Totgeburt: Eine Ohrfeige für Heiko Maas von gleich vier Ministerpräsidenten

Ein Brief, von dem zuerst Al Arabiya und zwischenzeitlich Reuters, die Stuttgarter Nachrichten und die ARD berichtet haben, von dem die ARD behauptet, dass er ihr vorliegt, ist eine schallende Ohrfeige für Heiko Maas. Gegenstand des Briefes ist der Abzug von 9.500 US-Soldaten. Ziel des Briefes ist es, den Truppenabzug noch zu verhindern. Geschrieben haben ihn vier Ministerpräsidenten. Und darin besteht die Ohrfeige. Denn, wie heißt es doch so schön in Artikel 32 des Grundgesetzes:

Art 32

(1) Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes.
(2) Vor dem Abschlusse eines Vertrages, der die besonderen Verhältnisse eines Landes berührt, ist das Land rechtzeitig zu hören.
(3) Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten Verträge abschließen.



Außenpolitik ist weitgehend Sache des Bundes. Länder können tätig werden, wenn der Gegenstand ihrer Tätigkeit einen Bereich betrifft, in dem sie eine legislative Zuständigkeit haben. Die Verteidigungspolitik ist kein solcher Bereich, denn, so regelt Artikel 73:

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:
1.die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;

Die Stationierung ausländischer Streitkräfte auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist somit – auch wenn sie von den betroffenen Bundesländern im Wesentlichen als eine ökonomische Frage behandelt wird, eine Frage, die ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundes, genauer: des Bundesaußenministers, des Auswärtigen Amtes und des unter Artikel 45a des Grundgesetzes beschriebenen Ausschusses für Verteidigung im Bundestag, fällt.

Cartoon by Valeriy Chmyriov, from Ukraine

Das macht den Brief, den die vier Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg (Grüne), Bayern (CSU), Hessen (CDU) und Rheinland-Pfalz (SPD) geschrieben haben, so bemerkenswert. Er übergeht die Zuständigkeit des Bundes vollständig. Er ist eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung im Allgemeinen und Heiko Maas, der wohl größten Fehlbesetzung im Amt eines Außenministers seit Joachim Ribbentrop, im Besonderen.

Es ist ein Bettelbrief.

Adressaten sind 13 US-Senatoren und Abgeordnete, darunter wie Reuters berichtet, die beiden republikanischen Senatoren Mitt Romney und Jim Inhofe. Allein das ist schon bemerkenswert, denn offensichtlich wendet man sich in der Not und über den Kopf der Bundesregierung auch an den politischen Feind. Auf unter anderem Romney und Inhofe setzen die vier Landesfürsten ihre ganze Hoffnung, wenn es darum geht, den Truppenabzug der US-Streitkräfte, den US-Präsident Trump für 9.500 US-GIs am 1. Juli genehmigt hat, noch zu verhindern.

Reuters zitiert aus dem Brief:

““We therefore ask you to support us as we strive not to sever the bond of friendship but to strengthen it, and to secure the U.S. presence in Germany and Europe in the future.”

Die Tagesschau zitiert:

“”Wir bitten Sie uns darin zu unterstützen, das Band der Freundschaft nicht zu lösen[,] sondern zu festigen und die US-Präsenz in Deutschland und Europa auch für die Zukunft zu erhalten.”

Obwohl die ARD-Tagesschau behauptet, der Brief liege ihr vor, ist es dem Sender nicht möglich, etwas anderes als eine deutsche Übersetzung just der Passage zu veröffentlichen, die Reuters zuvor bereits veröffentlicht hat. Man hätte doch zumindest erwartet, dass in dem Brief der ein oder andere Satz zitierfähig und -würdig ist. 

Was die deutschen Medien, die über den Brief berichten, vollkommen unter den Tisch fallen lassen, sind zwei Dinge:

    1. Der Brief ist, wie wir bereits gezeigt haben, eine Ohrfeige für die Bundesregierung und vor allem den Bundesaußenminister, denen die Ministerpräsidenten offensichtlich nicht zutrauen, in einem Punkt, der für die Wirtschaft der jeweiligen Länder sehr wichtig ist, etwas tun zu wollen oder etwas tun zu können. Vielleicht denken die Landesfürsten auch, die Bundesregierung habe in der Vergangenheit alles dazu getan, die Beziehungen zu den USA auf einen absoluten Nullpunkt zu bringen und dort zu halten, eine Intervention von der Stelle, die für deutsche Verteidigungs- und Außenpolitik zuständig ist, wäre demnach eher schädlich als nützlich.
    2. Kein Medium adressiert die Frage, ob es dem US-Senat oder dem Repräsentantenhaus überhaupt möglich ist, Donald Trump am Truppenabzug zu hindern.


