Jugendliche gehen öfter und weniger in “die Natur”: Repräsentative Studie von anderer repräsentativer Studie widerlegt

Das Verlautbarungsorgan der Bundesregierung, die ARD-tagesschau, berichtet davon, dass “Jugendliche” öfter in die Natur gehen würden. Was die Vergleichsbasis dieser, ohne diese Basis sinnlosen Aussage ist, bleibt zunächst im Dunkeln. Verraten wird nur, dass sich “Seit Beginn der Corona-Krise … mehr als die Hälfte der Jugendlichen in Deutschland nach eigener Einschätzung häufiger in der Natur” aufhält. Das Ergebnis stammt aus einer Befragung, die im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz durchgeführt wurde. Passenderweise zeigen die Ergebnisse, die für das Bundesamt produziert werden, was dem Amt in den Kram passt: Der Lockdown ist nicht so schlimm, denn Jugendliche “gehen mehr in die Natur”. 52 Prozent sagen, dass sie “viel häufiger oder zumindest etwas häufiger in der Natur unterwegs seien als vor der Pandemie”. Das konkrete Ergebnis mit Fragen finden Sie rechts, und wir fragen: Was ist für Sie “die Natur”? Was verstehen die befragten Jugendlichen unter “der Natur”, vor allem wenn sie in Berlin oder Leipzig oder München leben?

Egal. Irgendwie sind die befragten Jugendlichen der Ansicht, sie seien häufiger in “der Natur” als vor Beginn der Corona-Krise, wann immer die Corona-Krise auch begonnen haben mag, in den letzten Monaten halt. Das ist misslich, denn eine andere Studie, die am Karlsruher Institut für Technologie angesiedelt und seit 2003 in bislang vier Wellen durchgeführt wurde, kommt zu einem ganz anderen Ergebnis – zum Gegenteil, um genau zu sein.

“„Waren es im Frühjahr 2020 noch 144 Minuten Bewegungszeit am Tag, sind es jetzt nur noch 61 Minuten. Das Niveau liegt nun auch unter dem vor der Corona-Pandemie. Vorher bewegten sich die Kinder und Jugendlichen etwa 107 Minuten täglich“, sagt Professor Alexander Woll, Leiter des Instituts für Sport und Sportwissenschaft (IfSS) am KIT. Zusätzlich habe sich die Zeit, die die Kinder und Jugendlichen in ihrer Freizeit vor dem Bildschirm verbrächten, um 28 Minuten auf nun insgesamt 222 Minuten am Tag erhöht. „Durch die höhere Inaktivität gab fast die Hälfte der Befragten nach eigener Einschätzung an, dass ihre Fitness stark gesunken sei. Bei knapp 30 Prozent sei das Gewicht gestiegen“, so Woll.”

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Wie geht das zusammen?
Hat das Bundesamt für Naturschutz ausgerechnet die Jugendlichen befragt, die nicht zu Couchpotatoes geworden sind, während man am Karlsruher Institut für Technologie ebendiese befragt hat? Jedenfalls kann nicht sein, dass Jugendliche etwas oder viel häufiger seit Beginn der Corona-Krise in “die Natur” gehen und dass sich dieses Mehr an Natur in einem deutlichen Weniger an Bewegungszeit auswirkt. Man hätte gedacht, dass mit mehr “in die Natur” gehen auch mehr Zeit, die man sich bewegt, verbunden ist.

Wie löst sich dieser Widerspruch?

Die angebliche Studie des Bundesamts für Naturschutz ist natürlich “repräsentativ”: 1000 Jugendliche wurde im Sommer 2020 befragt, Alter: zwischen 17 und 20 Jahre.

Die Studie aus Karlsruhe ist auch repräsentativ. Das berichtete Ergebnis ist Teil einer Längsschnittstudie, an der mehr als 2000 Kinder und Jugendliche im Alter von 4 bis 17 Jahre teilnehmen. Etwas und sein Gegenteil kann nicht richtig sein. Vielmehr erklärt sich der Widerspruch wohl so: 

  • Repräsentativität ist eine Chimäre, die benutzt wird, um zu manipulieren, die eigenen Ergebnisse zu mehr zu erklären als sie sind;
  • Die Befragungen dienen ideologischen Zielen, sollen benutzt werden, um die Maßnahmen zu legitimieren, die man ohnehin durchsetzen will;

Repräsentativität ist eine Chimäre. Darauf haben wir bereits mehrfach hingewiesen, am ausführlichsten hier. Sie dient nicht nur dazu, die eigenen Ergebnisse mit mehr Aussagekraft zu versehen, als diese Ergebnisse tatsächlich haben, sie dient vor allem dazu, zu manipulieren, Bürgern vorzugaukeln, bestimmte Ergebnisse würden ein Stimmungsbild der Gesamtbevölkerung oder einer Teilgruppe, der 14- bis 17-Jährigen abbilden, einer Teilgruppe die im Auftrag des Bundesministeriums für Naturschutz befragt wurden und somit von einer interessierten Partei, der bestimmte Ergebnisse wie gewünscht erscheinen müssen, etwa, wenn herauskommt, was in der ARD wie folgt dargestellt wird:

“Zudem engagieren sich viele Jugendliche selbst für Natur- und Umweltschutz. Gut ein Drittel der Befragten (33 Prozent) gab an, schon mindestens einmal an einer entsprechenden Demonstration – etwa von “Fridays for Future” – teilgenommen zu haben. 49 Prozent der Jugendlichen sind außerdem dazu bereit, der Umwelt zuliebe auf Einwegprodukte zu verzichten. 30 Prozent würden sogar Fleisch von der Einkaufsliste streichen.”

