Innenpolitische Eskalation: Wieder “Arschlöcher” in Berlin!?

Der von gleich zwei Gerichten düpierte Berliner Innensenator, Andreas Geisel, dessen Versuch, Demonstrationen nur nach Gesinnung zu genehmigen, wie von uns schon vor Tagen vorhergesagt, gescheitert ist, ist nicht zum ersten Mal damit aufgefallen, die Demonstrationsfreiheit in Frage zu stellen.

Drehen wir die Zeit, um gut drei Jahre zurück:

Man kann sich nun darüber aufregen, dass ein von Bürgern gewählter Innensenator einer Stadt, die am Tropf aller deutschen Steuerzahler hängt, viele davon, werden heute in Berlin von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen, eben solche Bürger als “Arschlöcher” beschimpft.

Man kann feststellen, dass das ehemalige SED-Mitglied Geisel offenkundig entweder zu dumm ist, um ein Argument zu machen oder sich in eine Position verrannt hat, von der aus man eben kein Argument mehr machen kann, denn nur so ist seine Zuflucht beim Mittel aller Intelligenzlosen: der Beschimpfung, zu erklären.



Man kann eine hohe Warte einnehmen und sich darüber pikiert zeigen, dass die politische Kultur in Deutschland so verkommen ist, dass selbst Expletiv-Artisten wie Geisel, obszön-vulgäre Schreihälse in Positionen gelangen können und nicht einmal die Spur einer Idee davon haben, dass sie als Mitglied einer Regierung nicht nur die Bürger repräsentieren müssen, die ihnen genehm sind, sondern gerade auch die anderen, die Arschlöcher, wie Geisel sie nennt.

Man kann das Ganze auch einfach als die hilflose Flucht nach vorne eines Ideologen nehmen, der nicht gewusst hat, dass Rechtssätze in Deutschland, im Gegensatz zur DDR, nicht der Ideologie untergeordnet, sondern ihr übergeordnet sind. Das Demonstrationsrecht gilt uneingeschränkt für alle. Selbst ein Herr Geisel dürfte zu einer Demonstration aufrufen und vielleicht gäbe es dann auch einen Anti-Geisel, der frustriert feststellen würde, dass man eben jedes Arschloch demonstrieren lassen müsse. Das ist eben so in einer Demokratie, die Freiheitsrechte garantiert.

Geisel verklärt die DDR in nostalgischer Weise, wenn er davon schreibt, dass sein Vater durch die DDR “die Chance” erhielt, aufzusteigen, dass die DDR das Leben seines Vaters gewesen sei. Wenn Sohn Geisel sich offenkundig vollständig den Entscheidungen seines Vaters untergeordnet hat, bis hin zum Studium, das Vater Geisel für Sohn Geisel ausgesucht hat, und wenn jemand, dessen Leben so gelaufen ist, dies auch noch öffentlich macht, dann liegt der Verdacht nahe, dass man es mit einer autoritären Persönlichkeit zu tun hat. Dass man von einem solchen Mann nicht erwarten kann, demokratische Regeln zu achten, ist eigentlich klar.

Aber lesen Sie Andreas Geisel im O-Ton:

“Mein Vater erhielt durch die DDR die Chance, 1950 im Alter von 21 Jahren zum Abteilungsleiter in der Möbelindustrie aufzusteigen, in einem Dorf bei Dresden. Die DDR hat dann dafür gesorgt, dass er sein Abitur ablegen und studieren durfte. Er war später in Leitungsfunktionen bei der Deutschen Post beschäftigt und durfte zeitweise sogar im Westen Verhandlungen führen. Die DDR war sein Leben. Sie gab ihm die Chance, von einem Lehrling mit 8 Klassen Volksschule zum Diplom-Ingenieur aufzusteigen, sein Dorf zu verlassen und in der Hauptstadt Berlin zu arbeiten. In diesem Geist wurde ich erzogen, aus einer solchen Familie komme ich. Liebevoll und gebildet, gut umsorgt, ohne Mangel und sozialistisch geprägt.

“Ich rannte mit Gorbatschow-Buttons herum und führte Reden, die mir damals recht wild, mutig und rebellisch vorkamen.”

Unmittelbar nach meinem Schulabschluss stellte ich im Alter von 17 Jahren den Antrag Mitglied der SED zu werden. Da befand ich mich gerade im Internat in Neubrandenburg, das mein Vater für mich ausgesucht hatte, damit ich in seine Fußstapfen trete. Danach studierte ich in Dresden an der Hochschule für Verkehrswesen, die mein Vater ebenfalls für mich ausgesucht hatte.”

Aber es kommt noch schlimmer.

Eine Demokratie ist kein System, in dem Persönchen wie Geisel salbungsvoll Rechte gewähren und nehmen, wenn ihnen gerade danach ist, um dann an der Leier zu zupfen und “Berlin brennt” zu singen, wenn Linksextreme gerade wieder Teile Berlins in Schutt und Asche zu legen oder den Daumen zu senken, wenn Menschen fremder, für Linksextreme nicht zu rechtfertigender “Gesinnung”, ihr Recht einklagen.



Eine Demokratie ist eine Art Leihsystem.

