Rechenspiele aus Greifswald: Wer ist hier eigentlich dement?
Es gibt Zeitgenossen, die denken, wenn man den Anteil der Arbeitslosen mit dem Faktor X multipliziert, dann hat man ein Maß für das Innovationspotential. Rechnet man dies als Anteil der Arbeitslosen pro Bundesland mal Faktor X, dann kann man eine Schätzung über das jeweilige Innovationspotential pro Bundesland abgeben und eine Rangreihe erstellen.
Gerüchten zufolge handelt es sich bei diesen Zeitgenossen um die selben Zeitgenossen, die denken, wenn man einen Prozentwert als Bruchteil von 1 ausdrückt, also 0,25 anstelle von 25%, dann habe man damit etwas qualitativ Anderes zum Ausdruck gebracht.
Und dann gibt es noch Leute aus Greifswald, die zu Demenz forschen.
Jochen René Thyrian, Melanie Boekholt, Wolfgang Hoffmann, Maren Leiz, Jessica Monsees, Tim Schmachtenberg, Fanny Schumacher-Schönert und Ulrike Stenzel haben etwas ganz Tolles gemacht:
Sie haben den Anteil der Alten (ab 65 Jahre) in einem Landkreis oder einer Kreisfreien Stadt mit einem Prävalenzwert für Demenz multipliziert und das Produkt auf die Anzahl der Einwohner pro Kreis oder Kreisfreie Stadt umgerechnet. Das Ergebnis vermarkten sie nun in der Zeitschrift “Der Nervenarzt” als “bundesweite Analyse auf Kreisebene”. Die Analyse in Demenz schlägt sich vor allem in farbigen Karten von Deutschland nieder und in Aussagen wie: Auf Kreisebene variiert er (der Anteil der “Menschen mit Demenz”) zwischen 1,42% (Landkreis Freising) und 3,01% (kreisfreie Stadt Dessau-Roßlau)”. Mit anderen Worten: in Freising gibt es weniger alte Menschen als in Dessau-Roßlau. Ob es deshalb auch einen höheren Anteil von Dementen in Dessau-Roßlau gibt, das ist eine ganz andere Frage, eine, deren Antwort zu wichtig ist, als dass man sie Datenhubern wie den Greifswaldern überlassen kann. Datenhubern, die nicht bemerken, was Sätze bedeuten, die sie selbst schreiben:
“Je mehr Neurologen, Nervenärzte und Psychiater in einem Bundesland pro 100.000 Einwohner existieren, desto mehr Demenzpatienten mit Erstmanifestation wurden innerhalb der ersten 6 Wochen fachärztlich versorgt:”
Ein Wissenschaftler, der bemerkt, dass die Prävalenz einer vermeintlichen Erkrankung von der Dichte der Ärzte abhängig ist, die sie diagnostizieren, ist alarmiert. Welche Form der Magie soll dazu führen, dass Blinddarmentzündungen mit der Anzahl von Internisten variieren oder Meniskusschäden mit der Anzahl der Orthopäden? Ein solcher Wissenschaftler wird sich zwangsläufig die Frage stellen, wie Demenz überhaupt diagnostiziert wird, welche Kriterien angelegt werden, um einen dementen von einem nicht dementen Menschen zu unterscheiden. Wer diese Frage beantwortet, wie dies Dr. habil. Heike Diefenbach in diesem Beitrag für ScienceFiles getan hat, der kommt schnell zu dem Ergebnis, dass es kaum eine Diagnose gibt, die so sehr von Willkür und ärztlicher Voreinstellung beeinflusst wird, wie die Diagnose “Demenz”. Mit anderen Worten: Die Wahrscheinlichkeit, als dement zu gelten, hängt massiv von der Wahrscheinlichkeit ab, einem Arzt, der Demenz gerne diagnostiziert, in die Hände zu fallen.
Derartige Probleme sind den Greifwaldern offenkundig vollkommen unbekannt. Sie sind Datenhuber, die nach etwas gesucht zu haben scheinen, das auf Basis von Grundrechenarten die schnelle Publikation in ausgerechnet “Der Nervenarzt” verspricht. Und weil dem so ist, ignorieren sie die oben dargestellten Probleme und sehen darüber hinweg, dass die Prävalenz von Demenz, die sie mit 2,04 bundesweit berechnet haben, nur ein weiterer Schätzwert in einer Reihe von unzähligen Schätzwerten ist, die eine, und nur eine Interpretation nahelegen: Die Prävalenz von Demenz ist davon abhängig, wie Demenz diagnosefreudig Ärzte sind.
