Schluss mit der Panik: SARS-CoV-2 kann nicht so einfach übertragen werden, wie behauptet

Die drakonischen Maßnahmen, mit denen die Ausbreitung von SARS-CoV-2 verhindert werden soll, basieren auf einer Reihe von Annahmen:

  • Die Übertragung von SARS-CoV-2 ist leicht möglich, eine Ansteckung kann leicht erfolgen.
    • Dass dem so ist, das liegt daran, dass SARS-CoV-2 leicht per Aerosol übertragen werden kann und
    • leicht über Flächen, Griffe, Tasten, aufgeschnappt werden kann, wobei ein Griff ans Auge oder die Nase reicht, um das Virus per Hand von z.B. einem Handlauf in die Schleimhäute zu befördern;
  • Die Übertragung von SARS-CoV-2 kann schon erfolgen, bevor ein Infizierter Symptome entwickelt und sie kann auch von asymptomatischen Personen ausgehen.

In diesem Post widmen wir uns den ersten beiden Behauptungen und zeigen, dass eine Übertragung von SARS-CoV-2 per Aerosol sehr unwahrscheinlich, ein quasi Aufgreifen von SARS-CoV-2, das auf Flächen lauert, um von einer Hand aufgenommen zu werden, noch unwahrscheinlicher ist.


Die Bilder aus Wuhan, die ein großflächiges Versprühen, von was auch immer die Chinesen da versprüht haben, als Maßnahme zum Schutz vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 empfohlen haben, sind dem einen oder anderen vielleicht noch in Erinnerung.

Wenn nicht, es sah damals u.a. so aus:


Das war zum damaligen Zeitpunkt ein Game-Changer, und es wurde durch Bilder wie die folgenden aus Wuhan in all seiner Dramatik vor der Welt präsentiert (oder inszeniert):


Die Chinesen haben nichts unversucht gelassen, um die Welt von der Gefährlichkeit des neuen Virus zu überzeugen. Eine hohe Übertragbarkeit durch Aerosole, durch Tröpfchen und über Flächen, auf die jemand gehustet und dort Virus deponiert hat, Schalter in Aufzügen, Tasten auf Geldautomaten, Handläufen und vieles mehr, sie stand schnell nicht nur im Raum, sondern als gesichert fest.

Bilder wie diese haben auch uns beeindruckt:

SARS-CoV-2 ist eine ernste Sache. Alle Anzeichen sprachen dafür. Auch die Studien, die aus China kamen, sprachen dafür. Wer erinnert sich nicht an die Bus-Studie, die gezeigt hat, wie ein Infizierter das Virus unter den Fahrgästen eines Busses verbreitet und selbst Fahrgäste ansteckt, die mehrere Meter von ihm entfernt sitzen. Auch Studien, die die Wolke gefilmt haben, die ein Mensch beim Husten in seiner Umgebung verbreitet, haben zu der Überzeugung beigetragen, dass SARS-CoV-2 sehr leicht zu übertragen sei.

Und dann haben sich die Zweifel gehäuft, zunächst die Zweifel daran, dass SARS-CoV-2 so leicht durch Aerosole übertragbar ist, wie angenommen. Die vielleicht wichtigste Studie in diesem Zusammenhang stammt von Smith et al. (2020):

Scott H. Smith, Aernout Somsen, Cees van Rijn, Stefan Kooij, Lia van der Hoek, Reinout A. Bem und Daniel Bonn zeigen in einer interessanten und gut gemachten Untersuchung zur “Probability of Aerosol Transmission of SARS-CoV-2”, dass diese Probability gar nicht hoch ist.

Die Gefahr, die von Aerosolen ausgeht, beruht vornehmlich darauf, dass es SARS-CoV-2 und geschützt in Aerosolen-Wolken gelingen kann, eine geraume Zeit in der Luft zu überdauern und auf einen neuen Wirtsorganismus zu warten, wenn die Viren erst einmal ausgehustet sind. In der Tat können Smith et al. (2020) zeigen, dass es zwischen 5,5 und 7 Minuten dauert, ehe sich die Hälfte der ausgehusteten Aerosole auf dem Boden einfinden. Das Ergebnis ist in der folgenden Abbildung dargestellt.