Um dies zu tun, wäre ein Gesetz notwendig, das sowohl die Zustimmung im US-Repräsentantenhaus als auch im US-Senat erhält und das zudem nicht an einem Veto des US-Präsidenten scheitert. Es ist bereits unwahrscheinlich, dass ein solches Gesetz überhaupt durch den Senat zu prügeln wäre, dass es – falls es diese Hürde nimmt – nicht vom US-Präsidenten mit einem Veto daran gehindert werden würde, in Kraft zu treten, ist eine Illusion, von der man denken sollte, dass sich ihr deutsche Ministerpräsidenten nicht unbedingt hingeben.

Doch bevor ein Gesetz eingebracht werden kann, das den Truppenabzug verhindert, ist die Frage zu klären, ob die umfassende Zuständigkeit des US-Präsidenten in Fragen der Verteidigung überhaupt durch den US-Congress eingeschränkt werden kann. Die Antwort auf diese Frage ist wohl ein mehr oder weniger klares: NEIN. Bereits in der Vergangenheit ist US-Präsident Donald Trump in die Kritik geraten, weil er Truppen aus Syrien oder aus Südkorea abgezogen hat. In beiden Fällen ist es bei der Kritik geblieben. Präzedensfälle aus der Vergangenheit gibt es nur wenige. 2012 hat der US-Congress Obama gezwungen das Militärgefängnis auf Kuba in Guantanamo Bay weiter zu führen, obwohl Obama in seinem Wahlkampf versprochen hatte, die Einrichtung zu schließen. Auch aus der früheren Vergangenheit sind nur wenige Fälle bekannt, in denen sich der US-Congress in die Oberhoheit des US-Präsidenten über alle Angelegenheiten des Militärs eingemischt hat.

1949 hat der US-Congress Präsident Harry Truman dazu gedrängt 58 statt der vorgesehenen 48 Luftwaffen-Einheiten zu begründen. Truman hat das dazu in beiden Häusern verabschiedete Gesetz unterschrieben, also kein Veto eingelegt, das Gesetz jedoch im Anschluss dadurch unterlaufen, dass er sein Finanzministerium angewiesen hat, die Mittel, die für die zusätzlichen 10 Einheiten bewilligt wurden, nicht frei zu geben. Die 10 zusätzlichen Einheiten wurden zwar Gesetz, aber nie Realität.

George H. W. Bush hat sich gegen eine Regelung gewandt, die ihn in seiner Möglichkeit, US-Truppen aus Spanien abzuziehen, b beschränkt hat. Er hat erklärt, dass seine Autorität als Oberbefehlshaber Truppen einzusetzen, wie er es für richtig hält und wie es notwendig ist, um die Zuständigkeiten, die die US-Verfassung dem Präsidenten zuweist, auch zu erfüllen, durch diese Regelung eingeschränkt wird, weshalb er die Regelung dann in der Folge und ohne Folgen ignoriert hat.

Ramstein Airbase by U.S. Army Corps of Engineers Europe District

Kurz: Geht es darum, Entscheidungen des Präsidenten, die in seine Zuständigkeit als Oberbefehlshaber der Streitkräfte der USA fallen, anzufechten oder gar zu verhindern, dann ist der US-Congress eine lahme Ente. Selbst wenn es unter Senatoren und Abgeordneten die Bereitschaft gäbe, jenseits von politischem Kapital, das sicher für manche in diesem Brief zu sehen ist, etwas für die vier Bundesländer zu tun, wären ihre Möglichkeiten dahingehend so eingeschränkt, dass man mit relativer Sicherheit feststellen kann, dass es weder den Versuch, noch den erfolgreichen Versuch, in Form eines Gesetzes geben wird, Präsident Trump am Truppenabzug zu hindern.

Die Ministerpräsidenten hätten sich ihren Brief insofern sparen können. Er ist eine Totgeburt.

Dies gilt jedoch nur dann, wenn das Ziel des Briefes darin besteht, das erklärte Ziel, den Truppenabzug zu verhindern, zu erreichen.

Sollte der Brief als Zaunpfahl gedacht sein, um den US-Amerikanern in Senat und Repräsentantenhaus zu zeigen, es gibt in Deutschland eine Gruppe von Politikern, die nicht die Animositäten teilen, die Merkel und Maas zum Gegenstand ihrer Politik gegenüber den USA gemacht haben, dann ist das Wedeln insofern gelungen, als internationale Medien davon berichten. Ob es ein Zufall ist, dass dieser Brief am 20. Juli bekannt wird (just kidding)?

Wer sich für Fragen des US-Rechts interessiert, dem sei das Blog Lawfare, aus dem wir unsere Beispiele entnommen haben, empfohlen. Man muss nur die politische Voreinstellung pro-US-Democrats bei manchen der Texte, die von Universitätsangehörigen erstellt werden, in Rechnung stellen, und die Texte entsprechend neu gewichten, und hat eine Fundgrube für Fragen des praktischen US-Rechts.



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