Die Idee, dass soziale Probleme von Beteiligten geschaffen werden, ist unter anderem im Labeling Approach aufgenommen worden. Die Etikettierung von Menschen als z.B. dement, schaffe erst Demenz und damit ein Problem, das es ohne die Etikettierung so nicht gegeben hätte. Offenkundig ist zur Diagnose von Demenz ein Maßstab notwendig, an dem die Abweichung einer kognitiven Leistung gemessen werden kann. Ob diese Abweichung “Demenz” darstellt, ist indes, und ein Blick in die MS-Medien reicht, um Zweifel zu wecken, eine ganz andere Frage. Dadurch, dass Autoren wie die Greifswalder daran arbeiten, Demenz zu zementieren und jede Kritik an der Mode-Diagnose “Demenz” durch ihre Rechnereien diskreditieren, spielen sie eine wichtige Rolle in der Pathologisierung von Alter, der Tendenz jede Vergesslichkeit und jede kognitive Minderleistung zur Demenz zu erklären und zu einer sprudelnden Einkommensquelle für Ärzte und die Hersteller von Antidementiva zu machen.
Aber schöne Deutschlandkarten haben die Greifswalder generiert.
Thyrian, Jochen René et al. (2020). Die Prävalenz an Demenz erkrankter Menschen in Deutschland – eine bundesweite Analyse auf Kreisebene. Der Nervenarzt.
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Zeigt ein Senior Demenzerscheinungen, empfiehlt es sich, ein Glas Wasser anzubieten. Verschwinden die Demenzerscheinungen nach der Flüssigkeitszufuhr, war die betroffene Person lediglich exsikkiert. Mineralwasser ist wesentlich preiswerter als Memantine und Co…
Da tun Sie den Neurologen m. E. Unrecht und schütten das Kind mit dem Bade aus.
Es gibt klare Kriterien für die Diagnose einer Demenz, und gerade wenn ein Neurologe diese Diagnose stellt, dann darf man annehmen, daß er dafür einen guten Grund hat, im Unterschied vll. zum Allgemeinarzt.
Das heißt natürlich nicht, daß es nicht auch reversible Ursachen gibt, die zu einer dementiellen Symptomatik führen können, wie z. B. eine Schilddrüsen-Unterfunktion. Aber bei einem einfachen Flüssigkeitsmangel, wie hier als mögliche Ursache suggeriert, wird kaum jemals zur Diagnose einer Demenz führen können.
Sie schreiben: “Ein Wissenschaftler, der bemerkt, dass die Prävalenz einer vermeintlichen Erkrankung von der Dichte der Ärzte abhängig ist, die sie diagnostizieren, ist alarmiert.” Das sagt der zitierte Satz aber gar nicht aus. Dort steht nur die Binsenweisheit, daß, wenn die Neurologendichte hoch ist, die Patienten weniger lange auf einen einen Termin zur Behandlung warten müssen.
Auch sonst stehen in der Arbeit eigentlich nur Binsenweisheiten, und der praktische Erkenntniswert ist doch sehr begrenzt: Daß der Anteil dementer Menschen höher ist, wenn das Durchschnittsalter hoch ist, wurde ja schon genannt.
Die Autoren gehen dann noch auf die Zahl der Dementen pro Quadratkilometer ein und merken an, daß die Versorgung bei einer geringen Dichte anders strukturiert sein muß als bei hoher.
Das sagt aber nur aus, daß die Versorgungsstrukturen auf dem Land anders sein müssen als in der Großstadt, was eigentlich jedem klar ist und für Demenz genauso gilt wie für jede andere Erkrankung, die dauerhafte Versorgung und Pflege erforderlich macht. Und wie dies am besten sichergestellt werden, wissen die Behandler und Behörden vor Ort vermutlich im konkreten Fall auch ohne diese Publikation
Wenn es die klaren Kriterien gibt, dann wäre es schön, wenn Sie die klaren Kriterien mit uns teilen, weil wir finden keine klaren Kritierien.
Daraus:
lesen Sie:
“Dort steht nur die Binsenweisheit, daß, wenn die Neurologendichte hoch ist, die Patienten weniger lange auf einen einen Termin zur Behandlung warten müssen.” Und woher kommen “die Patienten”? Sind die vom Baum gefallen oder wurden sie dort, wo “die Neurologendichte” besonders hoch ist, besonders häufig als “Patienten” erkannt?
Ad Personam, ja, schon, aber so deutlich..
Bei der Vornamensliste bemerke ich bei mir einen gehörigen Namensrassismus, René Melanie, Maren, Jessica, Tim, Fanny ergeben einen Hinweis auf erhebliche Vorbelastung durch Erziehung.
Wenn ich gelegentlich jüngere Mitglieder des weiblichen Geschlechts anhören muss, so habe ich nicht den Verdacht, sondern Gewißheit, dass Blödheit, – höflicher gesagt, mangelndes oder nicht vorhandenes Denkvermögen-, dort ziemlich massiv vertreten ist.
Nun stelle ich mir diese eingeschränkten Wesen im hohen Alter vor.
Was, bitte, grenzt dann diese Blödheit von Demenz ab ?
you made my day