Natur- und Umweltschutz, das sind Themen, die positiv besetzt sind. Wer ist schon dafür, die Umwelt zu vermüllen. Entsprechend verbindet sich mit beiden Themen das, was man in der Sozialforschung als “soziale Erwünschtheit” bezeichnet, die Tendenz bei Befragten, die Antwort zu geben, von der sie annehmen, dass sie sozial erwünscht sei, dass sie erwartet werde. Bei Jugendlichen, die ohnehin auf der Suche nach Identifikation und Lebenssinn sind, ist diese Tendenz eher noch ausgeprägter als bei Erwachsenen, so dass man mit einer solchen Frage nur dann etwas anfangen kann, wenn man durch eine einfache Nachfrage sicherstellt, dass man als Befrager nicht gerade angelogen wurde. Die einfache Nachfrage: Wo war die letzte Demonstration, an der Du teilgenommen hast und wogegen hast Du demonstriert? Die meisten derer, die sich nicht mehr konkret erinnern können, haben gelogen.

Diese einfache Methode, die eigenen Daten verlässlich zu machen und zu bereinigen, die wendet natürlich nur an, wer an Ergebnissen und nicht an Legitimation für seine politischen Pläne interessiert ist.

Das Bundesamt für Naturschutz ist an Legitimation für das interessiert, was man ohnehin durchzusetzen gedenkt, das zeigt sich an der folgenden Fragebatterie:

Derartige Messungen von Bereitschaftsbekundungen im Rahmen einer Befragung, in der es von Anfang bis Ende um die schöne Natur und die Wichtigkeit von deren Schutz geht, sind vollkommen wertlos, wenn sie nicht mit einer entsprechenden Nachfrage einhergehen, die zumindest ansatzweise versucht, den Wunsch von der Wirklichkeit zu trennen: Hast Du schon einmal Müll von der Straße aufgelesen? Wenn ja, wann zum letzten Mal? 

Regelmäßigen Lesern von ScienceFiles wird der kleine Griff in die Giftkiste der empirischen Sozialforschung, den ein Befrager dann vornimmt, wenn er die Verteilung der Antworten beeinflussen will, nicht entgangen sein. Die Befragten können mit “sehr bereit”, “eher bereit”, “weniger bereit” und “überhaupt nicht bereit” antworten, eine Verzerrung der Antworten, die einen positiven Bias produzieren wird, wie deutlich wird, wenn man die korrekte Formulierung der Antwortkategorien gegenüberstellt: sehr bereit, eher bereit, eher NICHT bereit, überhaupt nicht bereit. Sie arbeiten eben mit allen Tricks – oder sie sind so blöd!

Wir alle sind zu allen möglichen guten Dingen bereit, manche wären sogar bereit auf ihr Frühstück zu verzichten, wenn dadurch ein Kind in Afrika überleben kann. Indes: Wenn es zum Verhalten kommt, dann stürzen die Anteile derjenigen, die die Bereitschaft, etwas zu tun,mit einer entsprechenden Tat kombinieren, regelmäßig ab, ein Phänomen, das unter Sozialforschern bekannt ist und das seit Jahrzehnten als Kluft zwichen Einstellung und Verhalten zu überbrücken versucht wird, bislang ohne Erfolg. Das Problem macht Marktforscher wahnsinnig, die sich freuen, dass 75% der VW-Kunden sehr zufrieden sind, VW Bekannten empfehlen würden, von sich sagen, sie werden sich wieder einen VW kaufen, nur um dann im Nissan vorzufahren. Dr. habil. Heike Diefenbach hat dieses Phänomen für Studien, die Zuwanderung zum Gegenstand haben, beleuchtet. Das Ergebnis ist in allen Fällen immer dasselbe: Talk is cheap. 

Dessen ungeachtet wird in Umfragen stoisch die Einstellung von Befragten zu jedem Hanswurst-Thema erfragt. Dass es dabei nicht darum geht, herauszufinden, wie sich Befragte tatsächlich verhalten, sondern nur darum, Legitimation für seine politische Agenda herzustellen, im wahrsten Sinne des Wortes: herzustellen, das dürfte klar sein.

Die Ergebnisse, die das Bundesamt für Naturschutz so gerne sehen wird, stammen aus einer Umfrage, die “Naturbewusstsein” unter Jugendlichen erheben sollte.



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