tat darin bestand, alten Omas über die Straße zu helfen.
Als Konsequenz haben sich Legionen von Omas auf Straßenseiten gefunden, auf die sich nicht wollten.
Dann war es Dietrich Dörner, der in seiner Logik des Misslingens gezeigt hat, wie viele Gutmenschen mit besten Absichten Nanaland in Afrika in Windeseile ruiniert, die Bevölkerung dezimiert und das Land verödet haben. Zum Glück gab es Nanaland nur virtuell.
Und heute, heute leben wir im Zeitalter der Dummheit, einer Zeit, in der von besten Intentionen – wie sie glauben – beseelte Gutmenschen durch Straßen rennen, um voller Eifer das Gute über die Welt und ihre Bewohner zu verbreiten. Ob die Bewohner das nun wollen oder nicht. Kritik und Widerstand gegen das missionarische Gute wird nicht geduldet. Dass negative Folgen eintreten könnten, wenn das vermeintlich Gute denn in die Tat umgesetzt wird, kommt den Beseelten nicht in den Sinn. Negatives, wenn es sich dann einstellt, wird ignoriert. Der Freude an der eigenen moralischen Erhebung durch vermeintliches Gutsein soll keine Realität im Wege stehen.
Wer sich als guter Mensch, als Gutmensch, inszenieren will, der hat eine Reihe von Möglichkeiten dies zu tun. Unter Politdarstellern ist das Verteilen von Rechten besonders beliebt. Dieses Verhalten, das offenkundig auf der irrigen Ansicht basiert, Politdarsteller hätten die Macht, Rechte zu verteilen und seien somit per definitionem normalen Menschen, die diese Macht nicht haben, übergeordnet, ist in westlichen Gesellschaften häufig zu finden: Das Recht auf Arbeit (ein Hohn auf alle Arbeitslose), das Recht auf Bildung (ein Hohn auf alle Ungebildeten in der Politik), das Recht auf Elternzeit (ein Ärgernis für die, die nun zusätzliche Arbeit erledigen müssen), das Recht auf Vergessen (das selbst dem größten Schwein zustehen soll), täglich werden neue Rechte auf Homoffice, Teilzeit, körperliche Unversehrtheit erfunden und salbungsvoll an die nunmehr Rechteinhaber vergeben.
All das geschieht unter dem Vorwand, angeblich Gutes zu tun, ohne dass jemals untersucht worden wäre, ob die Intention, Gutes tun zu wollen, durch die Konsequenzen der vermeintlich guten Tat auch bestätigt wird.
Dass Politdarsteller und andere, die davon leben, sich täglich als Gutmensch zu inszenieren, kein Interesse an den Folgen ihrer Selbstinszenierung haben, ist naheliegend, denn die ganze Inszenierung würde, angesichts der Folgen, in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus.
Ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten von Politdarstellern und sonstigen Schauspiel-Aktivisten, haben nun Chirantan Chatterjee, Eric A. Hanushek und Shreekanth Mahendiran untersucht, wie sich das Recht auf Bildung, das in Indien seit dem Jahre 2009 gilt, und mit dem allen Kindern von 6 bis 14 Jahren ein freier Zugang zu Schulen verschafft wurde, auf soziale Ungleichheit ausgewirkt hat. In den Programmen der UN, die sich dem Recht auf Bildung verschrieben haben, wird der Zugang zu Bildung generell als Mittel angepriesen, das geeignet sei, soziale Ungleichheit zu beseitigen. Auch in Deutschland, einem Land, in dem Schulpflicht seit mehr als einem Jahrhundert nicht in der Lage ist, soziale Ungleichheit zu beheben, ist die Anzahl der weiterhin entsprechend Gläubigen stattlich.
Mit den Ergebnissen von Chatterjee, Hanushek und Mahendiran haben sie nun eine weitere Nuss, die sie am besten ignorieren, denn zerknabbern werden sie sie nicht können, kommen die Autoren doch zu dem Ergebnis, dass das Recht auf Bildung, das 2009 in Indien etabliert wurde, nicht zu weniger, sondern zu mehr Bildungsungleichheit geführt hat.
Wie?
Auf raffinierte Weise.