Bürger leihen denen, die sie zeitweise als Regierung dulden, die Gewalt dazu. Und Regierungen nutzen diese Regierungsgewalt IM AUFTRAG der Bürger. Nutzen Regierungen diese Gewalt in einer Art und Weise, die der Bevölkerung nicht gefällt, dann gibt es in einer Demokratie ein friedliches Mittel für Bürger, ihre Regierung loszuwerden: Wahlen. Weil Wahlen nicht ständig stattfinden, gibt es zwischen den Wahlen Mittel politischer Partizipation, die im Wesentlichen dazu dienen, der Regierung zu zeigen, dass sie sich den Unmut von Teilen der Bevölkerung zugezogen hat und ihr die Gelegenheit zu geben, darauf zu reagieren. Demonstrationen gehören zu diesen Mitteln.

In der DDR durften Bürger auch einkaufen, wenn sie sich anständig, also anstehend verhielten.

Dass die Geisels dieser Welt diese Basis demokratischer Gesellschaften nicht verstehen, vielmehr dem Irrtum aufsitzen, sie hätten die Gewalt, Rechte zu definieren und zu erteilen, ist tragisch für sie. Dass sie sich jeder Möglichkeit berauben, Unmut unter Bürgern zu erkennen, in seinem Ausmaß einschätzen zu können, um darauf zu reagieren, ist misslich, denn deshalb werden sie am Ende genau das Fiasko erleben, das die US-Democrats 2016 erlebt haben und 2020 erleben werden: Der Wählerwille wird sie aus dem Amt schwemmen – und zurecht.

Das unterscheidet Demokratien von Diktaturen und anderen autoritären Systemen: Regierungsmitglieder werden abgewählt, nicht abgeschossen oder gewaltsam abgesetzt und eingesperrt.

Herr Geisel, der denkt, er könne Bürger, die von einem legitimen Recht auf Demonstration Gebrauch machen, als Arschlöcher bezeichnen, hat diese Grundlagen der Demokratie und die Prekarität der eigenen Lage offenkundig nicht verstanden. Er denkt, er könne die beschimpfen, die ihre Rechte abgetreten haben, um demokratische Regierung zu ermöglichen. Das genau ist der Punkt: Bürger treten Rechte, umfassende Freiheitsrechte an ein Regierungssystem ab, um in Sicherheit und Freiheit leben zu können, nicht dazu, sich von einem dahergelaufenen Nichtsnutz (wenn Herr Geisel uns eine nützliche Tätigkeit, zu der er bislang in seinem Amt fähig war, nennt, revidieren wir diese Bewertung) beschimpfen zu lassen.

Jedes Recht, das von Bürgern gewährt wurde, kann – bei Missbrauch – wieder zurückgenommen werden.
In einer Demokratie erfolgt dies, wie gesagt, per Wahl.
Werden zwischen Wahlen Zustände erreicht, die unhaltbar sind, z.B. weil sich ein Positionsinhaber im Ton vergreift und seine vollständige Abhängigkeit von Wählern übersieht, dann sieht es das Ethos demokratischer Systeme vor, dass dieser Positionsinhaber zurücktritt. Dazu sind indes Anstand und ein Verständnis des demokratischen Systems vonnöten.

Diesen Anstand und dieses Verständnis hat Herr Geisel offenkundig nicht, wie die Tatsache belegt, dass er immer noch im Amt ist.

Nun ergeben sich daraus, dass Personen, die man als autoritäre Persönlichkeit ansehen muss und die kein Problem damit haben, Bürger, egal, wie abstrus oder extrem ihre politische Ansicht auch immer sein mag, als Arschlöcher zu bezeichnen, erhebliche Probleme, denn damit beginnt eine Eskalationsleiter, an deren Ende nichts Gutes steht.

Aber vielleicht ist die Provokation von Geisel im Vorfeld der heutigen Demonstrationen, die er wegen aus seiner Sicht falscher Gesinnung der Demonstranten verbieten lassen wollte, ja nur ein weiterer Beleg dafür, dass die Berliner Stadtregierung darauf hin arbeitet, die Lage zu eskalieren, ein Motiv, das wir eigentlich nur zögerlich unterstellen, dem man sich aber kaum mehr verwehren kann, wenn man die Art und Weise betrachtet, in der in Berlin Politik gemacht werden soll, denn dann drängt sich dieses Motiv förmlich auf:

Regierungen, die sich innenpolitisch in ihrer eigenen Unfähigkeit verheddert haben, wählen häufig die Eskalation außenpolitischer Beziehungen, um sich zu profilieren. Diese Option hat die Berliner Stadtregierung nicht. Also wählt man die Eskalation der Beziehungen nach Innen, um sich hinter Bereitschaftspolizisten in Stellung bringen zu können, um die eigene, heruntergewirtschaftete Stadt vor vermeintlich üblen Elementen zu retten. Dieses Spiel ist ein altes sozialistisches Spiel, hundertfach gespielt. Dass es in Berlin gespielt zu werden scheint, so wie es derzeit in China gespielt wird, ist nicht wirklich verwunderlich.

Die Art und Weise, in der die Polizei – unter Weisung von Geisel – heute gegenüber den Demonstranten agieren wird, wird Aufschluss darüber geben, wie weit das Motiv, eine innenpolitische Situation zu eskalieren, bereits gediehen ist.



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