Bei Malaria ist auf einmal alles anders als bei COVID-19 – Warum nur?

Vielleicht haben Sie von R21/MM gehört, einem neuen Impfstoff gegen Malaria, der an der University of Oxford entwickelt wurde. Der Impfstoff befindet sich gerade in Phase-II-Trials in Burkina Faso, genau in Nanoro. Die Forschergruppe, die für die Entwicklung des Impfstoffs und dessen Test verantwortlich ist, hat am 5. Mai 2021 im Lancet einen Beitrag veröffentlicht, in dem die Ergebnisse des Phase-II-Trials veröffentlicht wurden, sehr ermutigende Ergebnisse, denn R21/MM ist der erste Impfstoff, der eine Effektivität von 77% gegen Malaria erreicht. Bisherige Impfstoffe sind nicht über eine Effektivität von 55% hinausgekommen.

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Mehreen S. Datoo und eine lange Reihe von Ko-Autoren berichten im Lancet von den Ergebnissen des Trials, an dem 450 Kinder im Alter zwischen 5 und 17 Monaten, alle wohnhaft in der Gegend in oder um Nanoro in Burkina Faso, teilgenommen haben. Der Trial wurde im Mai 2019 gestartet und besteht aus drei aufeinanderfolgenden Impfungen, die sich über einen Zeitraum von drei Monaten ziehen. Die Effektivität des Schutzes, der durch die Impfung aufgebaut wurde, wurde 6 Monate und 12 Monate nach der dritten Impfung (oder letzten Impfung, wenn nur zwei erfolgt sind) erhoben. 12 Monate nach der dritten Impfung wurde eine Booster-Impfung verabreicht. Der Trial läuft entsprechend noch. Zudem wurde nun ein Phase-III-Trial mit 4.800 Kindern im Alter von 5 bis 36 Jahren begonnen. Die Kinder erhalten drei Impfungen mit R21/MM im Abstand von 4 Wochen. Der Trial läuft bis ins Jahr 2023. Dann werden die Ergebnisse dazu vorliegen, ob R21/MM nicht nur wirksam, sondern auch SICHER ist. Insgesamt hat sich der Test des neuen Impfstoffs dann über fünf Jahre gezogen. Erst nach diesen fünf Jahren wird, wenn die Ergebnisse abermals positiv ausfallen sollten, über eine Zulassung des Impfstoffes nachgedacht.

Die Ergebnisse aus dem Phase-II-Trial sind recht erfreulich. Wie die beiden folgenden Cox-Regressionen zeigen, ist die Inzidenz von Malaria in den beiden Treatment-Gruppen, die die selbe Menge R21, aber unterschiedliche Mengen des Hilfsstoffes/Trägerstoffes MM erhalten haben, deutlich geringer als in der Kontrollgruppe, deren Teilnehmer mit einem Impfstoff gegen Tollwut geimpft wurden.

Insgesamt waren nach sechs Monaten 186 der 450 Kinder an Malaria erkrankt, davon 105 in der Kontrollgruppe. Die Zahl der Erkrankten hat sich zum zweiten Zeitpuknt nach 12 Monaten auf 195 erhöht, 106 davon finden sich in der Kontrollgruppe. Die Effektivität von R21/MM scheint somit über Zeit etwas, wenn auch nur geringfügig geringer zu werden. Die mit der Impfung verbundenen Nebenwirkungen sind gering und selten und reduzieren sich im Wesentlichen auf Fieber, Rötungen an der Impfstelle und Schmerzen. Es wurden keinerlei schwere Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Impfung berichtet. Das Nebenwirkungsprofil weist den Impfstoff somit als deutlich weniger aggressiv als all die Impfstoffe aus, die derzeit gegen COVID-19 zum Einsatz kommen. Zudem sind die Ergebnisse für R21/MM verlässlicher, weil sie auf mehr Endpunkten (Erkrankung an Malaria) und einem längeren Beobachtungszeitraum basieren als die Impfstoffe gegen COVID-19. 

Sachs & Mataney (2002).

Malaria ist eine der Hauptursachen für Kindersterblichkeit in Afrika. Jedes Jahr sterben nach Schätzungen der WHO rund 410.000 Menschen an Malaria, rund 67% davon sind Kleinkinder. 2019 wurden weltweit 229 Millionen Infektionen mit Malaria verzeichnet, die meisten davon in den 6 Malaria-Hotspots in Afrika: Nigeria, Demokratische Republik Kongo, Tanzania, Burkina Faso, Mosambik und Niger. Malaria wird vom weiblichen Anopheles Moskito übertragen. Infektionen finden rund ums Jahr statt, besonders häufig sind sie in der Regenzeit von Juni bis November. Die Inzidenz von Malaria liegt bei 57 Infizierten auf 1000 Personen. Die Case Fatality Rate beträgt rund 179 Tote auf 100.000 Infizierte. Damit liegt Malaria im Bereich von SARS-CoV-2, ist jedoch lokal begrenzt und hat keinerlei Potential zu einer Pandemie zu werden.