Sie haben zunächst für den Zeitraum von 2001 bis 2015, also für acht Jahre vor Inkrafttreten des Rechts auf Bildung in Indien und sieben Jahre nach Inkrafttreten eine Datenbank erstellt, in der sie alle privaten Tutoren, private Lehrer (Markt für private Schulbildung) nach Schuldistrikt erfasst haben, die im jeweiligen Jahr registriert waren und unterscheiden die jeweiligen Schuldistrikte, in denen es eine große Konkurrenz zwischen Schulen gibt, von denen, in denen das nicht der Fall ist.
Im nächsten Schritt vergleichen die Autoren den Markt für private Schulbildung vor und nach Einführung des Rechts auf Bildung und zeigen, dass in Schuldistrikten, in denen eine große Konkurrenz zwischen Schulen herrscht, die Anzahl der Angebote privater Schulbildung nach Inkrafttreten des Rechts auf Bildung stark gestiegen ist, woraus sie ableiten, dass die entsprechende Nachfrage gestiegen sein muss, und zwar bei den Indern, die es sich leisten können, ihre Kinder zu privaten Tutoren und Lehrern zu schicken.
Sodann zeigen die drei Autoren, dass die schulischen Leistungen von Kindern, die eine zusätzliche Schulausbildung bei privaten Tutoren oder Lehrern erhalten, besser sind als die schulischen Leistungen von Kindern, die keine zusätzliche Schulausbildung erhalten und kommen damit zu dem unausweichlichen Schluss, dass das Recht auf Bildung die soziale Ungleichheit verstärkt hat. Zwar erhalten jetzt auch Kinder aus armen Familien eine Schulausbildung, sie können aber weiterhin nicht mit Kindern aus reichen Familien konkurrieren, die zudem den Abstand zu Kindern aus Familien erhöht, die sich auch vor Einführung des Rechts auf Bildung den Schulbesuch ihrer Kinder leisten konnten, aber kein Geld für privaten Schulunterricht erübrigen können.
Wenn es das Ziel des Indischen Gesetzes, mit dem ein “Recht auf Bildung” festgeschrieben wurde, war, die soziale Ungleichheit in Indien zu verringern, dann ist dieses Gesetz spektakulär gescheitert.
Chatterjee, Chirantan, Hanushek, Eric A. & Mahendiran, Shreekanth (2020). Can Greater Access to Education Be Inequitable? New Evidence from Indi’s Right to Education Act. Cambridge: NBER Working Paper No. 27377.
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Wo Bildung draufsteht ist meist Futtertrog gemeint.
Wie pflegte mein Klassenlehrer zu sagen: Das Gegenteil von gut gemacht ist nicht schlecht gemacht, sondern gut gemeint. (Zeitraum frühe 1950er)
Ich habe es in einem Land des real existierenden Sozialismus
– Ungarn – anders erlebt. Das war das einzig Gute, was dort zu dieser Zeit geschehen ist. Das allgemeine Bildungsniveau wurde höher. Allerdings hatte keiner die Möglichkeit, Privatlehrer zu
nehmen. Aber es gab viele gute Lehrer, auch auf dem Lande. Etliche begabte Kinder, die im alten System verloren gegangen wären, konnten später auf eine Uni. Der Erfolg hängt also wahrscheinlich davon ab, auf welche Weise man die Bildung ermöglicht.
lg
caruso
Früher war Reiten ein absolutes Privileg des Adels.
Dann wurde es möglich gemacht, dass heutzutage im Prinzip jeder reiten darf, der reiten kann.
Was hat der Reit’Adel’ aber dann gemacht, um den elitären Abstand zum gemeinen Plebs aufrecht zu erhalten?
– Sie züchten für sehr viel Geld Hochleistungspferde, die sich nachfolgend keiner vom Plebs je leisten wird können und auch selbst nicht systematisch züchten kann
– Sie generieren hochdotierte Wettbewerbe wo nur solche Pferde in aller Regel auch Gewinnchancen haben und
– Sie finanzieren eine wettbewerbsverzerrende Unterstützungsindustrie (Trainingsmöglichkeiten, Ausbilderexperten, Ausrüstung, Tierarztbetreuung u.ä) für sich mit Zugangsbeschränkung und Mindestkapitalnachweis in Millionenhöhe!
Und schon stimmt die Weltordnung wieder.
Das ist ein Rennen, das die Mehrheit der Unterprivilegierten nicht gewinnen kann.