Dargestellt ist eine wirklich beeindruckende Dauerhaftigkeit von Aerosolen und damit von SARS-CoV-2, hat es erst einmal den Rachen eines Trägers Huckepack auf einem Aerosol verlassen.

Indes sagt die Dauerhaftigkeit nichts über die Wahrscheinlichkeit aus, sich mit SARS-CoV-2 über Aerosole zu infizieren. Um diese Wahrscheinlichkeit zu berechnen, ist es zunächst einmal notwendig, den Anteil von Aerosolen zu bestimmen, der durch Husten freigesetzt wird. Ergebnis: rund 20 Millionen Aerosole pro Einmal-Husten. Das Ergebnis beruht auf dem Husten von 7 Probanden (5 männlich, 2 weiblich), deren Hustenemissionen sich weitgehend glichen, mit einer Ausnahme: Einem Superspreader. Die folgende Abbildung zeigt, wie sich Husten von “normalen” und Superspreadern unterscheidet. Während das, was der Superspreader (oben links) verbreitet, einem Viren-Tsunami gleicht, verbreiten normale Huster eher einen Nieselregen, den man nur mit viel Mühe überhaupt erkennen kann (vielleicht wäre eine andere Farbe bei der Darstellung hilfreich gewesen….).

Nun ist auch die ausgehustete Menge keine wirkliche Antwort auf die Frage nach der Wahrscheinlichkeit, so lange man nicht weiß, wie viele der oben abgebildeten Tröpfchen Aerosole sind. Rund 98% dessen, was ausgehustet wird, sind keine Aerosole sondern normale Tröpfchen, die, wenn sich jemand in ihrer direkten Flugrichtung befindet, zur Infektion ausreichen. Aber hier interessieren die 2% Aerosole. Ein mit SARS-CoV-2 Infizierter hat in einem Milliliter Speichel zwischen 104 und 106 Kopien der RNA von SARS-Cov-2. Hochgerechnet auf den Anteil von Aerosolen an einem normalen Aushuster sind das rund 10.000 Aerosole mit einer viralen Ladung. D.h. nur 1 Aerosol von 2000 Aerosolen trägt das Virus.

Die Hälfte der 10.000 Aerosole mit SARS-CoV-2 kann sich im Durchschnitt zwischen 5,5 und 7 Minuten in der Luft halten. Ob es in diesem Zeitraum zu einer Infektion kommt, hängt davon ab, ob es ihnen gelingt, in der zu einer Infektion notwendige Menge an Virus in einen neuen Organismus zu gelangen. Ein Atemzug, den ein normaler Mensch ausführt, bringt ihm eine Zufuhr von rund 0,0005 m3 Luft. Pro Minute atmet ein normaler Mensch rund 16 Mal ein und aus. Das bringt uns zurück zu der Abbildung oben, und zwar dem unteren Teil. Dort ist die Anzahl der Aerosole dargestellt, die ein Mensch, der in einen Raum von der Größe 2mx2mx2m kommt, einatmet. Es sind, selbst bei einem Superspreader, nicht mehr als 180 RNA-Kopien von SARS-CoV-2. Die tatsächliche Menge schwankt zwischen 60 und 180 Kopien und hat einen Mittelwert von 120 Kopien. Das ist eine geringe Menge, wenn man bedenkt, dass bei größeren Tröpfchen, die als Hauptquelle der Infektion angesehen werden können, mindestens 500 Kopien pro Tröpfchen vorhanden sind.

Das Ergebnis macht somit eine Übertragung von SARS-CoV-2 durch Aerosole unwahrscheinlich oder in den Worten der Autoren:

“Our dynamic modelling of transmission of SARS-CoV-2 in confined spaces shows that aerosol transmission seems an inefficient route, in particular from non or mildly symptomatic individuals. The large droplets that are believed to be responsible for direct and nosocomial infections may contain about 500 virus particles per droplet and are thus likely the most important route in a mixed transmission model.”