Für die betroffenen Regionen vornehmlich in Sub-Sahara-Afrika und Asien ist Malaria jedoch mit erheblichen Kosten, sowohl was Tode angeht als auch was Ausfallzeiten durch wiederkehrende Erkrankungen an Malaria betrifft, verbunden, denn es gibt bislang nur partielle Immunität gegen Malaria – wer an Malaria erkrankt, kann damit rechnen, regelmäßige Episoden einer Erkrankung durchzumachen, wobei sich für die, die überleben, von Episode zu Episode die Wahrscheinlichkeit reduziert, schwer an Malaria zu erkranken. Komplikationen einer Erkrankung an Malaria umfassen Atemwegserkrankungen, Bewusstseinssstörungen, Anämie, Nierenversagen und Enzephalopathie.  Schon im Jahre 2002 haben Jeffrey Sachs und Pia Mataney in einem Beitrag in Nature (The Economic and Social Burden of Malaria) die gesellschaftlichen und ökonomischen Kosten die afrikanischen Gesellschaften in 15 Jahren durch Malaria entstehen, auf rund 74 Milliarden US-Dollar beziffert (siehe rechts).

Vergleicht man Malaria mit SARS-CoV-2, dann sind die Unterschiede, die sich aus der Last durch die Krankheit ergeben, sei es im Hinblick auf Sterblichkeit, sei es im Hinblick auf wirtschaftliche und soziale Kosten vergleichbar. Der Hauptunterschied besteht darin, dass die Kosten für Malaria lokal begrenzt im Wesentlichen in Sub-Sahara Afrika anfallen. Indes fallen diese Kosten seit Jahrhunderten an, sind zwar über die letzten Jahrzehnte gesunken, mit rund 410.000 jährlichen Toten und 229 Millionen Infizierten aber immer noch erheblich. Die Bilanz für SARS-CoV-2 sieht derzeit weltweit 158,7 Millionen Infizierte und 3,3 Millionen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 Verstorbene. 

Mit R21/MM ist es gelungen, einen nach Ablauf von Phase-II-Trials als zu rund 77% effektiv sich erweisenden Impfstoff zu entwickeln, für den zudem deutlich weniger Nebenwirkungen berichtet werden als es für die Impfstoffe, die gegen SARS-CoV-2 entwickelt wurden, in den klinischen Trials der Fall war und derzeit ist. Der gerade beendete Phase-II-Trial für R21/MM, über den im Lancet berichtet wurde, hat einen Vorlauf von mehr als einem Jahr, läuft seit Anfang Mai 2019. Die berichteten Ergebnisse basieren auf einer deutlich höheren Zahl von Endpunkten (Erkrankung an Malaria / Erkrankung an COVID-19) als die Ergebnisse, die für SARS-CoV-2 Impfstoffe berichtet wurden. Dennoch wollen die Entwickler von R21/MM auf Nummer sicher gehen. Sie haben den laufenden Phase-II-Trial verlängert, um die Effektivität des Impfstoffes nach einem Booster und nach 24 Monaten analysieren zu können. Gleichzeitig läuft ein Phase-III-Trial an, das bis 2023 andauern wird und an dem rund 4.800 Kleinkinder teilnehmen sollen. Bis zur Zulassung des Impfstoffes gegen Malaria, sofern er das Phase-III-Trial übersteht, was nicht sicher ist, werden somit noch mindestens drei bis fünf Jahre vergehen. 

Im Gegensatz dazu wurden die Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 lange vor Abschluss ihres Phase-III-Trials zugelassen, und zwar auf Basis von Trials, die über nur sehr wenige Endpunkte verfügen (Erkrankung an COVID-19), deren Ergebnisse man daher mit großer Vorsicht betrachten muss. 

Wir haben die Probleme, die sich mit den Trials für SARS-CoV-2-Impfstoffe verbinden, hier zusammengetragen.

Was ist so anders, dass ein Malaria-Impfstoff über Jahre getestet und seine Sicherheit evaluiert wird, während Impfstoffe gegen SARS-CoV-2, unter denen sich zudem Impfstoffe finden, die auf einer Technologie beruhen, die vor der vorläufigen Zulassung der jeweilgen mRNA-Impfstoffe noch nie zugelassen wurde, in großer Eile und unter Ignoranz aller Probleme, die sich mit mittel- und langfristigen Nebenwirkungen ergeben können, die, weil sie Zeit benötigen, um einzutreten, bislang vollkommen unbekannt sind, zugelassen und millionenfach in Oberarme gespritzt werden?

Adrian Hill vom Jenner Institute der University Oxford, an dem R21/MM entwickelt wurde, wird in einer Pressemitteilung der Universität Oxford wie folgt zitiert:

“The start of phase III licensure trial is always an important milestone in the development of a vaccine. This large malaria trial is the culmination of many years of laboratory research and assessment of numerous candidates in early stage clinical trials with large numbers of collaborators”.

In der selben Pressemeldung wird Professor Abdoulaye Djimdé von der University of Science in Bamako mit den folgenden Worten zitiert:

We are thrilled to be the first site to enroll volunteers in the Phase 3 trial of this very promising R21 vaccine. We will utilize our more than two decades of experience in malaria vaccine testing towards successful completion of this trial”.


Selbst wenn man zugesteht, dass die Entwicklung eines Impfstoffes gegen Malaria schwieriger ist als die Entwicklung eines Impfstoffes gegen SARS-CoV-2, ist es dennoch erstaunlich, wie selbstverständlich auf die jahrzehntelange Erfahrung mit Malaria-Impfstoffen, die Jahrzehnte der Forschung als Vorlauf und die Bedeutung umfassender Phase-III-Trials und die vielen bislang gescheiterten Versuche, einen Impfstoff zu entwickeln, hingewiesen wird, alles Dinge, die im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 Impfstoffen plötzlich keine Rolle mehr spielen.

Warum?


Datoo, Mehreen S. et al. (2021). Efficacy of a low-dose candidate malaria vaccine, R21 in adjuvant Matrix-M, with seasonal administration to children in Burkina Faso: a randomised controlled trial. Lancet.



 

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