Einen anderen perversen Effekt der politischen Bemühungen um Herstellung von Gleichheit beschreibt Gregory Clarke in seinem Buch “The Son also rises”, und auch Thilo Sarrazin geht in “Deutschland schafft sich ab” darauf ein. Der Einfluss der Gene auf den Erfolg ist viel größer als die Politiker wahr haben wollen, und auch wenn Adelsgeschlechter absteigen sind sie doch unbemerkt irgendwie bald wieder da. Sofern man nicht wie unter den Roten Khmer systematisch die Erfolgreicheren ausmerzt, sind es doch immer ungefähr die gleichen Gene, die unter jedem System nach oben kommen. Wenn man nun unbedingt ganz fairen Wettbewerb durchsetzen will, beschleunigt man den Vorgang nur und sorgt dafür, dass all diejenigen Unterschichtmitglieder, die ein ungenutztes Potenzial haben, aufsteigen und einen ausgeleerten Unterschicht-Genpool hinterlassen. Aber das kann wohl nicht sein, weil es nicht sein darf.
Konsequenz der Studie: Alle Kinder werden den Eltern weggenommen, in die alleinige Obhut des Staates gesteckt und absolut identisch unterrichtet; wer überdurchschnittliche Ergebnisse zeigt, wird bestraft.
Während der Ferien dürfen die Kinder nachhause, den Eltern ist aber strikt untersagt, den Kindern eine das Schulwissen fördernde Antwort auf Fragen zu geben oder anders auf ihr Wissen und Können einzuwirken.
Am Ende der Schulzeit bekommen alle Schüler identische Zeugnisse.
Das wird ein großer Schritt auf die angestrebte Gleichheit sein.
Der Vorzug dürfte immerhin sein, daß Kinder, die zur Schule gehen, während des Unterrichts keine Zeit zu Vermehrungszweck haben.
“Der Freude an der eigenen moralischen Erhebung durch vermeintliches Gutsein soll keine Realität im Wege stehen.”
Nichts schöneres könnt’ ich mir noch erhoffen
Bin von meiner Güte und mir selbst besoffen
Und in Deutschland ist das erklärte Ziel der “Bildungsgerechtigkeit” (oder war es zumindest vor einigen Jahren), dass irgendwann 85% eines Jahrgangs studieren sollten. Wenn man sich die Normalverteilung anschaut, so bedeutet die Forderung, dass nur die geistig untersten 15% keinen Hochschulabschluss bekommen sollen (in der wahren Welt: 5 – 10%, da es von den Intelligenteren einige geben wird, die aus anderen Gründen nicht an die Uni gehen), dass die Studienpläne soweit vereinfach werden müssen, dass auch Grenzdebile mit 2σ unter Normal – das ist der IQ von Forrest Gump – eine realistische Chance haben.
Sehr geehrter Herr Klein,
Herr Dörner hat nicht Nanaland, sondern Tanaland als Experiment durchgeführt.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Wiedemann
Meines Wissens war in Indien nie eine Gleichheit (der Bildung) das Ziel, sondern eine Erhöhung des Bildungsniveaus insgesamt.
In Indien ist die Ungleichheit über 5000 Jahre tradiert und steht damit nicht zur Disposition.
Daher war das Gesetz auch ein voller Erfolg, denn er hat die Mittel- und Oberschicht “gezwungen” (netter: “motiviert”) mehr in die Bildung ihres Nachwuchs zu investieren, um den Abstand zum Plebs zu wahren.
Was dann – vor allem mit der parallelen kulturellen Verwestlichung der Mittelschicht – ein Milieu geschaffen hat, aus dem das deutlich vergrößerte technische Fachkräftepotential abgeschöpft werden kann. Was für Großmachtsambitionen unabdingbar ist.
Nuklearwaffentechnik, Nukleartechnik, Weltraumfahrt aber auch z.B. die berühmten Programmierer oder auch pharmazeutische Produktion in zweiter Stufe (Veredelung von Roh-Pharmazeutika) sind Level die man nicht mit Halb-Analphabeten bespielen kann.
Zum “Recht auf Arbeit” aus einer Rede Bismarcks: “Gebt dem Arbeiter das Recht auf Arbeit, bei Erkrankung Hilfe und im Alter Versorgung.”