Damit ist die Übertragung von SARS-CoV-2 durch Aerosole eher unwahrscheinlich, selbst in geschlossenen Räumen ist sie unwahrscheinlich.

Damit sind Aerosole weitgehend vom Tisch. Wer nicht dirket angehustet wird, der hat kaum ein Risiko, SARS-CoV-2 aufzuschnappen.

Aber er kann es aufgreifen, so der zweite Teil der Erzählung. In der Tat, das kann er. Aber die Wahrscheinlichkeit, ermordet zu werden, sie ist höher. Zu diesem Ergebnis kommen nicht nur wir, auch das US-amerikanische CDC kommt zu diesem Ergebnis. Am Ende eines “Science Brief“, in dem das CDC die wissenschaftlichen Befunde dafür, dass man SARS-CoV-2 quasi aufgreifen kann, zusammenstellt, steht ein eindeutiges Urteil “the risk is considered to be low.”

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Sicher, SARS-CoV-2, das haben eine Reihe von Studien gezeigt, hat eine bemerkenswerte Fähigkeit, auf Oberflächen zu überleben, sofern diese Oberflächen nicht porös sind, kann SARS-CoV-2 bis zu drei Tage in einer Menge überleben, die geeignet ist, zu einer Infektion bei jemandem zu führen, der direkt auf die Oberfläche greift, um sich im direkten Anschluss die Augen zu reiben oder die Nase zu wischen. Die Studien, die die Dauerhaftigkeit von SARS-CoV-2 aus Plastik- oder Stahloberflächen gezeigt haben, haben dies in der Regel dadurch bewerkstelligt, dass sie die Virenladung maximiert haben. Beispiele solcher Studien sind z.B.:

Biryukov, Jennifer, Boydston, Jeremy A., Dunning, Rebecca A., Yeager, John J. , Wood, Stewart, Reese,  Amy L. & Ferris, Allison et al. (2020). Increasing temperature and relative humidity accelerates inactivation of SARS-CoV-2 on surfaces.” MSphere 5(4).

Dehbandi, Reza & Zazouli, Mohammad Ali (2020). Stability of SARS-CoV-2 in different environmental conditions. The Lancet Microbe 1(4): e145.

Kratzel, Annika, Steiner, Silvio, Todt, Daniel, V’kovski, Philip, Brueggemann, Yannick, Steinmann, Joerg, Steinmann, Eike, Thiel, Volker & Pfaender, Stephanie (2020). Temperature-dependent surface stability of SARS-CoV-2. The Journal of infection 81(3): 452.

Liu, Yongjian, Li, Tianyi, Deng, Yongqiang, Liu, Siyang, Zhang, Dong, Li, Hanping, Wang, Xiaolin et al. (2021). Stability of SARS-CoV-2 on environmental surfaces and in human excreta. Journal of Hospital Infection 107: 105-107.


Um jedoch in der Lage zu sein, einen Menschen zu infizieren, ist es nicht ausreichend, dass ein anderer SARS-CoV-2 auf eine Oberfläche gehustet hat.

Die Wahrscheinlichkeit, sich auf einer Oberfläche SARS-CoV-2 zu holen, hängt von einer Reihe von Variablen ab:

  • Der Prävalenz von SARS-CoV-2 in der Umgebung;
  • Der Virenlast, die mit Husten ausgestoßen und auf Oberflächen deponiert wird;
  • Der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit – Mit steigender Temperatur bzw. Luftfeuchtigkeit schwindet die Wahrscheinlichkeit, dass SARS-CoV-2 lange überleben kann;
  • Der Zeit, die zwischen der Kontaminierung einer Oberfläche und deren Befingerung durch einen Passanten vergeht;
  • Der Wahrscheinlichkeit, dass die Hand, die mit SARS-CoV-2 infiziert wurde, mit Schleimhäuten in Kontakt kommt;
  • Der Virenlast, die notwendig ist, um einen Infektion überhaupt hervorzurufen;

Schon diese Zusammenstellung macht deutlich, dass es gar nicht so einfach ist, sich über eine Oberfläche mit SARS-CoV-2 zu infizieren. Das ist auch das Ergebnis, zu dem Harvey et al. (2020) im Rahmen einer sehr pfiffigen Studie gelangt sind. Über Wochen haben Harvey et al. an 12 Örtlichkeiten in Somervile, Massachusetts, Proben vom Griff eines Mülleimers, von Türgriffen, von Handläufen und an Zapfsäulen genommen und auf SARS-CoV-2 untersucht. Von 348 Proben, die sie im Zeitraum von Mitte März 2020 bis Ende Juni 2020 wöchentlich gesammelt haben, waren 29 SARS-CoV-2 positiv, wobei die Autoren für eine positive Bestimmung einen ct-Wert von weniger als 40 Zyklen nutzen. Darüber könnte man streiten, kämen die Autoren nicht selbst zu dem Ergebnis, dass von den 29 positiven Proben nur drei Virenlast in brauchbarem Ausmaß aufzuweisen hatten. Die drei Proben stammten von den Türgriffen zu und aus einem Supermarkt und vom Griff der Eingangstür zum Spirituosenladen (!sic). Die Wahrscheinlichkeit, sich an einem der drei Griffe anzstecken, wurde unter Nutzung von Beobachtungsdaten berechnet, d.h. die stündliche Häufigkeit, mit der die jeweiligen Griffe angefasst wurden und wie sie angefasst wurden, mit bloßen Händen oder mit Handschuhen. Im Ende ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit, sich über einen der Griffe anzustecken, die zwischen 4 in 10.000 und 2 in 10.000.000 variiert, wobei, sie ahnen es schon, der Türgriff zum Spirituosenladen das höchste Ansteckungsrisiko bereitstellt. Indes ist dieses Risiko mit einem einfachen Putztuch und ein wenig Desinfektionsmittel leicht zu beseitigen, so dass man es als eher nicht vorhanden einstufen kann.


Abigail P. Harvey, Abigail P., Fuhrmeister, Erica R, Cantrell, Molly E., Pitol, Ana K., Swarthout, Jenna M., Powers, Julie E., Nadimpalli, Maya L., Julian, Timothy R.  & Pickering, Amy J. (2020). Longitudinal Monitoring of SARS-CoV‑2 RNA on High-Touch Surfaces in a Community Setting.


Eine Simulationsstudie, die Ana K. Pitol and Timothy R. Julian durchgeführt haben, kommt zu einem ähnlich geringen Risiko. Man kann somit feststellen, dass SARS-CoV-2 mit hoher Wahrscheinlichkeit NICHT über Oberflächen übertragbar ist. SARS-CoV-2 ist auch über Aerosole nicht einfach zu übertragen, so dass, wie gewöhnlich, Tröpfchen, die ausgehustet werden, als Ansteckungsmöglichkeit verbleiben, ganz so, wie dies bei Influenza und Noroviren der Fall ist. Letztere sind übrigens viel leichter über Oberflächen zu verbreiten. Die Wahrscheinlichkeit, einen Norovirus aufzugreifen, ist mit 2,7 in 1000 erheblich höher als die entsprechende Wahrscheinlichkeit für SARS-CoV-2.


Pitol, Ana K. & Julian, Timothy R. (2020). Community Transmission of SARS-CoV-2 by Surfaces: Risks and Risk Reduction Strategies.


Es wird Zeit, die Diskussion darüber, welche Maßnahmen angemessen sind, um die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu begrenzen, sofern man sie im ungefährdeten Teil der Bevölkerung überhaupt begrenzen will, auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und nicht auf der Basis der tugendwedlerischen Bedürfnisse von Polit-Darstellern zu diskutieren.



Seit Ende Januar 2020 besprechen wir Studien zu SARS-CoV-2. Damit gehören wir zu den wenigen, die das neue Coronavirus seit seinem Auftauchen verfolgt und den Niederschlag, den es in wissenschaftlichen Beiträgen gefunden hat, begleitet haben.
Eine Liste aller Texte, die wir zu SARS-CoV-2 veröffentlicht haben, finden Sie hier.

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